Kapitel 12

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|Take Me To Church - Hozier|

⊏Noah⊐

Als ich noch jünger war fragte ich meinen Vater einmal wieso wir sterben müssen. Er erklärte mir, dass alles vergänglich sei, dass wir Menschen dazu neigen würden, das Leben als selbstverständlich zu sehen. Der Tod war also Gottes Erinnerung an uns, das alles ein Ende fand.

Sieben Jahre später dachte ich oft über den Sinn des Lebens nach und dessen Ende, -die Engstirnigen unter euch halten mich jetzt bestimmt für Suizidgefährdet-, doch ich liebte mein Leben. Mister Wittaker, mein alter Literaturlehrer hatte mich einmal gefragt was meine größte Angst sei. Ich sagte ihm, dass ich nicht vergessen werden wollte, "Ein Leben in dem man nichts erreicht hat, nichts geleistet hat ist sinnlos. Ich möchte kein solches Leben führen, ich möchte das sich die Leute an mich erinnern." Danach hatte er eine lange Zeit geschwiegen. Vermutlich war er überrascht, dass ich ihm überhaupt geantwortet hatte. Ich behielt meine Gedanken lieber für mich.

Meine Gedichte waren da die Ausnahme.

"Hast du schon eine Ahnung was deinem Leben einen Sinn geben soll?" Ich hatte ihm nicht geantwortet. Doch am nächsten Morgen legte ich ihm eines meiner Gedichte auf das Pult. Mister Wittaker war so ziemlich der einzige Lehrer hier an dieser Schule den ich tatsächlich respektierte. Aus diesem Grund schaffte ich meinen Traum jemanden anzuvertrauen. "Ich schreibe." Ich schloss die Augen und schluckte.

"Ich .. es hilft mir mich zu sammeln. Mich zu konzentrieren, auf eine unglaubliche Weise." Er hatte mich einen Moment gemustert, sein Blick nicht zu deuten. Dann hatte er das Blatt in die Hand genommen und begonnen zu lesen.

Nach diesem Tag brachte ich ihm regelmäßig von mir verfasste Gedichte. Bis zu dem Tag an dem mein Vater starb. Das war vor etwa zwei Monaten. Ich ging einen Monat nicht in die Schule- natürlich versuchte mich jeder dazu zu überreden doch ich wollte nicht. Nicht zuletzt hatte ich Angst davor, was Mister Wittaker von mir denken würde wenn ich ihn traf. Wäre es Mitleid oder Enttäuschung, die sich in seinen Augen spiegeln würde?

Jetzt war ich 18 Stunden und 21 Minuten von dem einzigen Menschen entfernt, mit dem ich reden wollte. Ich hatte mich von meinem ehemaligen Literaturlehrer verabschiedet. Er stand am Tag des Umzuges vor meiner Haustür und meine Mutter ließ ihn herein. Joshua T. Wittaker war eine imposante Erscheinung. Dunkelbraunes, kurzes Haar und einen Meter neunundachtzig groß, er stand in krassem Kontrast zu meiner 1,67 Meter großen Mutter. Ich hatte meine eins vierundachtzig von meinem Vater geerbt.

Meine Mutter ließ ihn eintreten und Mister Wittaker sah sich um. Als er mich entdeckte lächelte er. Mein Herz verspottete mich indem es so laut schlug das es jeder im Raum hören musste. Wir gingen in mein Zimmer und mein ehemaliger Lehrer ließ sich auf meinem Schreibtischstuhl nieder. Ich blieb stehen und beobachtete wie er alles in sich aufnahm. Dann richtete sich sein Blick auf mich und er lächelte.

Wir sprachen fast zwei Stunden, wurden nur unterbrochen von meiner Mutter die doch tatsächlich mit einem Teller voll Kekse im Türrahmen erschien, ihn wortlos vor Mister Wittaker auf dem Schreibtisch abstellte und meine Schulter drückte, bevor sie verschwand. Ich blickte ihr nach und meinte dann: "Seit dem-...", ein Räuspern, "-seit dem Tod meines Vaters habe ich keinen Stift mehr in die Hand genommen."

Meine Beichte schwebte im Raum.

"Man muss nichts aufschreiben wenn man genügend Gedanken hat." Er sah mich so durchdringend an das ich den Kopf abwandte. Dann reichte er mir ein Blatt Papier. Darauf stand in geschmeidiger, geschwungener Schrift eine Telefonnummer.

Bis heute hatte ich ihn nur zwei mal kontaktiert. An dem Tag, an dem ich die erste Unterrichtsstunde in kreativem Schreiben hatte und etwa vier Tage später, um ihm mein bisher ehrlichstes Gedicht vorzulesen.

Es hatte mich ein unglaubliches Maß dann Überwindung gekostet, denn Mister Wittaker hatte darauf bestanden, dass ich es ihm vorlas.

Es handelte von kleinen Jungen mit kaputten Seelen in großen Körpern und zu vielen Gedanken.

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt