Ich musste gerade mal drei Stunden geschlafen haben, als ein schrilles Piepen mich aus meinem, sowieso schon unruhigen, Schlaf riss. Aus dem Bett neben mir kam ein entnervtes Stöhnen, was wohl hieß, dass auch Lina nicht wirklich ausgeschlafen war. „Wie lange waren wir denn noch wach?", fragte sie verschlafen. „Angeblich haben wir acht Stunden geschlafen, aber das glaube ich nicht.", gab ich gähnend zurück. Lina grunzte bestätigend. Ich rappelte mich auf und schlurfte ins Badezimmer, um ihr noch ein paar Minuten dösen zu ermöglichen. Als ich in den Spiegel schaute, erschrak ich kurz selbst vor mir, ich hatte gestern wohl vergessen mich abzuschminken. Ich seufzte und machte mich daran das Chaos in meinem Gesicht zu beseitigen. Nachdem ich meine Zähne geputzt und auch meine Haare gebändigt hatte, ging ich zurück und rüttelte leicht an Linas Schulter. Sie nickte in ihr Kopfkissen und rappelte sich dann auch auf, um ins Bad zu gehen. Ich ließ mich für einen kurzen Moment auf meinen Schreibtischstuhl fallen und checkte mein Handy. Na endlich, Nachrichten von zu Hause. Eine von Mike:
Hey Schwesterherz,
ich hoffe du hast den ersten Tag gut überstanden. Viel Spaß bei deinem ersten Schultag. Ich soll dir liebe Grüße von Dad ausrichten. Ich glaube er muss noch verarbeiten, dass du jetzt wirklich weg bist. Gib ihm noch ein bisschen Zeit. Bis dann!
Echt jetzt? Ich sollte meinem Dad Zeit geben? Wollte er nicht eigentlich, dass ich gehe? Ich wollte nicht schon wieder einen Streit entfachen, schluckte meinen Ärger herunter und schickte ein kurzes „Alles Paletti" und ein Herzsymbol zurück. Ich wusste nicht, was ich sonst schreiben sollte, da ich auf die Aussage über unseren Vater nicht eingehen wollte und schließlich war ich auch erst einen Tag im Internat. Die zweite Nachricht, war also nicht, wie ich erwartet hatte, von meinem Vater, sondern wer hätte es gedacht von Sarah. Sie war hartnäckiger, als ich ursprünglich dachte. Mir war außerdem schleierhaft, warum sie sich so viel Mühe gab:
Hallo Romy,
es ist nicht sehr nett von dir, dass du einfach gegangen bist, als ich reden wollte. Eigentlich ist das alles auch deine Schuld. Und was hattest du denn erwartet? Dass er dich mir vorzieht? Wir können ja morgen in der Schule nochmal über alles sprechen.
Da war sie wieder, die Sarah, die ich kannte. Sie drehte die Geschichte komplett um und versuchte mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Als wäre es meine Schuld, dass ich die beiden erwischt hatte. Ich schickte einen Daumen nach oben, aus Provokation. Ich musste mir ja schließlich um dieses von ihr geforderte Gespräch keine Gedanken machen, da ich heute nicht an unserer alten Schule auftauchen würde, aber das wusste sie nicht.
„Warum grinst du so? Schreibst du mit deinem Freund oder so?", fragte Lina interessiert, als sie aus dem Badezimmer kam. „Nein quatsch, ich habe gar keinen Freund. Das war nur Sarah, ein Mädchen aus meiner alten Schule. Nicht so wichtig." Lina schaute neugierig, stellte aber keine weiteren Fragen, sondern wechselte das Thema. „Wir sollten vor dem Frühstück noch kurz unsere Stundenpläne vergleichen, dann sehen wir, was wir heute zusammen haben." Ich kramte als Zustimmung in meinem Rucksack und zog die Mappe heraus, die mir Frau Mai gestern gegeben hatte. Lina schnappte sich ihren Stundenplan von ihrem Schreibtisch und setzte sich im Schneidersitz neben mich auf den Boden. Auf ihrem Stundenplan stand ein anderes Datum, da ich ja drei Wochen später in das Schuljahr eingestiegen war. Die Stundenanzahl von acht Stunden stimmte überein, aber die Stunden leider kaum. In den ersten beiden Stunden hatte ich Mathe und die sie Deutsch, das waren unsere jeweiligen E-Kurse. Gut zu wissen, dass sie wohl in Mathe besser war, als ich. In der dritten und Vierten hatten wir Englisch zusammen. In der fünften und sechsten Stunde, hatte Lina zwei Freistunden, während ich dort im Leistungskurs Deutsch sitzen würde. Super! In den letzten beiden Stunden hatten wir Sportleistung, was nicht dem normalen Schulsport entsprach, sondern der jeweiligen Sportart, die man selbst hatte wählen können. Bei Lina war das Judo und bei mir Schwimmen. „Wow, wirklich oft sehen wir uns ja heute nicht.", witzelte ich. „Ja, aber ich habe die Pläne mal kurz überflogen. Wenigstens haben wir jeden Tag mindestens zwei bis 4 Stunden zusammen und freitags haben wir beide nur vier Stunden. Das ist doch immerhin etwas. Schließlich wohnen wir ja zusammen. Nicht, dass ich dir am Ende noch auf die Nerven gehe." Wir fingen beide an zu lachen. „Oh Mist, wir müssen uns beeilen, es ist schon viertel vor sieben, seit 15 Minuten gibt es Frühstück.", sagte sie, nachdem wir uns beruhigt hatten. Wir zogen uns beide an, schnappten unsere Rucksäcke und beeilten uns zur Mensa zu kommen. Ich war gerade mal den zweiten Tag hier und meine Pünktlichkeit hatte sich schon verabschiedet. Ich hatte zwar häufig Schulstunden ausfallen lassen, aber wenn ich da war, war ich pünktlich. Das mit den Fehlstunden wollte ich versuchen zu ändern, auch wenn es mir vor den Mathestunden graute, immerhin hatte ich die in den ersten Schulwochen, nach den Ferien meistens ausfallen lassen und die erste Klassenarbeit in der zweiten Woche in den Sand gesetzt. Mal sehen, was mich hier erwartete.
DU LIEST GERADE
Von einfach war nie die Rede...
Teen FictionRomy ist 17 und wohnt mit ihrem großen Bruder und ihrem Vater zusammen, bis ihr Vater eine Entscheidung trifft, die den weiteren Verlauf ihres alltäglichen Lebens verändert... Sie findet neue Freunde... Stellt sich neuen Herausforderungen... Und ler...