Ärger und Vertrauen

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"Ich hätte gerne eine Erklärung, wieso ihr Sohn erst auf ein Dach klettert und dann vor Panik hyperventiliert, als ich ihm erklärt habe, dass er eine Strafe dafür bekommen wird."
Ich kam langsam aus meiner Ohnmacht wieder zu mir. Ich lag in einem Konferenzzimmer auf ein paar Stühlen.
Mein Lehrer redete anscheinend mit meinen Eltern über das, was heute passiert war.
"Es ist schon das zweite Mal, dass so etwas passiert. Solange ein Lehrer im Zimmer ist, ist alles in Ordnung und er ein ruhiger, schüchterner Junge. Aber wenn man weg ist, kommen Beschwerden von Mitschülern, er würde sie ärgern und dass er auf Dinge drauf oder in Dinge rein klettert."

Mum war geschockt und auch ich rutschte vom Stuhl neben Kilian auf den Boden.
Das konnte nicht sein!

Ich rollte mich auf dem Stuhl zusammen. Das stimmte doch gar nicht. Ich würde niemals jemanden ärgern.

Dann stand ich auf und trat zu dem Lehrer. "Das kann gar nicht sein! Kilian hat viel zu große Angst vor den anderen Schüler, er könnte die gar nicht ärgern."

"Die Mehrheit der Klasse behauptet das aber und es sind viele vertrauenswürdige Schüler dabei."

"Trotzdem, wie wäre es wenn Sie sich seine Sicht auch mal anhören als gleich nach der großen Gruppe zu gehen."

"Wir haben ihm am Anfang Hilfe angeboten. Er hat sie nie angenommen, und wenn wir ihn fragen, was los ist, schweigt er. Keiner kommt an ihn heran."

"Und trotzdem glauben Sie gleich der Mehrheit."

"Er ist aufs Dach geklettert und in den Schrank im Lehrerzimmer."

"Und warum haben Sie nicht schon früher etwas gesagt?"

"Wir haben ihm Zettel mitgeschickt, aber anscheinend sind sie nicht angekommen und er kann ihre Unterschrift fälschen."

"Was?", fragte Mum entsetzt.

Er holte einen Zettel raus.
Ich zuckte zusammen und rollte mich noch mehr zusammen.
"Hier, den hat er vor zwei Wochen abgegeben."

Mum nahm den Zettel und sah sich die Unterschrift an. "Kilian. Kannst du mir das erklären?"

Jetzt würde ich bestimmt Ärger bekommen. "Es...es tut mir leid", wimmerte ich.

"Wieso machst du das?"

Ich schluchzte auf.

"Sag schon", forderte ihn der Lehrer auf.

Schluchzend flüchtete ich mich auf Alex Schoß. Ich konnte einfach nicht.

Ich legte einen Arm um ihn. "Mum."

Ich hatte in den letzten Wochen nicht viel gegessen, weil ich keine Appetit gehabt hatte und häufig schlecht geschlafen. Mir ging es einfach nicht gut.

Ich konnte seine Rippen besser spüre als vorher. Die Schule hatte ihm ganz schön zugesetzt und rief jetzt auch noch meine Eltern auf den Plan.

"Ich wollte doch nur keinen Ärger machen", schluchzte ich.

"Aber dann wäre es besser, wenn du die Zettel die du bekommst auch abgibst", flüsterte ich.

"Ich wollte nicht, dass ihr euch Sorgen macht."

"Trotzdem solltest du das abgeben, das sind schließlich Zettel, die wichtig für die Eltern sind", erklärte Mum.

Ich blickte verzweifelt und verweint zu ihr rüber.

Ich strich ihm über den Rücken.

"Ich hatte Angst, dass ihr dann wütend auf mich seid und mich dann weg gebt."

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