Kapitel 90

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|mirrorball - Taylor Swift|

⊏Noah⊐

Hätte jemand den aberwitzigen Versuch unternommen, mich nachdem der Film geendet hatte zu fragen, wovon dieser handelte, hätte ich geantwortet: Er hatte wohl etwas mit Rodeo und einem Typen mit einem Cowboyhut zu tun.

Ich hoffte sehr, Megan würde mir diese Frage nicht stellen.

Denn das wäre gelogen und ich werde nicht Lügen, nur damit du dich besser fühlst.

Ich werde mich nicht in einen Teich verwandeln, nur damit du in mir schwimmen kannst.

Ich riskierte einen Blick in Megans Richtung und sah gerade, wie sie den Kopf zurück auf das Sofa legte und an die Decke sah.

"Du hast ein schönes Haus, Megan", sagte ich. Es war tatsächlich sehr schön. Mit cremefarbenen Wänden und einer kleinen Wendeltreppe, die vermutlich zu den Schlafzimmern führte.

Megan machte ein undefinierbares Geräusch. Etwas zwischen einem Schnauben und einem ungläubigen Glucksen. Dann starrte sie weiter an die Decke.

Als sie dazu weiter nichts sagte, beschloss ich das Thema fallen zu lassen.

"Schreibt ihr auch diesen Test von Miss. Morrow?"

Ich sah, wie ihre Augen neugierig zu mir wanderten.
"Nein", es klang mehr wie eine Frage, als eine Antwort.

Ich unterdrückte mein Grinsen, als ich eine leidende Miene aufsetzte und in gespielter Fassungslosigkeit die Hand auf mein Herz legte.

"Was? Und dabei hat sie uns erzählt, dass sie für alle anderen Klassen ebenfalls einen angesetzt hat. Sie war sich so sicher, dass die anderen Lehrer sofort zustimmen würden."

Es war ein Witz, doch Megans Gesicht erbleichte.

"Wieso hat uns Mister Wilds nichts gesagt? Wann ist der Test? Worum geht es überhaupt?" Ihre Stimme war plötzlich eine Oktave nach oben gerutscht.

Ihre Augen huschten unruhig im Zimmer hin und her, als erstelle sie bereits im Geiste einen Lernplan.

Ich runzelte die Stirn. "Megan."
Doch Megan schien mich nicht zu hören. Sie erhob sich von dem Sofa und schaffte es, einen Schritt auf die Tür zuzumachen, bevor ich sanft ihr Handgelenk umfasste und sie am Weitergehen hinderte.

Ihr Kopf fuhr herum und ich zuckte beinahe zurück. Ihre Augen wirkten gehetzt, das Gesicht nach wie vor bleich.

"Ich habe nur Spaß gemacht, Megan."
Sie schwieg.
"Miss. Morrow ist eine verbitterte Frau, die- wenn sie könnte- jeden Schüler durchfallen lassen würde. Ihre leere Drohung, sie würde einen Test für unsere gesamte Klassenstufe erstellen, ist etwas wie ihre einzige verbliebene Waffe in einem Krieg, den sie nicht gewinnen kann. Ihre Art hat sich in der ganzen Schule herumgesprochen, ich dachte, du würdest den Witz kennen."

Megan schwieg so lange, dass ich dachte, sie hätte mich nicht gehört. Als ich erneut ansetzen wollte, meinte sie sehr leise: "Darüber solltest du keine Witze machen."

"Über mürrische Lehrer?"
Was folgte war eine weitere, lange Pause.

"Über anstehende Prüfungen."
Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah sie an.

Das Mädchen, dass so viele Ängste und Zweifel mit sich herumtrug. In diesem Moment sah ich ihre Angst, wie einen Ölfilm auf ihrem Körper haften.
Die Angst davor, zu versagen.
Im Leben. In der Schule.
Sie sammelte sich an ihren Beinen und hinderte sie daran, in das Licht zu treten.
Die Angst davor, andere Menschen zu enttäuschen.
Ihren Erwartungen nicht zu entsprechen. Ihren eigenen, hohen Ansprüchen nicht zu genügen.
Sie sammelte sich auf ihrem Brustkorb und drückte zu, quetschte ihre Lunge ein. Erschwerte ihr das Atmen.

"Du bist eine der sanftmütigsten Personen, die ich kenne, Megan."

So liebenswürdig. Es wert, geliebt zu werden.

"Es passiert immer ganz still, nicht wahr? Bloß keinen Lärm machen. Keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Immer freundlich und zuvorkommend. Du würdest selbst der Person, hinter der Waffe die Hand reichen, wenn-"

"Hör auf."
Megans Stimme zitterte.

Eine lange Pause entstand. Megan hatte sich abgewandt, war jedoch nicht gegangen.

Ihr Körper war so angespannt, dass ich dachte, er würde jeden Moment zerreißen. Würde aufreißen.
Aufbrechen.
Zerbrechen.

Also stand ich auf und stellte mich vor sie.

Sie hatte die Augen geschlossen, der gequälte Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ mich die Hände an meiner Seite zu Fäusten ballen.

"Du darfst laut sein, Megan."
Megan, die Augen nach wie vor geschlossen, presste die Lippen zusammen.

Not dead, just busy af.

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt