Gewitter

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Ich öffnete ab und zu ein Auge. Die Wolken zogen schneller vor dem Fenster. Und irgendwann waren sie ganz schwarz und es begann zu donnern. 

Ich hasste Gewitter. Vor dem konnte man sich nicht mal verstecken. Ich sah zum Fenster und erschreckte mich beim Blitz so sehr, dass ich aus dem Zimmer rannte und im Flur über den Ball fiel.

Wieder ein Krachen vor der Tür, das hatte man sicher auch unten gehört, weil es lauter gewesen war. Ich eilte an die Zimmertür und zog sie auf.

Meine Arme taten weh und mein Fuß. Ich saß auf dem Boden und sah sie mir an, als ich Schritte auf der Treppe hörte und sich die Tür vor mir öffnete.

“Was war denn das?”, fragte Mum von der Treppe aus.
“Hast du dir wehgetan? Bist du über den Ball gefallen?”, fragte ich und hob ihn auf um ihn in mein Zimmer unter den Schreibtisch zu werfen.

Ich nickte. Mein Knöchel würde bestimmt blau werden. 

“Wo, zeig her”, meinte Mum und setzte sich auf die oberste Stufe. Draußen donnerte es laut.

Ich zuckte heftig zusammen und rutschte wimmernd an die Wand.

Mum seufzte. Ich setzte mich neben ihn und sah mir den Knöchel an. “Na, den hast du dir ganz schön angeschlagen. Willst du ihn kühlen?”

Es donnerte erneut und ich versuchte mich wimmernd hinter ihm zu verstecken, was aber nicht ging, weil wir an der Wand saßen. 

Ich beugte mich über ihn, wie ein schützendes Dach. “Du hast Angst vor dem Gewitter?”

Ich nickte panisch.

“Das musst du nicht. Die Blitz tun einem nichts und die Donner sind eben nur laut, du kannst dir ja die Ohren zuhalten, wenn es grollt.”

Ich presste die Hände auf die Ohren. Aber das half nicht viel, es war noch immer laut und ich zitterte am ganzen Körper.

“Willst du dich irgendwo verstecken oder soll ich irgendwie versuchen das Donnern zu übertönen?”

Ich schüttelte den Kopf. Ich presste meine Augen zusammen und zog die Knie an.

Ich löste mein Dach über ihm auf. Er hatte sich unglaublich klein gemacht und ich bekam plötzlich eine Idee. “Komm mit. Blitze haben auch etwas schönes an sich. Komm!” Ich stand auf und hielt ihm die Hand hin. Ich wollte mich mit ihm an mein schräges Fenster setzten und die Blitze beobachten. Mich hatten sie als kleines Kind gefesselt, wie sie in alle Richtungen über den Himmel jagten. Und unter einer Decke ließ es sich außerdem besser verstecken als in der Ecke im Flur.

Vorsichtig sah ich zu ihm auf. Was hatte er vor?
Er hatte mir bis jetzt noch nie etwas getan. 
Ich gab ihm meine Hand.

Ich zog ihn in die Höhe und ging in mein Zimmer. “Unter der großen Decke kann man sich viel besser verstecken. Ich hatte als ich klein war auch Angst vor Gewitter, aber Dad hat mir einmal gezeigt, wie die Blitze über den Himmel tanzen und danach war ich so fasziniert davon, dass ich keine Angst mehr hatte.” Ich hob die Decke hoch, zog ihn darunter und ließ sie über uns fallen.

Es donnerte wieder und ich fiepte ängstlich auf.
Meine Hände hatte ich in die Decke gekrallt und zog sie jetzt noch fester um mich. 

Es würde wohl nicht klappen ihm so die Angst zu nehmen also versteckten wir uns einfach weiterhin unter der Decke. 

Beim nächsten Donner rutschte ich zu Alex und klammerte mich an ihn.
Die Angst vor dem Donner überwog die Angst vor Berührungen.

"Huch…" Das war das zweite Mal an diesem Tag, dass er sich traute mir so nah zu kommen. 
Ich begann irgendwann zu summen. Das übertönte zwar den Donner nicht, aber wenn meine Großmutter mich in den Schlaf hatte summen können würde es ihn zumindest beruhigen. 

Als ich einschlief rutschte mein Kopf in seinen Schoß.

Ich lächelte und strich ihm über das blonde Haar. 

Müde drückte ich meinen Kopf gegen seine Hand. Wenn ich die Angst doch immer so einfach beiseite schieben könnte.

Es gefiel mir immer mehr ihn als kleinen Bruder zu haben. Auch wenn er vor vielem Angst hatte und man sich sein Vertrauen stetig erarbeiten musste. 

"Ist es weg?", nuschelte ich, als ich schon eine Weile keinen Donner gehört hatte.

Ich hob die Decke und sah nach oben. "Scheinbar. Willst du rauskommen?" 

Ich schüttelte den Kopf. Das hier war fast wie in meinem Versteck, nur wärmer.

Ich ließ die Decke wieder fallen

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