Kapitel 63

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|I'm Not A Cynic - Alec Benjamin|
This Song.

SURPRISEEEEE haha.
Ich muss die freie Zeit doch so gut wie möglich ausnutzen, keine Ahnung wann wieder welche kommt.

⊏Noah⊐

Am gleichen Abend betrat ich das Haus und schloss die Tür hinter mir so leise wie möglich, um weder meine Mutter noch Jamie zu wecken.

Das Haus war still, was vermutlich daran lag, dass es inzwischen kurz nach ein Uhr nachts war.
Ich hatte Megan nachhause gefahren und war eine Weile stumm in dem Auto gehockt.

Hatte meine Gefühle sortiert und dabei leise Coldplay gehört.

Ich schmiss die Autoschlüssel achtlos auf den Küchentisch und öffnete den Kühlschrank. Einen Moment blinzelte ich gegen das weiße, blendende Licht an, bevor ich die Milch aus der Halterung in der Tür nahm.

Ich hatte das Licht in der Küche nicht angemacht. Zum einen, damit ich niemanden versehentlich aufweckte und zum anderen, weil ich ohnehin viel zu viele Nächte hier in der Dunkelheit verbrachte. Ich machte mir einen Kaffee, während ich mir das leere Blatt Papier griff, das ich auf dem Tisch hatte liegen lassen.

Das ganze Wochenende hatte ich meine Hausarbeit in Kreativem Schreiben aufgeschoben, hatte immer eine andere Ausrede gefunden um ihr aus dem Weg zu gehen.

Unser Auftrag lautete: Sucht euch den Anfang einer bekannten Geschichte aus, nur die ersten drei Sätze. Und dann schreibt sie weiter, so wie ihr es wollt.

Zugegebenermaßen bereitete mir diese Aufgabe Kopfschmerzen. Wenn ich schon wusste, wie das Buch endete, würde ich bestimmt trotzdem unabsichtlich dem ungefähren Muster der Erzählung folgen.

Vielleicht würde ich Elizabeth Bennet nicht Elizabeth Bennet nennen sondern Gillian oder Alice würde nicht in ein Hasenloch fallen, sondern Drogen nehmen.

Aber am Ende würde sie jedoch trotzdem im Wunderland landen.

Seufzend nippte ich an dem Kaffee und nahm das Papier in die Hand um mir in meinem Zimmer weiter den Kopf darüber zu zerbrechen oder über Megan nachzudenken.

Ich schlurfte den Gang entlang, den Blick auf mein Handy gerichtet. Ich hatte Megan nicht nach ihrer Telefonnummer gefragt. Vielleicht hätte ich das tun sollen.

Ein erstickter Laut ließ mich abrupt innehalten. Ich sah auf, blickte in die Dunkelheit.

Neben mir erkannte ich Jamies Zimmertür. Ich hielt inne, lauschte. Eine beängstigende Vorahnung breitete sich in meinem Bewusstsein aus und ich versuchte so angestrengt etwas zu hören, dass ich den Atem anhielt.

Einen Augenblick später ertönte wieder dieser Laut, es klang wie ein verängstigtes, in die Ecke getriebenes Tier.
Bevor ich auch nur einen Gedanken fassen konnte, war ich bereits in das Zimmer gestürmt und hatte eine der Lampen angeschaltet. Sie spendete nicht sonderlich viel Licht, jedoch reichte das allemal aus.

Ich sah das große Bett, die Decke lag halb auf dem Boden und halb auf dem Bett. Die vielen Kissen waren heruntergefallen.

Mein bester Freund kauerte zusammengerollt in der hintersten Ecke, den Rücken gegen die Wand gepresst und schluchzte lautlos. Sein Atem ging ungleichmäßig und sein Körper zuckte immer wieder.

Er hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und schüttelte immerzu den Kopf. So als wollte er die Erinnerung an den Traum vertreiben.

Er schien nicht einmal wahrzunehmen, dass ich in seinem Zimmer stand.

Panik kroch in mir hoch und ich durchquerte das Zimmer und kniete mich vor das Bett.

"Jamie?"
Keine Antwort.

"Jamie. Ich bin's, Noah."

Ich traute mich nicht ihn anzufassen, vielleicht würde er sich erschrecken oder anfangen zu schreien.
Die Panik toste in mir wie ein wütender Sturm doch ich zwang das Zittern aus meiner Stimme als ich sagte: "Du bist weit weg von ihm. Hier kann dir niemand etwas antun, hier bist du sicher. Du hast geträumt, hörst du?"

Ganz langsam wanderten Jamies Augen zu mir und die Leere darin ließ mich zusammenzucken. In ihnen lag kein Leben, keine Freude. Nur bodenlose Panik. Ein Blinzeln und der Ausdruck war verschwunden.

Wieder eingeschlossen hinter einer dicken Mauer aus Emotionslosigkeit.

"Noah?", fragte er mit rauer Stimme.
Ich stieß einen langen Atemzug aus bevor ich nickte.
Jamie setzte sich im Bett auf und hob die zitternden Hände vors Gesicht.

Dann brach ein hysterisches Lachen aus ihm hervor, er drehte sie immer wieder vor seinem Gesicht hin und her und sagte, ein seltsames Lächeln auf den Lippen: "Ich bin so abgefuckt, dass es mein eigener Körpern nicht mit mir aushält."

Einen Moment konnte ich ihn nur anstarren.
Ich öffnete den Mund um ihm zu widersprechen, ihn wieder zur Vernunft zu bringen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.

Jamie achtete gar nicht auf mich sondern flüsterte nur wie zu sich selbst: "Er hat so oft gedroht mich umzubringen, dass ich irgendwann nicht einmal mehr mitgezählt habe."

Er kauerte sich zusammen, wirkte so verletzlich, dass mein Herz wehtat.

Er hatte die Mauer um sich selbst hochgezogen und sie war unüberwindbar, wenn er mir nicht die Hand reichte um mir darüber zu helfen.

Es gab nichts, was ich sagen konnte um ihm die Schmerzen zu nehmen.

Also richtete ich mich auf, stieg auf das Bett und ließ mich langsam neben ihm niedersinken.

Sein Atem ging jetzt ruhiger und seine Hände zitterten nicht mehr.

"Kann ich irgendwas für dich tun?", fragte ich und erstickte fast an den Worten.

Er schüttelte den Kopf und blieb stumm. Das war deutlich genug für mich. Er wollte allein sein. Auch wenn er dann auch allein mit seinen Gedanken war. Ich zögerte einen Moment. Wartete, bis sein Blick auf mir landete.
Dann sagte ich: "Du bist der stärkste Mensch den ich kenne. Reine Herzen sind heutzutage eine Rarität. Du solltest stolz auf dein reines Herz sein. Denn nur die stärksten Menschen gehen durch die Hölle und schaffen es, ihr Herz zu bewahren."

Jamie starrte mich an.
Ich erhob mich, durchquerte das Zimmer und hatte schon die Hand nach der Klinke ausgestreckt da hörte ich Jamie hinter mir sagen: "Möchtest du eine Partie Schach mit mir spielen?"

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt