Kapitel 18

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Damit die Kriminaltechniker ihrer Arbeit nachgehen konnten, schlug meine Mutter vor, dass ich solange zu Hause wohnen konnte. Generell fragte sie mich, ob ich mit Jason nicht zu Hause einziehen wollte. So sehr mich ihr Angebot auch lockte, so sehr genoss ich meine Freiheit. "Jason und ich haben uns hier ein Leben aufgebaut", gab ich meiner Mutter zur Antwort auf ihre Frage. "Ich verstehe. Aber solange hier noch gearbeitete wird, solange könnt ihr gerne zu uns kommen. Deine Schwester passt eh schon auf ihn auf und sie verstehen sich einfach bestens.", erzählte Mama und strahlte bei diesen Worten vor lauter stolz. "Für diesen Zeitraum nehme ich sein Angebot auch gerne an", erwiderte ich und nahm meine Mutter in den Arm. "Brauchen sie meine Tochter noch?", fragte meine Mutter einen umherlaufenden Polizisten. "Also im Moment...", stotterte er. "Glaube ich eher nicht!", beendete er seinen Satz. "Glauben Sie das oder wissen Sie das?", fragte meine Mutter mit ernster Stimme. "Ich frag mal nach", sagte der Polizist so schnell, dass man erst mal nachdenken musste, was er nun gesagt hatte und verschwand um die nächste Ecke. "Unqualifiziert bist zum geht nicht mehr!", beschwerte sich meine Mutter und stemmte ihre Arme in ihre Hüfte. "Da hast du recht", ertönte die Stimmt von Jess und seufzte. Kurze Zeit später kam ein anderer Polizist auf uns zu. "Ein Kollege hat mich gefragt ob wir Frau Black noch brauchen. Für heute wars das einmal. Es könnte aber sein, dass wir sie noch das ein oder andere Mal brauchen. Haben sie vor in der nächsten Zeit das Land zu verlassen?", fragte er mich ernst. "Nein? Eigentlich nicht", antwortete ich ebenso ernst. "Gut. Falls sich ihre Situation ändern sollte, würde ich sie bitten mich zu kontaktieren. Hier meine Karte", sagte der Polizist und streckte mir seine Visitenkarte entgegen. Jess und ich sahen uns an bis meine Mutter ihre Stimme erhob. "So, dann wollen wir mal. Megan brauchst du noch etwas?", fragte sie mich und raschelte bereits mit ihrem Autoschlüssel. "Ja, einen Moment noch", sagte ich und sprintete in die Küche um meinen Laptop zu holen. "Jetzt können wir", keuchte ich, als ich wieder bei den beiden angerannt kam. "Sehr gut", schmunzelte meine Mutter und Jess und ich folgten ihr, wie zwei kleine Welpen ihrer Mutter, zu ihrem Auto. 

Einen Tag später hatten wir noch immer keine Infos wo sich nun Sam befand. Die Kriminalpolizisten untersuchten Mary's Laptop. Selbst sie waren total sprachlos und konnten nicht glauben, dass diese Frau gar nicht Sam gewesen sein sollte. Als ihr Chef davon erfuhr, musste er sich erstmal setzen, erzählte mir ein Kollege von Sam. Jeder. Einfach jeder war geschockt. Der Vorfall kam sogar in den Nachrichten. Überall konnte man alles nachlesen was sie über uns schrieben. Wenn wir einkaufen gingen wurden wir angestarrt und es wurde getuschelt. Die Blicke, die wir ernteten, waren immer gefüllt mit Mitleid. Ich brauchte aber kein Mitleid. Was ich brauchte war endlich MEINE Sam. Niemand sonst. Jess und ich saßen gerade bei einer Tasse Kaffee als sie mich plötzlich ansah "Zigarette?". "Klar doch", antwortete ihr. Wir nahmen unsere Tassen und gingen auf den Balkon meines Zimmers. Wie sehr hatte ich den Rauch vermisst, der meine Lungen füllte. Ich fühlte mich immer so befreit wenn wir eine rauchten. Ich weiß, die meisten sagen, dass man sich das nur einbildet. Aber es heißt ja bekanntlich, dass Einbildung auch Bildung ist oder nicht? Meine Schwester hatte sich dazu bereit erklärt, Jason noch eine weitere Woche bei sich zu behalten. Was ich natürlich sehr begrüßte. Der Tumult war gerade nicht das was ein Kind bräuchte. Jess stupste mich an und zeigte mit ihrem Blick, dass ihr Handy läutete. "Chris", stand auf dem Display. Jess hob mit einem freundlichen "Hallo Chris" ab und lauschte was er ihr zu sagen hatte. Anhand von Jess's Blick konnte ich erkennen, dass Chris etwas herausgefunden haben musste. Denn Jess's Blick veränderte sich zusehends und sie grinste bis über beide Ohren.

Als sie auflegte, sagte sie gleich "Halt die Fresse. Ich muss dir was sagen" zu mir und legte ihre Hand auf meinen Mund. "Chris und die Kriminalpolizei wissen jetzt wo Sam ist. Sie haben anhand Mary's Laptop und den ganzen IP's herausgefunden, von wo die Mails dieses Antonio's gekommen sind. Antonio ist angeblich untergetaucht. Die Polizei meinte aber, dass, falls sie ihn nicht fassen können, du keine Angst haben musst. Der dürfte in dieser Kriminalszene als "Feigling" bekannt sein. "OK?", sagte ich nervös. "Und? Wo ist Sam jetzt?", fragte ich ungeduldig. "Sam ist in einer Irrenanstalt und trägt, wie sollte es auch anders sein, Mary's Namen", erzählte mir Jess. Ich merkte, dass das nicht alles war, was sie mir sagen wollte. "Du verheimlichst mir etwas", stellte ich trocken fest. "Das stimmt", gab sie ertappt zu und spielte wie ein kleines Kind mit ihren Fingern. "Möchtest du dich setzen?", bot mir Jess an. "Nein!", sagte ich und sah Jess ernst an. Jess seufzte "Na gut. Also es ist so, dass sie Samantha so gefoltert haben, dass sie sich an nichts mehr erinnern kann. Sie denkt, dass ihr Name Mary ist und sie geistesgestört ist.", gestand Jess mir und nahm mich in den Arm. "Sie weiß nichts mehr?", flüsterte ich und meine Stimmer erstickte. "Vielleicht wenn sie dich sieht?", wollte mich Jess etwas aufmuntern. "Wieso können wir nicht endlich einmal normal miteinander leben", schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in Jess's Halsbeuge. "Schhhht", wollte mich Jess beruhigen und streichelte meinen Rücken. "Ich hab dir versprochen, dass alles gut wir und ich werde erst aufhören wenn alles wieder gut ist!", versprach sie mir erneut. "Womit habe ich dich nur verdient", stotterte ich. "Weil es einfach so ist", flüsterte Jess und ich konnte spüren, wie ihre Mundwinkel nach oben gingen. "Wann fahren wir zu ihr?", fragt ich nach einer Weile als wir wieder in meinem Zimmer waren. "Sobald wir dürfen", sagte Jess. Sie erzählte mir, dass Sam noch untersucht wurde. Sie wollten ganz sicher gehen, dass es sich bei Sam auch um Sam handelte. Anhand von Röntgenaufnahmen ihres Gebisses wollten sie ausschließen, dass sie nun doch Mary und das wieder mal eine Falle war. Am Nachmittag erfuhren wir, dass es sich bei Sam um die echte Sam handelte. Völlig aufgelöst lief ich in meinem Zimmer hin und her. Ich wollte so schnell es ging zu ihr um sie da raus zu holen. "Du kannst mal anrufen und fragen wann du mal zu ihr kannst", schlug mir Jess vor. "Sie gleich raus holen wird wahrscheinlich nicht gehen. Sie wird schätze ich mal jetzt erst recht psychologische Betreuung brauchen.", sagte Jess und ich nickte zustimmend. Sie hatte recht. Ich war so egoistisch. Natürlich wollte ich nur das Beste für meine Frau. Meine Frau. Meine echte, richtige Frau. Ich fühlte mich wie am Anfang unserer Beziehung, denn im Grunde waren wir vor 10 Jahren stehen geblieben. Sie wurde mir ja entrissen. "Ich ruf mal in der Klinik an und frage nach wann du zu ihr kannst", sagte Jess und wählte gleich die Nummer der Klinik. Ich war so nervös, weil ich nicht wusste was ihr gesagt wurde. Jess zeigte auf die Zigarettenschachtel und wir gingen, während sie telefonierte eine rauchen. Wir brauchten das beide. Nach zirka 5 Minuten beendeten sie ihr Gespräch. Ich traute mich gar nicht nachfragen wann ich endlich zu Sam konnte. "Bevor du fragst, morgen um 9 Uhr hast du einen Termin in der Klinik. Sie werden dich zu Sam führen. Natürlich unter Beobachtung weil sie schauen müssen ob sich etwas in ihrem Gedächtnis tut.", sagte Jess und lächelte mich an. Ich war so glücklich und dankbar, dass Jess all das für mich tat. "Danke", schluchzte ich und fiel ihr um den Hals. "Keine Ursache", lachte sie und umarmte mich fest. "Möchtest du bleiben und wir trinken was? Sozusagen für dich als Belohnung?", fragte ich Jess. Diese nickte und bestellte ein Bier. Gut gelaunt ging ich in den Keller und holte uns jeweils ein Bier von dem Vorrat meines Vaters. Oben angekommen, öffneten wir die Flaschen mit einem Feuerzeug und tranken genüsslich. Aus einem Bier wurden zwei, drei, vier. Beim fünften Bier konnte man schon unschwer erkennen, dass wir so einen sitzen hatten. Wir kugelten auf dem Boden herum und benahmen uns wie Kleinkinder. Alles was wir sagten war das lustigste was wir je gehört hatten. Zwischendurch war meine Mutter mal zu uns gestoßen. Aber als sie sah was wir veranstalteten, verzog sie sich lachend wieder und ermahnte uns nur nicht zu übertreiben. Was wir natürlich mit einem langgezogenen "Neeeiiiiiinnnn!" quittierten.  Anscheinend hatten wir reichlich getrunken, denn als wir am Morgen aufwachten, sahen wir das Ausmaß unserer kleinen "Feier". Jess war in der Badewanne eingeschlafen. Wie auch immer sie da hingekommen war. Sie hatte auch all ihre Kleidung an. Ich hingegen war auf dem Teppich vor meinem Bett eingeschlafen. "Wolltest du ein Bad nehmen?", zog ich Jess auf. "Und du? Wolltest du mal herausfinden wie sich ein Hund fühlt, wenn er nicht ins Bett darf?", neckte sie mich zurück. Stille. Wir sahen uns nur an. Plötzlich lachten wir beide lautstark los bis uns die Bäuche weh taten. "Megan! Jess!", ertönte die Stimme meiner Mutter. "Es ist kurz vor acht Uhr. Hast du nicht um neun einen Termin in der Klinik?", rief sie herauf. "Fuck. So spät ist es schon?", wirbelte ich herum und stürzte ins Bad. "Leg mal einen Gang zu du Schnecke. Ich muss dann auch noch ins Bad", drängelte mich Jess. "Ja warte. Bins gleich!", rief ich ihr entgegen. Um 8:30 Uhr waren wir fertig und saßen im Auto Richtung Klinikum. "Soll ich dich begleiten?", fragte Jess und drückte meine Hand. "Ja bitte. Zumindest bis ich zu ihr darf", nahm ich ihr Angebot an und war froh, dass sie das von sich aus anbot.

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