Kapitel 13

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|Spotlight - Lil Peep, Marshmello|

⊏Noah⊐

Ich saß am Küchentisch und schrieb einen Aufsatz über Emily Jane Brontës Sturmhöhe. In Kalifornien hatten wir das Buch bei Mister Wittaker durchgenommen. Ich mochte es, mir gefiel Heathclifs aufbrausende Natur, sein leidenschaftliches Wesen. Zudem war ich der Meinung das einem ein wichtiger Teil seiner Allgemeinbildung fehlte, sollte man es nicht geschafft haben, diesen Weltklassiker zu lesen. Damals stieß das Buch auf Empörung.

Verständlich? Durchaus. Brontë ging gewiss ein Risiko mit solch einem unkonventionellen Roman ein noch dazu als Frau. Was vermutlich auch der Grund war, weshalb sie es unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichte. Natürlich flog sie auf.

Ein Blick auf die Uhr an der Wand sagte mir das ich noch etwa eine Stunde hatte, bis wir uns im Caprista treffen würden. Das Caprista lockte die unterschiedlichsten Besucher an: Biker, Studenten, junge Pärchen, Einzelgänger. Auch ich hatte dort schon den einen oder anderen Abend verbracht.

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Als ich aus meinem Auto stieg regnete es. Ich war nicht überrascht, trotzdem sank meine Laune etwas. Wenn es nach mir ginge wäre ich überhaupt nicht hier. Der Regen prasselte unersättlich auf mich nieder als wollte auch er mich zu gehen bewegen. Obwohl es nicht einmal eine Minute dauerte, um über den Parkplatz das Restaurant zu erreichen war ich bei meiner Ankunft ziemlich durchnässt. Vor der Tür blieb ich kurz stehen und strich mir ein paar Wassertropfen aus dem Gesicht. Beim Eintreten schlug mir ein Schwall stickiger Wärme und der Geruch nach fettigem Essen entgegen. Ich strich meinen Mantel glatt und sah mich nach Cyril um.

Das Caprista war ein Familiengeschäft, das von einem Sohn an den anderen weitergegeben wurde. So ging das etwa drei Generationen bis es erstmals an die einzige Tochter vererbt wurde. Die jetzige Besitzerin hieß Annabell und war zwei Jahre älter als ich. Sie und ich verstanden uns gut und es war auch schon zu der einen oder anderen unverbindlichen Nacht gekommen. Sie wusste das nie mehr daraus entstehen würde.

Zu meiner Freude war sie nicht beleidigt. Frauen, die dachten sie könnten mich ändern konnte ich nicht leiden. Am Anfang stellten sie sich verständnisvoll und erzählten mir sie seien sowieso auf nichts Festes aus. Als ich es dann nach einer Zeit beendete reagierten sie alle gleich.

Annabell hingegen war nicht auf diese Art an mir interessiert. Ich sah sie am Tresen stehen und ging auf sie zu während ich mich nochmals nach Cyril umsah. Das Restaurant platzte fast aus allen Nähten. Sie entdeckte mich und breitete die Arme aus während sie auf mich zukam. "Noah!" Sie rief es so laut das es vermutlich auch Cyril mitbekommen haben musste.

Wiederwillig nahm ich die Hände aus den Manteltaschen und trat ebenfalls ein Stück vor. Sie zog mich in eine kurze Umarmung bevor sie mich eine Armesbreite von sich wegstreckte und mich eingehend musterte. Dann lächelte sie und meinte: "Wie geht's dir?" Ich betrachtete sie einen Moment bevor ich kurz angebunden erwiderte: "Gut und dir?"

Sie fing sofort an sich bei mir über ihre Arbeit zu beschweren. Irgendetwas mit einer Angestellten die sie eng umschlungen mit einem Kunden auf der Personaltoilette vorgefunden hatte. Ich sagte nichts, sondern ließ sie einfach reden. Anna mochte es, wenn man ihr zuhörte. Oft redete sie und ich ließ es einfach über mich ergehen. Ich weiß. Ich kann ein ziemliches Arschloch sein. Etwas anderes habe ich auch nie behauptet.

Dann sah ich Cyril auf uns zukommen, Anna rückte kein Stück von mir ab und es kümmerte mich nicht wirklich. "Hey Mann, hier steckst du also", sein vielsagender Blick in Annabells Richtung sagte mehr als tausend Worte. "Lass uns zum Tisch gehen", sagte ich trocken und setzte mich in Bewegung.

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt