Kapitel 39

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|The Night We Met - Lord Huron|

⊏Megan⊐

Ich saß an einem der kleinen Tische nahe der Theke und strich den Zettel glatt, für den ich noch keine Zeit gefunden hatte. Mit klopfendem Herzen senkte ich den Blick auf das Papier.

Faith,
Ich teile deine Meinung über das Zeittotschlagen voll und ganz, aber woher soll ich wissen worauf ich warte? Wie verdammt entdeckt man seine Bestimmung? Sollte ich darauf vertrauen, dass sie sich einfach im Laufe des Lebens offenbart oder folge ich lieber meinem Herzen ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass ich doch nur ein sprunghafter Teenager bin? Ich für meinen Teil war schon immer der Meinung man sollte an seinen Träumen und Wünschen festhalten. Aber jetzt zu einem anderen Thema.

Glaubst du es gibt einen freien Willen?
Arthur Schopenhauer stellte vor Jahrhunderten die ketzerische Frage "Kann ich wollen, was ich will?" und bestritt damit, dass der Mensch einen freien Willen habe. Doch was bedeutet diese Aussage für das Entscheidungsrecht eines Individuums? Werden unsere Entscheidungen nicht immer von Gefühlen gelenkt? Ist es dann freier Wille, wenn wir uns unsere Meinung über etwas nicht rational bilden können, da wir von Anfang an bereits einer Meinung, einer Tatsache mehr zugeneigt sind?

~ Pride

Ich lächelte. Es wurde immer deutlicher das wir gut harmonierten. Doch ich würde niemals erfahren wer Pride war..vielleicht wollte sie oder er mich überhaupt nicht kennenlernen. Als ich das Getuschel zweier Mädchen hörte, die an einem Tisch am Fenster saßen, rollte ich mit den Augen. Sie flüsterten aufgeregt miteinander. Obwohl, Flüstern war hier nicht das richtige Wort, weil ich alles mitbekam. "Wow, wer ist das?", fragte die Schwarzhaarige und beugte sich ein wenig weiter zum Fenster um einen besseren Blick auf etwas oder jemanden zu erhaschen. Ich wandte mich wieder meiner Tasche zu und holte ein Blatt Papier und einen Stift hervor. Nachdem ich es neben Prides Brief ausgebreitet hatte, trank ich einen Schluck des Kaffees, den ich mir gekauft hatte. In diesem Moment ertönte eine Stimme nicht weit von mir entfernt und ich glaubte zu wissen wem sie gehörte. Also gab ich meiner Neugier nach und hob den Blick von meinem immer noch weißen Blatt Papier.
Vor dem Tresen standen zwei Personen und warteten darauf, dass eine der Bedienungen ihre Bestellungen aufnahm. Eine der Personen war eine junge Frau, vielleicht drei Jahre älter als ich mit schulterlangen braunen Locken. Sie stand vor der zweiten Person. Es war ein Junge. Besagte Person sprach gerade mit meiner Mutter, die ab und an nickte und griff nach den gewünschten Gebäckstücken. Als er sein Gesicht zur Seite wandte wusste ich das es Noah war.

Ich musterte ihn unverhohlen, er trug eine schwarze Lederjacke und Springerstiefel. Natürlich musste das Schicksal diesen Moment bei den Eiern packen und ihn auf mich aufmerksam machen. Aus irgend einem Grund glitt sein Blick zu mir.

Er hat mich beim Starren erwischt.

Scheinbar ungerührt senkte ich die Augen wieder auf das Blatt und nahm den Stift in die Hand. Doch nur meine Augen waren auf das Papier gerichtet. Meine Ohren verfolgten sein Gespräch mit meiner Mutter. Die Bäckerei war unter den Einheimischen wohlbekannt, nicht nur weil es eine Art Hafen in Sachen Problembewältigung für Hoffnungslose war, sondern auch wegen ihren Scones. Selbstredend tummelten sich daher die unterschiedlichsten Menschen an den rustikalen Holztischen des Ladens.
Noah war offensichtlich ebenfalls mehr an den Scones und dem frisch gebackenen Brot interessiert.

Ich hörte wie Essen in Papiertüten gepackt wurde und Geld den Besitzer wechselte. Mein Stift schwebte über dem Papier. Dann wurde plötzlich der Stuhl mir gegenüber herausgezogen, das Geräusch hallte in meinen Ohren wieder.
Verwirrt hob ich den Kopf und sah mich Noah gegenübersitzen.
Sein Blick lag auf dem leeren Blatt Papier vor mir. Schnell schob ich es über Prides Brief, obwohl dieser lediglich Teilweise unter einem Block hervorlugte.
Doppelt hält eben besser.

Jetzt hob er die Augen von dem Tisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Dann führte er einen Kaffeebecher zum Mund und nahm zwei große Schlucke. Sein Adamsapfel hüpfte unübersehbar auf und ab und ich starrte wie gebannt auf seinen Hals.

Solche Anziehungskraft in einer einzigen Bewegung.
Verwirrt von meinen eigenen Gedanken wandte ich den Blick ab.

"Was machst du hier?", fragte ich ihn und brach damit das Schweigen. "Nachtisch einkaufen", wie zum Beweis hob er die Tüten in seiner Hand ein wenig an.

"Das ist mir durchaus bewusst, ich meinte eigentlich was du hier machst", erwiderte ich und deutete auf meinen Tisch. Er schwieg eine Weile und in seinen Augen meinte ich Reue zu erkennen doch der Ausdruck verschwand so schnell, dass ich mir nicht sicher war ob es nicht nur Einbildung war.

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt