Kapitel 60

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|Cherry - Lana Del Rey|

A touch
From your real love
It's like heaven taking the place of something evil
And lettin' it burn off from the rush
(Fuck)
Darlin', darlin', darlin'
I fall to pieces when I'm with you, I fall to pieces
[...]
My rose garden dreams, set on fire by fiends
And all my black beaches (are ruined)
My celluloid scenes are torn at the seams

⊏Megan⊐

Das Essen war himmlisch, wirklich.

Ich stellte mir vor, wie es Königen und Göttern in Tempeln und Palästen serviert wurde. Dann stellte ich mir Noah vor. In einem riesigen, wunderschönen, hell erleuchteten Tempel aus weißem Gestein.

Eine Toga um seinen göttlichen Körper geschlungen.

Die gebräunte Haut hob sich schimmernd von dem reinen, weißen Stoff ab.

Ich stellte mir vor, wie er sich elegant vorbeugte um eine reife Traube von der Rispe, die ein Diener ihm entgegenhielt abzuzupfen. Er hatte ihnen nicht erlaubt ihn zu füttern.
Ich betrachtete das Spiel seiner definierten Muskeln unter seiner glänzenden Haut. Die breiten Schultern, den muskulösen Rücken.

Auf seinem prachtvollen Haupt saß ein vergoldeter Lorbeerkranz und die
Nachtschwärze seiner Haare schien das freundliche Sonnenlicht zu absorbieren.
Seine Augen strahlten lorbeerfarben.

Wäre er ein Gott, würde er dann Gnade walten lassen oder hätte er sich doch dem Weg der Tyrannei verschrieben?

Ich wusste es nicht.
"Das Essen wird kalt."

Ich schüttelte den Kopf um die Bilder loszuwerden.

Noah beugte sich vor, genau wie in meiner Vorstellung und ich hielt den Atem an. Doch er nahm nur wortlos meinen Teller und füllte ihn großzügig mit den wundervollen Speisen.

Seine Haut glitzerte in dem schummrigen Licht der zwei Kerzen, die unseren Tisch erhellten.

Es war dunkel geworden, der Himmel war inzwischen nur noch einen Ton heller als der düstere Abgrund des Meeres.

Bald würde er genauso dunkel und endlos wie das Meer sein.
Dicke, schwere Wolken hatten sich vor den Mond geschoben und enthielten uns sein kaltes, weißes Licht vor.

Noah stellte den Teller vor mir ab und ich senkte den Blick.

Ich erkannte die unterschiedlichsten Meeresfrüchte, Krabben und Muscheln mit glänzenden selbst-gemachten Nudeln. Ein Stück warmes, knuspriges Brot. Ich sah noch mehr Muscheln auf einem anderen Teller.

Während Noah nun seinerseits mit gezielten Handgriffen den Teller füllte, sog ich die Düfte des Essens tief in mein Innerstes.
Frisch und leicht salzig. Ein dezenter Knoblauchgeruch lag über allem, es roch nach Butter und Kräutern und Tomatenpaste.

Noah lächelte leicht, hob sein Glas mit Wasser und prostete mir zu.

Ich ergriff den dünnen Stiel des Weinglases und stieß es vorsichtig gegen das seine, unsere Blicke in einander verworren, wie ein Gewirr aus nackten Zweigen im Winter.
Denn genau das waren unsere Blicke.
Nackt, ungeschützt.

"Auf die großen und die kleinen Träume, Megan, denn jeder kann die Welt verändern."

Seine Stimme war wie eine Welle, die durch meinen Körper brandete und jeden Winkel ausfüllte, bis ich glaubte, zu zerbersten. Sie war wie eine schwarze Versuchung.

Mein Lächeln war breit und vorbehaltlos.

"Auf die Träume, Noah."

Und in diesem Moment war alles so warm und neu und unbekannt und dennoch fühlte ich mich geborgen.

Fühlte mich zu ihm hingezogen.
Es fühlte sich an, wie als wäre in dem Winter meines Lebens endlich die Sonne aufgetaucht.
Nein. Nicht die Sonne.
Ein Sternenhimmel. Wunderschön und selten und so klar.

Wir aßen in einvernehmlichem Schweigen, lediglich von dem stetigen Rauschen des Meeres begleitet.

Die ganze Zeit über, lag Noahs Blick auf mir, während die Welt in Schwärze versank und der Himmel irgendwann die selbe Farbe besaß wie das Meer.

Der Wind zerrte an unseren Leibern, als wollte er uns mit sich forttragen.

Später saßen wir mit vollen Mägen und glücklichen Seelen in der Dunkelheit und redeten über die Orte die wir bereisen wollten und die, die wir am liebsten mochten.

Er erzählte mir, dass er in Los Angeles in den Filmstudios von Hollywood war und das er dort Bratt Pitt gesehen hatte, erzählte von Jamie, der sich an seinem Getränk verschluckt hatte, weil dieser seine Rolle in Fight Club vergötterte.

Er redete von einem kleinen Café in Paris, das er entdeckt hatte und in dem er jeden Morgen den besten Kaffee der Welt getrunken hatte.

Schwelgte in Erinnerungen über die wunderschöne Winterlandschaft in Vermont.

Noah erzählte mir, dass er nach Frankfurt reisen wollte. Die Buchmesse besuchen.

Ich gestand ihm, dass ich bis jetzt fast keines meiner Traumziele mit eigenen Augen gesehen hatte.

Trotzdem redete ich von der flirrenden Energie Bangkoks von den Tempeln, die ich besuchen wollte und von den Straßen durch die ich wandern wollte.

Trotzdem erzählte ich ihm von meiner Liebe zu Rom und seinen architektonischen Meisterwerken, von den schmalen Gassen mit den groben Pflastersteinen. Von all den Museen, die ich besuchen wollte.

Und Noah hörte zu, eine Hand unters Kinn gestützt, die Haare ein vom Wind zerzaustes Kunstwerk.

Er hörte zu, als ich von all den Orten redete, die ich noch sehen wollte.
Die Kerzen zeichneten harte, kantige Schatten in sein Gesicht, doch sein Blick war weich und verständnisvoll.

"Was sind das für Texte, die du schreibst?", fragte ich, als das alte Paar von dem Tisch aufstand und fortging.

"Worte, die ich nicht aussprechen kann, oder nicht will. Von Dunkelheit und Einsamkeit und Mondschein. Aber auch von Sternenlicht und Sehnsucht und bunten Gefühlsklecksen zwischen dem Schwarz eines Sturms", sagte er, als das Paar verschwunden war und wir nun allein in dieser wunderschönen Ewigkeit saßen.

Doch diese trügerische, kleine Ewigkeit konnte unmöglich anhalten. Die Sonne würde wieder aufgehen, das Lokal schließen und ein anderer Tag mit anderen Problemen würde anbrechen.

Aber dieser Moment war echt. Er war das Jetzt. Und das Jetzt war alles was zählte.

Sorry for making you wait so long.
Aber hey, Kapitel 60!

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt