Kapitel 86

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|Stay Stay Stay - Taylor Swift|

Stay, stay, stay
I've been loving you for quite some time, time, time.

⊏Noah⊐

Wasser.
Ein einzelner Tropfen ist so leicht, so harmlos. Ein wenig mehr und es ist etwas, in dem Kinder spielen. Florierend, zum Schwimmen gemacht, um sich treiben zu lassen. Der Ozean aber, der Ozean besteht fernab von Kontrolle, er ist angsteinflößend- zu viel. Der einzige Unterschied ist die Menge.

Ich weiß, ich kann viel sein. Ich bin wie der Ozean, außer Kontrolle. In der einen Minute ist mein Wasser eine gleichmäßige Oberfläche- beständig- in der nächsten wird es über den Rand deines Bootes quellen und es umkippen.

Und ich werde niemals weniger sein. Werde mich nie in einen ruhigen Teich verwandeln, nur damit du in mir schwimmen kannst ohne die Angst unterzugehen. Die Macht des Ozeans ist einzigartig und er wird sie sich niemals nehmen lassen und so werde auch ich es nicht zulassen, jemandem zu erlauben meine Kraft zu mindern.

Ich legte den Stift beiseite und faltete das Blatt in die Hälfte. Am liebsten würde ich es in der Luft zerfetzen, zu viel Wahrheit.

Meine Hände zitterten leicht als ich das Geschriebene in den Briefumschlag steckte und ihn mit einer Adresse beschriftete.

Es war jetzt beinahe drei Wochen her, seit ich Mister Wittaker einen Brief geschrieben hatte. Natürlich antwortete er auf jeden dieser Briefe mit einem detaillierten Aufsatz über die Schwächen und Stärken in meinen Texten. Manchmal hatte er eine Kopie meines Textes angefügt und dort mit Linien und Pfeilen und umkreisten Worten seine Gedanken verdeutlicht.

Das letzte Mal hatte ich ihm gleich zwei Gedichte geschickt. Ich hatte angenommen, dass er mit zwei meiner Texte etwas länger beschäftigt sein würde, zudem unterrichtete er schließlich auch. Er hatte trotzdem genauso schnell geantwortet wie immer.

"Du bist dir dessen bewusst, dass sie mit ziemlicher Sicherheit heute Abend ebenfalls dort sein wird, nicht?", war das erste, was Jamie fragte als ich in das Wohnzimmer trat, nachdem ich den Brief in den Briefkasten geworfen hatte.

"Und das ist der einzige Grund für mich hinzugehen", antwortete ich glatt und warf ihm während des Redens eine kleine, quadratische Schachtel zu, die er mühelos auffing.

"Wenn das ein Flirtversuch ist, muss ich dich leider enttäuschen. Du bist nicht mein Typ", witzelte er und beäugte die Box misstrauisch bevor er sie schließlich öffnete.

Ich verdrehte die Augen.

"Das sind keine Ringe, du Dummkopf, es sind Manschettenknöpfe."

Jamie starrte mich eine Weile an, dann verzog er das Gesicht.

"Nein."
"Doch."
"Noah."
Als ich ungerührt mit: "Jamie", antwortete, legte er die Schachtel auf den Tisch zurück.

"Du weißt genau, wie sehr ich diese ganzen oberflächlichen Sekundenfreundschaften und die geheuchelte Nettigkeit, die reiche Leute nun einmal an den Tag legen nicht ausstehen kann."

Ich hob eine Augenbraue. "Weißt du, vielleicht bist du in Wahrheit der Dichter und ich habe die ganze Zeit nur so getan als ob."

Jamie lachte, aber es war ein freudloses Geräusch, welches die Abneigung des Jungen gegenüber der Gesellschaft, in der ich den Großteil meines Lebens verbracht  hatte zum Ausdruck brachte.

Und während ich noch fieberhaft überlegte, wie ich ihn überzeugen konnte, veränderte sich Jamies Miene vor meinen Augen und der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde schmerzlich sanftmütig.

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt