Kapitel 49

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Es war Freitag, die dritte Woche vor den großen Ferien neigte sich dem Ende zu und wie es für die letzten Wochen des Schuljahres üblich war, fielen meist einige Stunden am Nachmittag aus. Ich hatte das Glück, mich heute nicht mehr mit Psychologie herumquälen zu müssen und schon um kurz nach halb zwei nach Hause gehen zu können.

Als ich die Wohnung aufschließen wollte, bemerkte ich, dass ich den Schlüssel mehr als einmal im Schloss drehen musste, um die Tür aufzusperren. Das hieß, dass Tine noch nicht zu Hause war, was ungewöhnlich war, weil sie heute sogar vor mir Schluss gehabt hatte.

"Tine?", rief ich durch die Wohnung, als ich eingetreten war und die Tür wieder hinter mir geschlossen hatte.

Ich bekam keine Antwort und zog verwirrt meine Schuhe aus, bevor ich meinen Rucksack an seinen Platz legte und durch die Zimmer ging, um mich zu versichern, dass meine Freundin wirklich noch nicht da war.

"Seltsam", murmelte ich, aber zuckte mit den Schultern.

Ich musste wohl auf sie warten, um zu erfahren, warum sie erst so spät nach Hause kam. Am besten holte ich mir fürs Erste etwas zu trinken, damit ich nicht verdurstete. Zwar hatte ich in der Schule schon mindestens zwei Liter getrunken, aber es war so warm gewesen, dass mein Mund immer trocken war. Zumindest war es hier in der Wohnung angenehm kühl.

Ich ging zum Kühlschrank und holte eine Karaffe mit Weißweinschorle heraus, die wir gestern kaltgestellt hatten. Ich war froh, dass es Weißwein war, weil ich den geschmacklich lieber möchte als Rotwein, den wir sonst immer tranken, weil Tine ihn besser fand. Aus einem der Hängeschränke nahm ich mir ein Glas heraus, das ich fast bis zum Rand befüllte. Den Rest stellte ich zurück in den Kühlschrank, bevor ich einen großen Schluck nahm. Die kühle Flüssigkeit prickelte in meinem Mund und mein Hals fühlte sich an, als würde er einfrieren. Ich keuchte kurz auf, bevor ich noch ein paar Schlucke nahm.

Einen Moment lang schloss ich meine Augen und rang nach Luft, bevor ich sie wieder öffnete, um ins Wohnzimmer zu gehen, damit ich mich auf der Couch niederlassen konnte. Ich stellte das Glas mit der Weißweinschorle ab und lehnte mich zurück. Ein bisschen Entspannung konnte ich nach dieser Woche definitiv brauchen. Zwar war die Schule nicht wirklich anstrengend, dafür machten mir die sommerlichen Temperaturen zu schaffen. Ich saß meistens den ganzen Tag lang mit Tine im Wohnzimmer und entspannte mich, weil ich zu mehr nicht in der Lage war.

Das wollte ich auch jetzt machen, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Kaum hatte ich jedoch ein wenig Ruhe gefunden, hörte ich, dass sich der Schlüssel im Schloss der Wohnungstür drehte. Ich stand schnell auf und ging die wenigen Schritte in den Flur, wo mir eine rote und verschwitzte Tine gegenüberstand.

"Hi, wo warst du?", fragte ich verwirrt.

"Bundesjugendspiele", keuchte sie und stellte ihren Rucksack neben meinen, während sie auf mich zukam.

"Anscheinend nicht nur für uns Schüler der nervigste Tag im Jahr", lachte ich und legte meine Lippen auf ihre.

Den Kuss erwiderte sie sofort, bevor wir gemeinsam ins Wohnzimmer gingen, wo sie sich angestrengt seufzend auf die Couch fallen ließ.

"Weißweinschorle?", erkundigte ich mich und machte mich schon auf den Weg in die Küche, weil ich wusste, dass sie meinen Vorschlag sofort annehmen würde.

"Ja bitte."

Ich goss ihr ebenfalls ein Glas des hellen, kalten Getränks ein und brachte es ihr. Dann ließ ich mich neben ihr nieder und reichte es ihr.

"Danke", lächelte sie erleichtert und trank fast die Hälfte aus, bevor sie das Glas neben meines auf den Tisch vor uns stellte.

"War es so schrecklich?", fragte ich belustigt und erinnerte mich noch immer gut daran, wie wir als Schüler diesen Tag mehr als jeden anderen im Jahr gehasst hatten.

Ingo love |girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt