Kapitel 21

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|I Was Never There - The Weeknd|

⊏Noah⊐

Auf ein neues, dachte ich mir während ich meine Laufschuhe band und ein schwarzes, enges Sportshirt anzog und dazu eine kurze Hose wählte, obwohl es derart heftig regnete, dass ich vermutlich besser eine warme, lange Sporthose hätte anziehen sollen- halbwegs vernünftige Menschen würden bei diesem Wetter nicht einmal daran denken vor die Tür zu treten- geschweige denn auch noch Sport zu treiben.

Ich hingegen konnte es jedes mal kaum erwarten das das Wetter umschlug, das galt aber auch nur für den Abend. Jetzt konnte ich ungestört laufen ohne auf größere Menschenansammlungen zu treffen.

An manchen Tagen suchte ich mir anschließend ein Fitnessstudio das rund um die Uhr geöffnet hatte und blieb dort bis etwa vier Uhr morgens. Meine Mutter wusste nichts von meinen Schlafproblemen und auch sonst niemand. Es war eine der Sachen die in nie jemandem anvertraut hatte und wenn es nach mir ging würde das auch so bleiben.

Seit meinem sechzehnten Lebensjahr litt ich unter Schlaflosigkeit. Mit achtzehn hatte ich einen Seelenklempner konfisziert, ich wollte das Problem endlich in den Griff bekommen. Er erzählte mir das Schlafstörungen bei Teenagern nicht selten vorkamen und beschloss, einige Übungen mit mir durchzugehen, die mir beim Einschlafen helfen sollten. Ich hatte zwei Wochen durchgehalten. Danach wurde der Schlafmangel ein fester Bestandteil meines Tages.

Ich begann deutlich mehr Sport zu treiben und strukturierte meine Nächte durch. Manchmal erledigte ich auch den aufgeschobenen Schulstoff, las ein Buch oder schrieb meine Gedanken und andere Sachen auf.

Diesen Abend würde ich etwa drei Stunden Sport treiben und danach den Brief meiner überraschend interessanten Briefpartnerin beantworten. Ja, eine Frau. Inzwischen war ich mir zu siebzig Prozent sicher das sie weiblich war. Schon alleine der Name den sie gewählt hatte verriet sie bereits in meinen Augen. Faith.

Kein Junge mit einem Funken Männlichkeit in sich, hätte sich einen Namen wie Faith ausgedacht.

Während ich auf die Straße trat sah ich mich kurz zu beiden Seiten um. Unser Haus lag in einem der vielen Villenviertel der Stadt, das hieß das Haus neben uns und das danach und die nach diesem waren alle exakt identisch was den Aufbau und vermutlich auch die Ausstattung betraf. Meine Beine schlugen wie von selbst den gewohnten Weg ein und ich atmete in gleichmäßigen Zügen die kalte Luft ein. Der Regen strömte vom Himmel als gäbe es keinen Morgen mehr und ich genoss es.

Als ich in einen ruhigeren Teil der Stadt kam verlangsamte ich das Tempo etwas und genoss die seltene Stille der sonst mit Geräuschen überfüllten Stadt. Ich lief noch langsamer und beachtete den Regen der immer noch ohne Pause vom Himmel strömte nicht. Gerade als ich mich auf den Rückweg machen wollte hörte ich einen Schrei. Wie angewurzelt blieb ich stehe und lauschte. Nichts.

Mit gerunzelter Stirn sah ich mich um. Neben mir lag eine schmale dunkle Gasse, ich wusste das sie zu den weniger reichen Orten gehörte. Aus männlicher Dummheit und um meinem Ego etwas zu beweisen war ich einmal dort hineingegangen.

Wie von selbst bewegte ich mich langsam auf die Stelle zu, aus der ich den Schrei vermutet hatte. Eine Weile war es ruhig und ich konnte kaum erkennen wo ich hintrat. Dann ein weiterer Schrei, da rannte ich los. Als ich leise Stimmen vernahm, verlangsamte ich meine Schritte und lauschte wieder.

Ich hörte eine männliche Stimme sagen: "Rück dein Geld raus kleine!" Jetzt hatte ich keine Zweifel mehr das jemand in Gefahr war. Trotzdem blieb ich in der schützenden Dunkelheit und betrachtete das Bild das sich mir bot. Analysierte die Szene. Eine Gestalt, unverkennbar ein Mädchen, kauerte auf dem Boden eine andere Person hatte sich über sie gebeugt und schrie sie solle ihm ihr Geld geben.

Meine nächste Aktion war weder kalkuliert noch wirklich ausreichend bedacht- was bei mir recht selten vorkam. Lautlos stürzte mich aus der Dunkelheit und stieß den Mann in die Seite. Dieser keuchte entsetzt auf und taumelte nach links.

Ich sagte etwas an das ich mich wenige Sekunden später nicht mehr erinnern konnte da mein Blick auf das Mädchen fiel. Es hatte sich vom Boden erhoben und starrte dem Mann nach, welcher sich, der Schisser der er offenbar war, aus dem Staub machte. Sie zitterte so heftig das ich angst hatte sie würde ohnmächtig werden. Vielleicht lag es aber auch bloß am Regen. Da betrachtete ich sie genauer. Dunkelbraunes Haar. "Megan?" Ich stieß die Frage aus während ich gleichzeitig ein ungläubiges Keuchen von mir gab.

Eine Weile sagte sie nichts und ich war mir schon fast sicher sie, auf Grund des schummrigen Lichts, verwechselt zu haben, da fragte sie: "Noah?!"

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt