Die Woche war viel zu schnell vergangen und ich hatte Tine seit Dienstag in der Früh nicht mehr gesehen. Sie hatte immer noch einen Ergänzungskurs für Mathematik, der jeweils für die neunte und zehnte Klasse einmal in der Woche am Nachmittag stattfand. Wie bei mir damals half sie anderen bei ihren Problemen und ich konnte mich nur zu gut an unsere gemeinsamen Stunden erinnern. Vor allem an die, in denen wir uns näher gekommen waren. Es gefiel mir, dass sie ihre Freizeit damit verbrachte, andere Schüler zu unterstützen und damit Erfolge zu erzielen. Zumindest waren die meisten in meinem Kurs wirklich besser geworden, inklusive mir.
Kaum schwelgte ich in meinen Erinnerungen an die wahrscheinlich schönsten Nachmittage meines Lebens, schon erinnerte ich mich daran, dass Manuela in wenigen Minuten bei mir war. Sie wollte einen selbst gemachten Kuchen mitbringen. Seitdem sie nach unserem Abschluss begonnen hatte neben ihrer Ausbildung als Friseurin, verschiedene Kuchen und Torten zu backen, war sie wirklich gut darin geworden. Als ihre Freundin hatte ich all ihre Versuche mitbekommen und durfte immer zum Probieren vorbeikommen, was zu neunzig Prozent wirklich lecker war. Ich fragte mich schon, was sie mitbrachte. Sie hätte wirklich das Zeug zur Konditorin gehabt, doch leider hatte sie diesen Weg nie wirklich verfolgt und war letzten Endes "nur" die beliebteste Person auf Festen und Partys geworden, weil jeder genau wusste, dass sie etwas sehr Gutes zum Essen mitbrachte.
Ich war ich durch den Gedanken an ihre Backkünste aus Versehen zu sehr in Vorfreude geraten, denn das Gespräch würde wahrscheinlich unangenehm werden. Schließlich war ich glücklich, hatte sie allein stehengelassen und keine Ahnung, wie ich ihr helfen sollte, über mich hinwegzukommen.
Plötzlich schreckte ich auf, als es endlich klingelte.
"Komme schon!", rief ich und öffnete die Tür wenige Augenblicke danach.
Vor mir stand Manuela. Sie sah auf den ersten Blick gut aus, aber wenn man genau hinsah und sie gut genug kannte, um zu wissen, dass sie sich eigentlich nie außerhalb der Arbeit schminkte, konnte man die tiefen Augenringe sehen, die sie wahrscheinlich versucht hatte, abzudecken. Sie trug eine dunkelblaue, langärmlige Bluse und dazu eine schwarze Jeans, es wirkte wirklich, als hätte sie sich Mühe gegeben, möglichst normal zu wirken. Aber dadurch, dass ich sie schon so lange kannte, fiel mir auf, dass es ihr wahrscheinlich doch nicht so gut ging. Jedoch wollte ich das nicht ansprechen und die Stimmung des ganzen Nachmittags damit runterzuziehen, ohne, dass sie überhaupt in meiner Wohnung war.
"Hey", kam es als Begrüßung von ihr.
"Hey, komm doch rein", bat ich sie.
Wir hatten uns noch nie so normal begrüßt. Ansonsten waren wir uns gleich in die Arme gefallen oder hatten uns über irgendetwas vom Hinweg beschwert. Es fühlte sich seltsam an.
"Ich habe deinen Lieblingskuchen als Muffins dabei." Sie lächelte - vielleicht sogar ein wenig unsicher - und hielt die Box nach oben, die ich noch gar nicht bemerkt hatte.
"Schoko-Bananen-Muffins?!" Mein Herz setzte einen Schlag aus bei dem Gedanken daran, dass mir gleich eine dieser Köstlichkeiten auf der Zunge zerfließen würde. Sie hatte sich wirklich Mühe gegeben, um normal zu wirken.
"Ja genau", lächelte sie jetzt breiter und selbstsicherer.
Gemeinsam gingen wir, nachdem sie sich die Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, durch mein gemütliches Wohnzimmer zu meinem Sofa. Ich hatte zwei Teller und Tassen auf dem kleinen Couchtisch hergerichtet, sowie für jeden jeweils einen kleinen Löffel und eine Kuchengabel, die wir aber jetzt wohl nicht mehr brauchen würden. Manuela setzte sich und packte die Muffins aus, während ich schnell in die Küche ging und den frisch gebrühten Kaffee holte.
"Wie geht es dir?", fragte ich sie, als ich mich zurück zu ihr setzte und uns beiden eine Tasse des schwarzen Gebräus zusammen mit Milch und Zucker eingegossen hatte.

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Ingo love |girlxgirl
Storie d'amoreSchon mehr als zwei Jahre ist es her, dass Elea Tine das letzte Mal gesehen hat. Und trotzdem kann die junge Frau ihre ehemalige Lehrerin nicht vergessen, auch wenn sie sich inzwischen in festen Händen befindet. Eine Begegnung soll Elea wieder fast...