Narben

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"Wir haben die Creme geholt, die muss jetzt jeden Tag einmal aufgetragen werden", sagte die Frau. 

Ich war nach zwei Wochen wieder nach Hause gekommen, doch musste mich noch schonen. Mum hatte es doch durchgesetzt, dass Kilian die Salbe benutzen sollte und kam mit der Salbe ins Wohnzimmer.

"Ich…ich weiß nicht, ob ich…"

"Wenn du nicht willst, dass wir dich eincremen, kann das vielleicht Alex machen. Es ist nicht schlimm, dass du uns noch nicht genug vertraut um uns an deinen Rücken zu lassen."
Wieso vertraute er mir eigentlich schon so sehr, aber meinen Eltern nicht?
Ich sah von meinem Buch auf. Was waren das für Narben auf seinem Rücken?

"Sollen wir rausgehen, dann ist es für dich vielleicht einfacher das T-shirt auszuziehen und creme die Arme gleich mit ein."
Sie gingen raus und ich zog mein T-shirt über den Kopf. Dann zögerte ich. Ich musste nur noch zu ihm gehen und mich umdrehen.

Komm schon…”, ermunterte ich ihn.

Ich ging zu ihm und drehte mich um. Ich war völlig verspannt, dabei vertraute ich ihm doch eigentlich. Ich hatte die Schultern hochgezogen und die Hände zu Fäusten geballt. Ich war bereit zu rennen, falls es nötig war.

Ich sah erschrocken auf die Narben auf seinem Rücken. “Was…? Wie…?”, stammelte ich und richtete mich auf.

"Ich war zu laut, hab Dinge liegen lassen, habe genörgelt und generell nicht das getan was sie wollten." Ich klang völlig ausdruckslos.

“A-aber wie…”

"Schläge und Tritte."

Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter bei der Vorstellung und ich schüttelte mich.

Ich versuchte meine Muskeln zu entspannen und die schlechten Erinnerungen zu verdrängen.

“S-soll ich?”

"Ja, ich versuche still zu halten."

“Es dürfte nicht wehtun, schließlich sind die meisten davon schon alt.”

"Sie tun auch nicht weh, ich mag es nur nicht, wenn man sie berührt."

 “Das verstehe ich, ich höre sofort auf wenn du es sagst.” Ich nahm etwas von der Salbe und strich sie über eine lange Narbe, die sich vom Schulterplatte bis in die Mitte des Rücken.

Ich zuckte leicht und wimmerte, aber ansonsten hielt ich still. Es war wirklich unangenehm, auch wenn es nur Alex in meinem ungeschützten Rücken war.

Ich nahm sofort die Hand weg. “Alles in Ordnung?”

"Ja, alles gut, es ist nicht so schlimm. Ich vertraue dir."

Ich streckte wieder die Hand aus, achtet aber jetzt mehr auf seine Bewegungen.

Ich verspannte mich immer wieder, manche waren entzündet gewesen und hoben sich als Wülste von meiner Haut ab. Ein paar verschwanden auch unter dem Hosenbund, aber ich hoffte, das Alex die einfach übersah. Gerade strich seine Hand über fünf rote Kratzer an meiner Schulter und ich zischte schmerzerfüllt auf, weil die Salbe brannte. 

"Geht es? Tut es doch weh?" Es tat mir unglaublich leid, dass er das als kleines Kind hatte erleiden müssen. 

"Die sind noch neu, es brennt", zischte ich.

“Neu. Du bist doch schon seit…seit wann bist du eigentlich von deinen Eltern weg?”

"Ein Jahr, vielleicht anderthalb. Das sind ja nur Kratzer."

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