Kapitel 20

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|The Other Side - Ruelle|

⊏Megan⊐

Der Regen prasselte unaufhaltsam auf mich nieder und ich zog die Kapuze tiefer in mein Gesicht. Ich verfluchte mich selbst, weil ich vor der Arbeit nicht daran gedacht hatte, einen Regenschirm mitzunehmen. Mit schnellen Schritten überquerte ich die Straße und bog um eine Ecke. Mein Atem ging stoßweise und ich wusste bereits das ich den nächsten Tag mit einer Erkältung oder zumindest einem Schnupfen verbringen würde.

Ich brummte verärgert als sich der Regen verstärkte, es goss aus Eimern. Eigentlich hatte ich nie etwas gegen die monsunartigen Regenschauer der Stadt gehabt, doch jetzt wünschte ich mir mit aller Kraft, dass die Sonne am Himmel erscheinen und die dicken, nassen Tropfen auf meiner Kleidung trocknen würde.

Inzwischen war es halb neun, normalerweise arbeitete ich immer gleich nach der Schule doch Tillie, eine andere Verkäuferin war hochschwanger und ich hatte deshalb angeboten ein paar ihrer Schichten zu übernehmen, die Arbeit in dem kleinen Laden machte mir Spaß und außerdem brauchten wir das Geld. Seit mein Vater sich samt unseren Ersparnissen aus dem Staub gemacht hatte waren wir oft knapp bei Kasse.

Ich verdrängte den Gedanken und wischte mir den Regen aus dem Gesicht, sämtliche meiner Kleider waren vollends durchnässt und ich zitterte am ganzen Leib. Abermals bog ich um eine Straßenecke, als ich an einer engen, spärlich beleuchteten Gasse vorbeihastete fiel ich über etwas. Mit den Armen strampelnd verlor ich das Gleichgewicht und fiel auf den Boden.

Meine Hände trafen auf das raue Pflaster und augenblicklich begannen sie zu brennen. Ich ignorierte den Schmerz jedoch. "Rück dein Geld raus kleine", drang eine tiefe Stimme an mein Ohr. Ich erstarrte. Nein. Nein. Nein.

Unfähig mich zu bewegen schloss ich die Augen und unterdrückte einen Schrei. "Na wird's bald!" Die Stimme des Mannes wurde lauter und ich fuhr zusammen und kauerte mich näher an den Boden.

Da packte mich eine Hand und riss mich unsanft auf die Beine. "Bist du taub oder was?!" Sein Atem roch nach Alkohol und er sah ungepflegt aus. "Ich..", setzte ich an und hasste mich in diesem Moment weil meine Stimme versagte. Ungeduldig riss er mir die Tasche von der Schulter und stieß mich wieder zu Boden. Jetzt schrie ich lauthals auf.

Ein weiteres Mal bekamen meine Hände den Aufprall zu spüren und ich sog zischend die Luft ein. Der Mann lachte belustigt und begann in meiner Tasche herumzukramen. Ich war wie gelähmt, versuchte mich an den Selbstverteidigungskurs zu erinnern den ich einmal besucht hatte. Nur leider war das vier Jahre her und in meinem Kopf herrschte erdrückende Leere.

"Jetzt steh auf und sag mir wo-", er brach mitten im Satz ab und taumelte zur Seite. Verwirrt betrachtete ich ihn. Der Mann wirbelte herum und drehte mir so seinen Rücken zu. Ich wollte mich gerade aufrappeln und mich auf ihn stürzen, da hörte ich eine andere Stimme sagen: "Das ist doch keine Art mit einem Mädchen umzugehen. Haben dir deine Eltern denn nichts beigebracht Arschloch?"

Mein Atem ging flach und ich schluckte. Es war so dunkel das ich den anderen Typen nur schemenhaft erkennen konnte. Er war größer als mein Angreifer. Besagte Person trat jetzt hastig einen Schritt zurück während der Neuankömmling einen auf ihn zu machte.

Eigentlich sollte ich mir meine Tasche schnappen und mich so schnell wie möglich aus dem Staub machen doch ich blieb wo ich war. "Kannst du auch reden oder dich nur von hinten an deine Opfer heranschleichen?", er höhnische Ton seiner Stimme triefte nur so vor Selbstbewusstsein.

Irgendwie kam mir die Stimme bekannt vor doch mein verwirrtes Gehirn hatte die Arbeit eingestellt. Mein Angreifer hatte offenbar genug denn er ließ die Tasche fallen, machte auf dem Absatz kehrt und rannte wie von einer Tarantel gestochen aus der Gasse.

Einen Moment hörte man nur seine Schritte auf dem Asphalt. Als mein Retter mir eine Hand entgegenstreckte realisierte ich das ich immer noch auf dem nassen Boden saß. Eine Erkältung war nun sicherlich nicht mehr auszuschließen. Ich starrte die Hand an, ergriff sie dann aber doch und ließ mich von ihm hochziehen.

"Alles okay? Ich hoffe er hat dir nicht wehgetan, sonnst muss ich ihm nochmal nach-", er brach mitten im Satz ab und schwieg einen Augenblick.

"Megan?" Überrascht riss ich die Augen auf. "Woher kennst du-", dann trat er einen Schritt vor und das Licht der einzelnen Straßenlaterne traf auf ihn.

Ich keuchte auf. "Noah?!"

Broken Souls - Gebrochene SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt