Kapitel 58

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|champagne problems - Taylor Swift|

Ich sollte wirklich mal wieder anfangen Kapitel vorzuschreiben...Aber ich bin schon froh, wenn ich überhaupt die Zeit finde, um ein einziges zu schreiben.

⊏Megan⊐

Das stetige Rauschen des Meeres war beinahe so allgegenwärtig, wie die neuen aber durchdringenden Gefühle, die der Anblick von Noah in mir auslöste.

Er saß mir gegenüber auf dem Stuhl und beobachtete mich wie ich ihn beobachtete. Keiner von uns hätte in diesem Moment auch nur einen Gedanken an die Speisenwahl verschwendet, wenn nicht eine Kellnerin an unseren Tisch getreten wäre.

Mit höflicher, abwartender Miene sah sie zuerst Noah und dann mich an. Wenngleich ihr Blick einen Tick zu lange auf Ersterem verweilte.

"Haben Sie sich schon entschieden?", fragte sie freundlich. Noah schenkte ihr einen knappen Blick, nickte dann jedoch überraschender Weise.

Dann zögerte er, sah zu mir. "Du magst doch hoffentlich Meeresfrüchte, oder?"

Mein Grinsen, war offenbar das einzige Zeichen, das er als Bestätigung benötigt hatte, denn er wandte sich wieder der Kellnerin zu, und sagte: "Richten Sie doch bitte Francis aus, dass er zwei Mal sein Spezialmenü machen soll."

Ich kniff die Augen zusammen, sagte jedoch nichts, bis die Bedienung wieder im Restaurant verschwunden war.

Dann wandte ich mich wieder Noah zu, sein Blick lag auf mir und ich konnte den wohligen Schauer, der mein Rückgrat hinunterlief nicht verhindern.

"Du kennst den Koch?", fragte ich, wobei ich versuchte möglichst desinteressiert zu klingen. "Er ist ein guter Freund meiner Mutter. Sie kennen sich schon eine halbe Ewigkeit."
Jetzt hob ich doch die Augenbrauen. Noah grinste nur unschuldig.

Er ist so verdammt schön.
Der aufgeknöpfte Hemdkragen hatte den Ansatz seines eleganten Schlüsselbeins entblößt.

"Wenn es dir nicht schmeckt, dann kannst du es ihm selbst sagen, er kommt jedes Mal persönlich aus der Küche, wenn jemand dieses Gericht bestellt und erkundigt sich bei seinen Gästen ob es ihnen geschmeckt hat."

Er machte eine Pause und lehnte sich über den Tisch, den Unterarm auf der Tischoberfläche abgestützt und scherzte dann: "Ich würde nur zu gern sehen, wie jemand sein zu groß geratenes Ego stutzt." Er zwinkerte mir zu und lehnte sich wieder zurück.

"Das kommt dann wohl darauf an, wie gut sein Essen ist", erwiderte ich lächelnd.

Der Wind trieb die salzige Luft des Meeres an unseren Tisch und ich atmete sie tief ein, als er durch meine Haare wehte.

"Wieso studierst du Psychologie?"
Die Frage traf mich vollkommen unvorbereitet.

Ohne nachzudenken sagte ich: "Ich wollte immer etwas mit Menschen machen. Da war diese Richtung wohl naheliegend."
"Wolltest du schon immer Literatur studieren?"

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Noah, bevor er wage mit den Schultern zuckte, die Stirn gerunzelt.
"Ich weiß nicht. Ich glaube es waren immer Wörter da. In mir. Wörter die zu groß waren um sie einfach auszusprechen. Ich wollte sie aufschreiben. Musste sie auf Etwas verewigen. Meiner Meinung nach, sagen wir Vieles, das wir später bereuen, weil wir nicht darüber nachdenken."

Ich nickte und er zündete sich eine Zigarette an.
"Du willst also Schriftsteller werden?", ich konnte nicht anders, als ihn zu fragen.

In meinen Gedanken sah ich ihn, wie er an einem Buch arbeitete, in meiner Vorstellung war es bereits tiefste Nacht, doch Noah war hellwach, eine Zigarette im Mundwinkel, ein halb geleertes Glas Rotwein neben sich. Gänzlich versunken, verloren in den Worten, die er aufschrieb.

Noah lachte und ich dachte, dass es ein wenig reumütig klang.
"Früher wollten wir immer die Welt verändern, Jamie und ich meine ich. Ich mit Worten, er allein mit seinem brillanten Verstand."

Noah hatte den Blick auf das Meer gerichtet und zog an seiner Zigarette, ließ den Rauch dann durch seine Nasenlöcher entweichen.

Einem Impuls folgend, holte ich mein Handy hervor und öffnete die Kamera.

Das graue, wolkenverhangene Blau des Himmels vermischte sich mit dem dunklen Meer, es sah aus wie der Augenblick kurz vor dem Sturm und dann war da noch Noah.

Noah, in einem weißen Hemd, das er lässig aufgeknöpft hatte und zerzausten, nachtschwarzen Haaren.
Er hatte einen Arm auf die Stuhllehne gelegt. Die Zigarette ein roter Glutfleck zwischen seinen eleganten Fingern. Sein Kopf war leicht zur Seite geneigt. Während er die trügerische Unendlichkeit des Meeres bewunderte, bewunderte ich ihn.

Ich steckte das Handy zurück in die Tasche.

"Was ist mit jetzt?", fragte ich. Noah wandte den Kopf in meine Richtung.
Er drückte die Zigarette aus.
"Was meinst du?"
"Willst du jetzt immer noch die Welt verändern?"

Noah schwieg kurz, dann sagte er, so leise das ich mich instinktiv vorbeugte: "Ich denke es ist die Aufgabe eines jeden Einzelnen, etwas in dieser Welt zu hinterlassen. Natürlich kann nicht jeder von uns der erste Mensch auf dem Mars sein, ein Heilmittel gegen Krebs finden oder den Welthunger stillen-", er kratzte sich an der Nase, "aber ich finde jedes Leben braucht ein Ziel. Eine Richtung. Wo willst du am Ende deines Lebens stehen? Was willst du erreicht haben? Wie willst du diese schlechte Welt etwas besser verlassen?"

Er ließ mich nicht aus den Augen als er sagte: "Diese Welt kann verdammt hässlich sein. Wenn man nicht den Drang hätte, sie zu verändern, dann sollte man sich auch nicht über sie beschweren."

Ich dachte eine Weile über seine Worte nach.

"Das sehe ich auch so, aber was ist, wenn man es nicht weiß? Wenn man nicht weiß wie man die Welt verändern kann?"

"Hm, das ist doch ganz normal."

Überrascht starrte ich ihn an.

"Du hast gesagt, du wolltest schon immer etwas mit Menschen machen. Was machst du noch gerne?"

Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und senkte betreten den Blick.
"Das genau ist ja das Problem", nuschelte ich. "Was bin ich noch, wenn ich mich nicht mehr in die Schule oder den eintönigen Job als Verkäuferin in einem Drecksloch stürzen kann? Wenn das nicht mehr ist, was ist dann mein Sinn zu existieren?"

Noahs Blick wurde weich und ich sprach eilig weiter, bevor er zum sprechen ansetzten konnte.

"Bei dir ist das anders. Du hast einen Sinn im Leben gefunden. Etwas das dich ausfüllt. Eine Passion. Ich habe gar nichts."

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt