Kapitel 41

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Nach dieser Nacht packte ich am frühen Morgen meine Sachen. Zumindest das Notwendigste was man eben so als Frau brauchte. Sam war schon sehr früh aufgestanden und in den Garten gegangen um den Arbeitern Anweisungen zu geben. Jason schlief noch in seinem Bettchen und würde erst aufwachen, wenn ich nicht mehr da wäre. Seinen Blick würde ich nicht ertragen, wenn ich ihm sagen müsste, dass ich für unbestimmte Zeit nicht mehr hier sein würde. Vor allem wie sagt man seinem Kind, für unbestimmte Zeit? Kinder können sich nicht einmal vorstellen wie lange eine Stunde dauern würde und dann der Begriff unbestimmte Zeit war für ein Kind noch mit weniger Anhaltspunkten versehen. Ich musste gehen, bevor er überhaupt wach wurde. Zu sehr schmerzte es mich ihn hier zu lassen. Ich hatte Jess, als Sam das Zimmer verlassen hatte, angerufen und ihr alles erzählt, woraufhin sie mir anbot für diese "unbestimmte Zeit" bei ihr bleiben zu können. Vor dem Schrank stehend sah ich, dass dieser Marc schon wieder um Sam herum tänzelte, was mich noch trauriger und wütender machte. Wutentbrannt stopfte ich meine Klamotten in den Koffer, lief mit Tränen in den Augen ins Bad und packte auch hier "meine" Sachen ein. Das gleiche tat ich auch mit meinen Schuhen und meiner Arbeitstasche. Mein Auto stand noch immer vor der Garage, weil ich ja gestern noch mit den Beiden einen Ausflug machen wollte. Der Pool war gerade dabei alles zunichte zu machen was wir uns aufgebaut hatten. Natürlich war Sam lange nicht an meiner Seite gewesen, wegen der Entführung und all dem Scheiß der uns immer wieder widerfahren war. Sie hatte sich natürlich durch all das verändert und ich eben auch. Sonst lief immer alles nach meiner Vorstellung, aber diesmal sollte Sam ihren Willen erhalten. Schniefend stopfte ich alle Taschen und den Koffer in mein Auto, knallte die Autotür zu und ging noch einmal ins Haus um den Schlüssel hier zu lassen. Ein Schmerz durchbohrte mein Herz, als ich Sam lachen hörte und dieser Marc kurz darauf auch zu lachen begann. Gerade als ich meinen Schlüssel auf die Küchenplatte legen wollte, kam Sam in die Küche. Wie schnell war sie bitte? Ich wollte ihr heute und auch für unbestimmte Zeit nicht mehr unter die Augen treten. Nicht nach alledem was war. Sie sollte ihre Zeit bekommen und auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, war es wohl oder übel besser so. Sam blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen, dicht gefolgt von IHM. "Oh guten Morgen", grüßte er mich und schielte hinter Sam hervor. "Morgen", gab ich emotionslos von mir und sah ihn erzürnt an. Sam beobachtete mein Tun und als sie endlich checkte, dass ich den Hausschlüssel hinlegte, füllten sich ihre Augen mit riesen großen Tränen. Ich hielt den Anblick nicht mehr aus und stürmte aus dem Haus, stieg in mein Auto und schloss mich ein. Jetzt war es so wie es war. Der Schlüssel im Haus, ich ohne ihn im Auto. Sam im Haus mit diesem Kerl und mein Sohn. Oh mein Sohn. Ein Heulkrampf überkam mich und meine Nase lief auch aus wie ein Wasserfall. Schluchzend kramte ich in meiner Handtasche nach einem Taschentuch, was das schlimmste verhindern sollte. Ich putzte meine Nase, wischte meine Tränen weg und spürte im selben Moment, wie mein Handy einmal vibrierte. Völlig aufgewühlt zog ich mein Handy aus meiner Boyfriend Jeans, die ich gestern schon an hatte und schaltete das Display an. Es war eine Nachricht von Sam. Sollte ich sie öffnen? Wollte ich sie öffnen? Ein innerlicher Kampf bahnte sich an. Mein Herz schrie, dass ich die Nachricht aufmachen sollte und mein Verstand befahl mir einfach den Motor zu starten und zu Jess zu fahren. Kurze Zeit später siegte mein Verstand. Also packte ich mein Handy, ohne die Nachricht zu lesen wieder in die Tasche, startete den Motor und parkte aus der Einfahrt aus. Einen kurzen Blick warf ich noch auf UNSER Haus und sah Sam an dem Vorratskammer Fenster stehen. Sie weinte bitterlich und hielt eine Hand vor ihren Mund. Wahrscheinlich um Jason nicht zu wecken oder vielleicht sogar um den Idioten nicht zu alarmieren, dass er sie trösten kam. Schweren Herzens löste ich meinen Blick von ihr, legte den ersten Gang ein und fuhr los in Richtung Jess's Wohnung. Gut, dass heute Samstag war und ich nicht in die Arbeit musste. In diesem Zustand hätte ich wohl heute nicht viel ausgerichtet. Nach knapp Zehn Minuten war ich bei Jess, die mich mit einer festen Umarmung in ihre Wohnung zerrte. Wie ich kurz nach meiner Ankunft erfuhr, war ihr Sohn bei seiner Oma eine Zeit lang, damit er nichts von alle dem mitbekam, wofür ich Jess auch sehr dankbar war. Was ich an Jess sehr schätzte war, dass sie mich nicht drängte etwas zu sagen oder ihr alles im Detail zu erklären. Wir setzten uns auf ihre Couch, sie brachte mir ein Glas Wasser und beobachtete mich nur, was mir auch irgendwie unangenehm war. Jess schaltete nach einiger Zeit das Radio ein, weil diese Stille einfach erdrückend war. Und wie sollte es auch anders sein, spielte es ein Liebeslied, was zugleich total traurig war und mich auch traurig machte. Das Lied hieß "Here with me von Dido". Jess bemerkte, dass mir das Lied zusetzte und wollte das Radio wieder ausschalten, was ich aber mit einem "Nicht" unterband. "Sicher?", fragte sie einfühlsam nach. Ich nickte, trank einen Schluck von meinem Wasser und lauschte dem Lied. "Meg?", riss mich Jess aus meiner fast schon Schockstarre. "Hm?", sagte ich und hob meinen Kopf um sie anzusehen. "Kann ich dich was bezüglich euch fragen?", kam es unsicher von ihr. Ich atmete tief durch und nickte. "Hat sie noch etwas gesagt als du das Haus verlassen hast?"

"Nein", gab ich kurz von mir und schüttelte den Kopf. Sollte ich Jess sagen, dass ich eine Nachricht von ihr erhalten hatte? Wenn sie es wissen würde, dann würde sie wollen, dass ich die Nachricht las. Ich war aber nicht bereit dazu. Ich brauchte Zeit um schon einmal damit klar zu kommen, dass ich Jason nicht sehen konnte. Also entschloss ich mich dazu Jess noch nichts von der Nachricht zu sagen. Als das Lied von Dido zu Ende war, kam irgend ein Rock Song und meine Stimmung wurde augenblicklich besser. Langsam ließ ich mich zurückfallen und legte meine Hände auf meine Schläfen um diese zu massieren. Letzte Nacht hatte ich kein Auge zugetan. Sam schien es genauso gegangen zu sein, denn als sie heute Morgen aufgestanden war, sah sie kurz zu mir und da erkannte ich tiefe Augenringe und total rote und aufgeschwollene Augen. Sie hatte wohl auch sehr viel und lange geweint. Immer wieder spielten sich die Szenen vom vorigen Tag vor meinem inneren Auge ab und Tränen stiegen wieder in meine Augen. Jess sah mich mitleidig an, setzte sich neben mich und nahm mich in ihre Arme. "Lass alles raus", flüsterte sie und streichelte meinen Rücken auf und ab. Na mehr brauchte ich nicht. Ich weinte bitterlich und konnte dieses grauenhafte Gefühl einfach nicht aufhalten aus mir auszubrechen. Ich weinte immer heftiger und lauter. Durch meine Tränen war Jess's Schulter schon ganz durchweicht. "T-Tut mir leid", schniefte ich und zeigte auf Jess's Schuler. "Kein Problem, das bin ich schon gewohnt". Allen Anscheins spielte sie damit auf ihren Sohn an, was mich unweigerlich lachen ließ. Jason hatte das als Baby auch immer fabriziert. Jason.... Und schon wieder überkam mich die Traurigkeit. Wie sollte das bloß weitergehen? Was wenn sie sich scheiden lassen wollte? Was wenn sich mehr aus dem Ekel und ihr entwickelte? Meine Gedanken machten mich verrückt. Mittlerweile waren einige Stunden vergangen und es war später Nachmittag. Jess hatte mich gefragt, ob sie zu ihrem Sohn und ihrer Mutter fahren könnte, ohne dass ich mir etwas antun würde, was ich ihr natürlich nicht verwehren wollte. Also fuhr sie so gegen 17 Uhr los und ich machte es mir auf der Couch gemütlich und schaltete einen Streamingdienst ein. Nach einigen Minuten und unzähligen Filmvorschlägen, kramte ich mein Handy aus meiner Tasche und sah, dass ich eine weitere Nachricht von Sam erhalten hatte. Völlig nervös tippte ich den Entsperrcode ein öffnete die Nachrichten.

What is?! - Was passiert, wenns passiert is?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt