Kapitel 19

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"Man bin ich froh, dass wir die langweilige Mühlhauser nicht mehr haben. Psychologie hätte ich heute nicht mehr gepackt", gab ich glücklich von mir.

Der Entfall des letzten Blocks hieß nicht nur, dass ich jetzt keine zwei Stunden meines absoluten Hassfachs mehr hatte, sondern auch, dass ich zum Frühlingsfest konnte.

"Ja, ich auch nicht mehr", meinte Mareike und schulterte ihren Rucksack.

"Wollen wir vielleicht noch Kaffeetrinken gehen oder so? Jetzt haben wir ja die Zeit", fragte Tiffany schulterzuckend in die Runde.

"Ich hab leider schon was vor ... Beim nächsten Mal bin ich aber dabei, versprochen", sagte ich schweren Herzens ab.

"Oh okay, dann bis Montag", verabschiedete sich Mareike, bevor ich sie noch umarmte und mich dann in Richtung Wohnung machte.

Tine war schon losgefahren, denn das Fest hatte offiziell vor einer halben Stunde begonnen. Ich wollte mich noch schnell umziehen, meine Schminke auffrischen und dann nachkommen.

Die Aufregung in mir ließ mich im Laufschritt zur Wohnung gehen und ich war innerhalb kürzester Zeit fertig. Mein Outfit bestand aus einem kurzen, schwarzen Rock und einem langen, dunkelgrauen T-Shirt mit einer kunstvoll verzierten Qualle, das ich in ihn hineinsteckte und dessen lange Schnüre an den Seiten unter dem Rock wieder sichtbar wurden. Darunter trug ich eine Netzstrumpfhose und dazu meine pechschwarzen Boots, die wie perfekt für das Outfit gemacht zu sein schienen. Mein Make-up hielt ich recht simpel: Schwarzer Eyeliner, Foundation und ein wenig Contouring, das Übliche eben. Was Tine trug, wusste ich nicht, denn ich hatte sie heute Morgen ausschlafen lassen, da sie erst gegen Mittag in der Schule hatte sein müssen. Allein deshalb erschienen mir die zehn Minuten mit dem Auto endlos lange.

Ich hatte Glück, einer der früheren Besucher zu sein, denn ich fand noch einen Parkplatz, der nicht am Straßenrand war. In einer halben bis ganzen Stunde würde es hier nur so vor Leuten wimmeln. Familien, Freunde und natürlich Schüler, die aber meistens mit dem Bus kamen. Es war aber eher ungewöhnlich, dass Partner von Lehrern kamen, was meinen ehemaligen Biologielehrer aber nicht davon abgehalten hatte, immer mit seiner Ehefrau und deren vier Kindern aufzukreuzen.

Ich brauchte vielleicht eine Minute zu Fuß, um vom Parkplatz zum Schulgebäude zu kommen. Auf dem Weg begegnete ich niemandem, was aber nicht schlimm war, denn dafür konnte ich mich auf die grünen Bäume konzentrieren, die um das Areal gepflanzt worden waren, damit es weniger trostlos wirkte.

Als ich ankam, wimmelte es im großen Innenhof schon nur so vor Schülern, die noch Stände aufbauten. Ich überlegte, wo ich Tine finden konnte, denn ich wusste leider nicht, ob sie inzwischen eine eigene Klasse hatte, mit der sie etwas geplant hatte, oder einfach nur eine normale Lehrkraft war. Ich beschloss einfach, zu dem Raum zu gehen, wo ich zu meiner Schulzeit immer meinen Mathematikergänzungskurs gehabt hatte.

Auf der Treppe kamen mir einige Schüler entgegen und sogar ein Lehrer, den ich aber nur vom Sehen her kannte. Ich lächelte breit, denn das Gefühl meiner Schulzeit kam zurück und erfasste mich. Alles war so vertraut und doch erkannte ich leichte Änderungen, wie die Zahlen des Stockwerks, die auf die Glastüren geklebt worden waren, die vom Treppenhaus in die Gänge führten, oder die neuen Decken im Pavillon, die viel besser aussahen als die Alten, die noch von vor zehn Jahren stammten.

Der Raum war schnell gefunden, doch als ich anklopfte, öffnete mir niemand. Auch als ich die Klinke herunterdrückte, ging die Tür nicht auf und ich seufzte genervt. Dann musste ich es wohl im Lehrerzimmer versuchen. Dort würde schon irgendwer wissen, wo Tine war. Außerdem traf ich dort vielleicht auch einer meiner früheren Lehrer an, was mich total freuen würde, da ich sie, bis auf ein paar am Faschingsball, seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

Ingo love |girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt