fühlen will gelernt sein

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Silver:

Bea und Tamo hatte ich irgendwo knutschend stehen gelassen. Das ganze war mir einfach zu viel, also suchte ich einen, vor Blicken geschützten Ort um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen und meine Gedanken zu sortieren. Ich hatte sie eben angezündet, als sich Arabia neben mir niederlies. Ich ignorierte sie einen Moment und ließ sie mich anstarren. Dann nahm ich noch einen weiteren Zug meiner Zigarette und reichte sie meiner Nachbarin mit den Worten:" Bitteschön Miss Winters... wenn sie mich deshalb zurück schicken wollen, kein Problem. Sie haben ja Gesellschaft! Wie man die Zigarette ausbekommt wissen sie ja." Wütend starrte ich auf den Boden unter meinen Füßen und ignorierte sie weiterhin. Eine ganze Weile wurde ich noch von ihr betrachtet, doch auf einmal nahm sie mein Feuerzeug aus meiner rechten Hosentasche, zündete die inzwischen erloschene Zigarette wieder an und nahm einen Zug. Sie atmete einmal tief durch und lehnte sich dann vorsichtig und mit wohl aufmunternder Absicht an mich an. Ich zuckte unmerklich mit den Schultern, sagte aber nichts. Ließ sie einfach weiterrauchen. Doch an der Art wie langsam und intensiev sie an der Zigarette zog war mir klar, ich hatte sie verletzt. Als ich sie leicht zucken spürte wandte ich ihr meinen Blick zu und bemerkte das ihr Tränen an den Wangen hinunter liefen. Vorsichtig und unauffällig sollte uns doch jemand beobachten legte ich meine Hand auf die ihre und streichelte sie sanft. Sie sagte auch nichts. Sie nahm einfach weitere Züge von der Zigarette und starrte auf den Boden. Irgendwann hob sie ihren Kopf und starrte in die Ferne. "Und nun? Möchtest du mich verlassen? Ich verstehe di...!" Den letzten Satz wartete ich garnicht erst ab und ignorierte ihn gekonnt, schnellte allerdings herum, packte ihren Kopf zwischen meine Hände und küsste sie stürmisch. Hart und doch wahnsinnig gefühlvoll drückte ich meine Lippen auf ihre. Einen Moment geschah Garnichts, doch dann erwiederte sie meinen Kuss scheu und zurückhaltend, was sich nach relativ kurzer Zeit dann doch änderte. Im Hintergrund hörte ich die Bäume rauschen, irgendwo zog ein Vogel über uns vorbei und drehte seine Runden. Doch im Moment... war mir alles egal. Ich hatte sie wieder bei mir, sie fühlte meinen Kuss und gab mir eben diese Liebe die ich versuchte hineinzulegen, auch wieder zurück. Sie war noch meine und er hatte sie noch nicht für sich gewonnen, und das würde ich auch niemals im Leben zulassen. Egal wieviel es mich kosten würde. Ich legte eine Hand an ihre Hüfte und schob sie unter ihr weißes, dünnes Shirt und legte meine Hand auf ihren Rücken. Einen Moment gab sie sich mir hin, doch dann stoppte sie mich. "Warte Schatz, bis wir da sind... hier ist es nicht sicher!" Sie lächelte und knuffte mich dann vorwurfsvoll und spielerisch zugleich in die Seite. "Das weißt du doch!" Ich lächelte. Dann nahm ich ihre Hand in meine, kramte in meiner Tasche nach einer neuen Zigarette, fing mir einen bösen blick ein und reichte ihr eine, anstatt sie wieder weg zu packen. Sie schüttelte nur den Kopf und zündete sie an. Eine ganze Weile saßen wir noch hier, sprachen über die Bäume, die Natur, die weiterfahrt, ließen aber alle negativen Themen erstmal aus. Uns beiden war klar irgendwann müssten wir über solche Dinge sprechen und uns darüber, was unsere Beziehung und unsere gemeinsamen Ziele waren, einig werden. Doch für den Moment genossen wir lediglich die kurzzeitige Ruhe. Ich hatte mich an Arabia gelehnt, deren Haare zwar zu einem Knoten zusammengemacht waren, doch kitzelten mich ein paar aberwitzige Strähnchen die sich aus dem Zopf gelöst hatten, in meinem Gesicht. Ich lächelte, und dann hörten wir ihn brüllen. "Wo sind die anderen!?!??" genervt entfuhr uns beiden ein seufzer. Ich nahm einen letzten Zug von meiner Zigarette, nahm die kleine Flasche Parfüm aus meiner Handtasche, besprühte mich und reichte sie dann lächelnd meiner Freundin. Dann liefen wir zurück. Zuerst sie und ich lief um die Hütte herum und kam einige Minuten später aus einer völlig anderen Richtung auch wieder zurück zum Treffpunkt und stellte mich neben Bea, die mir verliebt zuzwinkerte und auf ihren Freund zeigte. Ich nickte nur lächelnd und anschließend stiegen wir wieder in den Bus. Was auch immer dieser doofe Holbertsen eben gesagt hatte, es war mir egal und sollte es etwas wichtiges sein, so würde Arabia mir das sicher später erklären, denn ihr war es keinesfalls entgangen, das ich mit Bea und Tamo diesen Idioten von einem Lehrer hinter seinem Rücken nachäffte, ihm jedoch nicht zuhörte. Wozu auch? Er schrie doch eh nur die ganze Zeit, und was er zu sagen hat, ist im Normalfall sowieso entweder schrott oder unwichtig. Als Bea und Tamo in den Bus eingestiegen waren wartete ich bereits oben neben dem Fahrer. Ich wollte Bea nochmal drücken. Zwar war dies kein Abschied, nur weil wir beide den Platz wechselten, aber sie hatte recht. Und alles was heute bis jetzt passiert war hatte mir zu nachdenken gegeben. Ich hatte sie wirklich in letzter Zeit vernachlässigt. Ich wollte es auch nochmal bei ihr ansprechen, doch dazu schien sie nicht bereit zu sein. Sie schüttelte nur den Kopf und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Ich verstehe dich, keine Sorge und ich hab dich trotzdem noch lieb!" hatte sie gesagt. Dann hatte sie die Hand ihres Freundes genommen und waren Richtung ihres Sitzplatzes gelaufen. Einen Moment lang stand ich da und sah beiden nach. Einen kleinen Moment fühlte ich mich wie eine Mutter die das erste mal realisiert das ihre Kinder auch älter werden und auf das erwachsen werden zusteuern und sie vordergründig immer weniger brauchen, obwohl sie dennoch immernoch um sie herum sind und sie niemals alleine lassen würden... Traurigkeit stieg in mir hoch... ich hatte wirklich etwas Zeit verpasst mit ihr, aber sie freute sich ehlich und aufrichtig für mich. Und eigentlich war ich ja auch glücklich. Ich hatte alles was ich mir immer erträumt hatte, zumindest für den Moment konnte ich sagen, ich steuere auf einen guten und genau den richtigen Weg zu, den ich mir schon immer für mich gewünscht hatte.

Mit diesen letzten Worten der Melancholie in meinem Kopf schüttelte ich ihn, lächelte und lief auf meine Freundin zu, die bereits zwei Sitze weiter vorne auf mich wartete und lächelte.

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