Nachdem ich mich ständig von der einen zur anderen Seite gedreht hatte, legte ich mich auf den Rücken und starrte an die Decke. Meine Gedanken hielten mich wach und ich beschloss, dass ich mich ein wenig bewegen musste. Ich konnte nicht einfach weiter so neben Tine liegen, die anscheinend keine Probleme beim Schlafen zu haben hatte. Das verwunderte mich aber nicht, schließlich war ich jetzt bei ihr und sie war sich sicher, dass zwischen uns wieder alles gut war.
Vorsichtig setzte ich mich auf und schob die dünne Sommerdecke beiseite. Ich rutschte langsam zur Bettkante, um meine Füße möglichst geräuschlos auf den Boden zu setzen, damit ich aufstehen konnte. Ich schlich zur Schlafzimmertür, die immer offen war, und drückte die Klinke nach unten, damit es nicht laut klickte, wenn ich sie schloss. Als ich in der Küche stand, atmete ich tief durch. Ich war so konzentriert gewesen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie ich gespannt die Luft angehalten hatte.
Ich schob einen Stuhl leise zurecht und setzte mich darauf. Ein Seufzen kam über meine Lippen und ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Es schien, als gäbe es für das Ganze keinen Ausweg.
"Was zur Hölle soll ich tun?", flüsterte ich wütend und fuhr mir durch die Haare.
Kaum hatten diese Worte meine Lippen verlassen, schon wanderte mein Blick zu unserem Alkoholschrank. Zwar war es mitten unter der Woche, aber ein bisschen Wein konnte mir nicht schaden. Vielleicht würden meine Gedanken dann endlich Ruhe geben und ich konnte einschlafen. Die Uhr an der Wand mir gegenüber zeigte schon halb zwei an und ich atmete genervt aus. Wie sollte ich in ein paar Stunden bitte wieder aufstehen?
"Scheiß drauf", murmelte ich, stand auf und öffnete die Tür möglichst leise.
Die Flaschen klapperten zwar wie üblich leicht, aber Tine schien davon nichts mitbekommen zu haben, sonst würde sie schon längst in der Küche stehen. Mit meinen Fingern wanderte ich über die verschiedenen Verschlüsse und suchte nach unserem billigsten Wein. Ich wollte nicht, dass meine Freundin wütend auf mich war, weil ich den für besondere Anlässe einfach nachts ohne einen für sie ersichtlichen Grund getrunken hatte. Ein Glas aus dem Schrank zu holen fand ich im Moment ein wenig zu riskant, weshalb ich einfach aus der Flasche trinken wollte.
"Sieht sie ja nicht", versicherte ich mir selbst ruhig, bevor ich den Schraubverschluss öffnete.
Die ersten Schlucke waren nicht gerade die besten, aber je mehr ich trank, desto erträglicher wurde es. Tine hätte mir wahrscheinlich einen langen und ausführlichen Vortrag darüber gehalten, dass ich den Wein davor in den Kühlschrank hätte stellen oder zumindest atmen hätte lassen sollen. Das war mir im Moment aber egal, ich wollte einfach nur, dass meine Gedanken verschwanden.
Durch den Wein schien es jedoch nicht besser geworden zu sein. Jetzt war ich betrunken und in meinem Kopf drehte sich alles nur noch um meinen Fehler.
Joggen.
Ich musste einfach ein paar Runden laufen gehen. Das machte Tine oft, wenn sie den Kopf freibekommen wollte.
Bevor ich überhaupt richtig darüber nachgedacht hatte, hatte ich mein Handy zusammen mit meinen Kopfhörern aus dem Wohnzimmer geholt, mir Schuhe angezogen und mit dem Schlüssel in der Hosentasche die Wohnung verlassen. Es fiel mir ein wenig schwer, die Kopfhörer zu entwirren, aber letzten Endes steckte ich sie mit zwei kleinen Knoten einfach an. Das war gerade mein geringstes Problem.
"Überraschend warm", kommentierte ich gerade die angenehme Nachtluft, die sicher um die zwanzig Grad hatte.
Dann machte ich irgendein Lied an und lief los. Mir kam bis auf ein junger Mann mit seinem Hund niemand entgegen. So konnte man seine Nacht auch verbringen - Gassi gehen. Augenblicklich musste ich grinsen. Was genau daran jetzt witzig war, wusste ich auch nicht, aber trotzdem lachte ich eine Zeit lang über diese seltsame Begegnung. Wahrscheinlich hatte er es auch komisch gefunden, dass ihm um diese Uhrzeit noch eine Joggerin über den Weg lief. Kam sicher auch nicht so oft vor.

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Ingo love |girlxgirl
Roman d'amourSchon mehr als zwei Jahre ist es her, dass Elea Tine das letzte Mal gesehen hat. Und trotzdem kann die junge Frau ihre ehemalige Lehrerin nicht vergessen, auch wenn sie sich inzwischen in festen Händen befindet. Eine Begegnung soll Elea wieder fast...