Kapitel 9

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Von Lied zu Lied wurden wir ausgelassener und ich genoss einfach nur ihre Anwesenheit und die Musik, die den Takt meines Herzens vorgab. Ich hätte am liebsten gewollt, dass der Abend nie enden würde, aber irgendwann war es kurz vor elf und der Großteil der Leute war schon gegangen. Vor allem die Schüler unter sechzehn, die ohne Erlaubnis der Eltern nicht länger als 22 Uhr bleiben durften. Tine deutete mir an, dass sie zum Raum der Lehrer ging, um unsere Sachen zu holen, und ich schon mal nach draußen gehen sollte. Sie war zum Glück keine Vertrauenslehrerin, sonst hätten wir uns wahrscheinlich nicht treffen können und sie hätte bleiben müssen, bis der letzte Rest gegangen war.

Ich tat, wie mir gesagt wurde und wartete bei den Treppen, wo wir während unserer kleinen Pausen immer gestanden hatten. Mein Blick schweifte zwischen den vorübergehenden Menschen hin und her. Keiner den ich kannte, war unter ihnen und selbst die Lehrer ließen sich nicht blicken. Wobei mir auch sonst keiner einfiel, den ich hätte kennen können, da ich zu meiner Schulzeit keine Kontakte zu den unteren Stufen gehabt hatte. Tine kam zum Glück schnell wieder, sodass mir gar nicht wirklich langweilig werden konnte, und wir waren schon auf dem Weg nach draußen, bis meine Freundin plötzlich eine kleine Gruppe bestehend aus ihren Kollegen entdeckte.

"Ich verabschiede mich bloß kurz von ihnen. Wartest du hier auf mich?", bat sie mich.

"Geh nur, ich bleibe hier."

Kaum hatte ich das gesagt, schon war sie im Laufschritt zu den anderen Lehrern gegangen. Der Katzenschwanz, der an ihrer Hose angebracht war, wippte dabei von der einen zu anderen Seite, was mich kurz lächeln ließ. Sie sah unglaublich gut aus, auch wenn sie nicht so freizügig angezogen war wie ich.

Ich war froh, dass wir heute Abend zum größten Teil der Zeit unter uns gewesen waren und nicht ständig bei den Lehrern. Wahrscheinlich hatte sie das mir zu liebe getan, weil sie wusste, dass ich dann ständig nervös gewesen wäre. Viele der Lehrer, vor allem mein ehemaliger Geschichtslehrer, waren Leute für mich gewesen, vor denen ich sehr Respekt gehabt hatte.

Die kleine Gruppe schien ein wenig miteinander zu reden und sie lachten so laut, dass man es bis zu mir hören konnte. Plötzlich drehte sich Tine zu mir und winkte mich zu sich rüber. Überrascht und ein wenig skeptisch ging ich zu ihnen und bemerkte dabei deutlich, wie sehr meine Waden und Füße wegen der Schuhe wehtaten.

"Hey", begrüßte ich die kleine Runde. Die meisten ihrer Kollegen kannte ich, meine ehemaligen Geschichte- und Englischlehrer, dann noch zwei Lehrer vom Sehen her aber eine der Lehrerinnen war mir neu.

"Guten Abend", kam es nacheinander von den Lehrern.

Den Moment danach herrschte eine unangenehme Stille, in der ich bloß vor allen erwartungsvoll angesehen wurde. Meine Hand suchte automatisch nach Tines, die neben mir stand, und umschloss sie.

Die Stille hielt so lange an, bis mein ehemaliger Englischlehrer Alexander das Wort ergriff: "Du gehst also mit Tine, ich hätte nie gedacht, dich unter solchen Umständen wiederzusehen."

Einerseits war ich überrascht, weil ich nicht damit gerechnet hatte, aber andererseits hatte ich mich schon gefragt, wann mich jemand danach fragen würde.

"Ja, das Schicksal kann überraschende Wendungen mit sich bringen", lächelte ich schüchtern. Es fühlte sich so an, als würde sie mich mit mir ihren Blicken ausziehen.

"Wie lange denn schon?", fragte der Vertrauenslehrer und ich lief rot an.

"Ähm ... erst seit ... seit Kurzem. Wir haben uns wiedergetroffen und na ja", ein nervöses Lachen entglitt mir.

"Jan, lass doch die Arme Elea in Ruhe", sagte die fremde Lehrerin gespielt empört und rettete mich damit wahrscheinlich vor weiteren unangenehmen Fragen.

Ingo love |girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt