Kapitel 37

3.5K 231 3
                                    

• J O S H •

Summend knöpfe ich mein Hemd zu, während ich mir die wenigen Bilder, die es im Wohnzimmer gibt, genauer anschaue. Das habe ich zuvor nie getan. Und das, obwohl es hier so viele Anzeichen gibt, wie wichtig Travis seine Familie ist.

Ich nutze die Gelegenheit, dass er duscht, um mir besonders die Fotos seiner Mutter anzusehen. Sie war eine bildhübsche Frau mit einem strahlenden Lächeln, das hätte Krankheiten heilen können, so schön ist es gewesen. Es ist schade, sie nicht persönlich kennenlernen zu können. Ich habe das Gefühl, ich hätte sie sehr gemocht - auch durch die Erzählungen von ihrem Sohn.

Dass er mich so nahe an sich heranlässt, macht mich überglücklich. Es klingt wahnsinnig kitschig, aber ich verliebe mich von Tag zu Tag mehr in Travis. Der Vorfall heute Nacht hat mir so unglaublich viel bedeutet. Er hat mir wieder einen Teil seiner dunklen Seele geöffnet und mich darum gebeten, es zu heilen.

Travis möchte mich ausgerechnet zum Todestag seiner Mutter zu ihrem Grab mitnehmen. Diese Bitte muss ihn einiges an Überwindung gekostet haben, doch bin ich umso froher darüber, dass er mich gefragt hat.

Ich schrecke auf, als es an der Tür klingelt. Wer sollte um diese Uhrzeit vor unserer Tür stehen? Als nun auch ein aggressives Klopfen ertönt, beeile ich mich, an die Tür zu gehen. "Travis, erwartest du jemanden?", rufe ich Richtung Badezimmer, erwarte aber keine Antwort, da er mich unter der Dusche wahrscheinlich nicht hört.

Doch ich falle aus allen Wolken, als ich sehe, wer uns besucht.

"Aly, was tust du denn hier?"

"Es freut mich auch, dich zu sehen, Bruderherz", brummt sie augenverdrehend und drängt sich an mir vorbei. "Es riecht echt gut. Gibt es Frühstück?" Ich folge ihr in die Küche und lasse es zu, dass sie sich an den Tisch setzt und sich an den Brötchen bedient. "Hast du keine Schule?" "Erst zur dritten Stunde."

"Wen haben wir denn da? Guten Morgen, Alyssa", begrüßt Travis meine kleine Schwester, als er nur durch ein Handtuch bedeckt in die Küche kommt. Und sie starrt ihn natürlich sabbernd an. Wer würde es nicht tun? Wäre sie nicht hier, würde ich mich auf ihn stürzen.

Er legt seinen Arm um mich und haucht mir einen Kuss auf die Wange. "Du hast mir gar nicht gesagt, dass wir einen Gast haben." "Das kam auch für mich überraschend", erwidere ich achselzuckend und gebe ihm einen Klaps gegen seine nackte Brust. "Würdest du dir bitte etwas überziehen, wenn meine minderjährige Schwester zu Besuch ist?"

"Man Josh, mich stört es nicht. Es ist immerhin Travis' Wohnung, er darf so herumlaufen, wie er möchte", sagt Alyssa, dreht sich aber genauso schnell wieder weg, als ich ihr einen kritischen Blick zuwerfe. "Ich kann mir schon vorstellen, dass es dir nichts ausmacht, kleines Mädchen."

Über unsere Diskussion belustigt, zieht mich der Afroamerikaner zum Tisch und drückt mich auf einen Stuhl. "Wer hätte gern Kaffee?" Meine Schwester hebt erfreut die Hand.

Wir beobachten ihn dabei, wie er die Kaffeemaschine bedient. Meine Augen wandern über seinen breiten Rücken, beobachte das Spiel seiner Muskeln, wann immer er sich bewegt. Gott verdammt, ich würde ihm so gern dieses blöde Handtuch vom Körper reißen.

"Jetzt bist du es aber, der sabbert, Bruderherz", meint Alyssa kichernd und wirft mich mit einer Weintraube ab. Augenverdrehend stecke ich sie mir in den Mund. "Du könntest mir mal verraten, woher du wusstest, wo wir wohnen." "Ich wollte Tristan nach der Adresse fragen. Am Telefon war ein gewisser Gavin, ich glaube, das ist doch sein Freund, oder?" Ich nicke. "Zumindest hat er sie mir bereitwillig gegeben."

Natürlich hat Gav das getan. Auch schön, dass er uns vorgewarnt hat. So ein Idiot...

"Okay, vergiss das. Es gibt doch sicherlich einen Grund, weshalb du hier bist, stimmt's?", frage ich und nehme mir nun ebenfalls ein Brötchen aus dem Korb. Travis setzt sich zu uns und füllt unsere Tassen mit frisch gekochten Kaffee.

Meine Schwester beißt sich auf die Lippe und sieht mich mit ihrem allbekannten Hundeblick an, den ich nur zu gut kenne. "Okay, was willst du, Aly?" "Nun, also...du weißt doch, wie sehr ich dich lieb habe, nicht wahr?" "Jetzt rück schon mit der Sprache raus."

"Eine gute Freundin feiert demnächst ihren achtzehnten Geburtstag und würde, naja, gern den Club mieten", erzählt sie schließlich. "Etwa der Club, in dem ich arbeite?" Sie nickt. "Und, ähm, vielleicht könntest du ihr einen Rabatt geben?"

Das ist es also. Ich wusste doch, es muss etwas dahinterstecken, dass sie mich persönlich aufsucht.

"Wissen unsere Eltern davon?" Ich kann die Antwort schon an ihrem Gesicht erkennen und seufze. "Und wer wird es ihnen erzählen?" "Es wird ja nichts Großes!" "Alyssa, auch wenn dein großer Bruder hinter der Theke stehen würde, gäbe es für dich und deine jüngeren Freunde kein Alkohol", mache ich ihr klar und proste ihr dann mit dem Kaffee zu.

"Josh..."

"Vergiss es, Fräulein."

Sie beißt von ihrem Brötchen ab und wendet sich beleidigt ab. Ich werfe Travis einen vielsagenden Blick zu, den er schmunzelnd erwidert. "Also, naja, als ich meinen Geburtstag gefeiert habe, floss auch ziemlich viel Alkohol."

"Babe, du hilfst mir gerade absolut nicht", entgegne ich. Er nimmt meine Hand und drückt sie. "Du könntest doch..." "Travis, nein. Wenn es privat wäre, vielleicht. Aber Derek würde mich umbringen, wenn ich den minderjährigen Gästen Alkohol ausschenke. Das geht also nicht."

Ihm scheint es schon so viel besser zu gehen. Er wirkt aufgeweckter und scherzt tatsächlich auch mal, wenn es passt. So als wäre er ein ganz anderer Mensch als heute Nacht, als er noch in meinen Armen lag und mir von seinem grausamen Albtraum erzählt hat. Wahrscheinlich tat es ihm einfach gut, darüber zu reden, was ihn bedrückt.

"Okay, dann gibt es eben keinen Alkohol", meint meine Schwester und nippt an ihrer Kaffeetasse. "Aber würdest du mit deinem Chef reden? Vielleicht tut er dir den Gefallen, uns für diesen Abend den Club zu geben. Bitte?"

Ich schaue nochmals zu Travis, warte auf ein Anzeichen, was er davon hält. Er zuckt aber nur mit den Achseln und lächelt mich dann an. "Wirst du an dem Abend an meiner Seite sein und mit aufpassen?" "Habt ihr nicht genug Angestellte dort?" "Ich hätte dich aber gern dabei, wenn ich schon haufenweise Teenager bedienen muss", erwidere ich und strecke ihm die Zunge heraus. "Komm schon, du hast Menschen gut im Griff. Also...bitte?"

Er sieht zwischen mir und Aly hin und her, schließlich bleibt sein Blick auf ihr hängen. Sie lächelt ihn charmant an. Und wenn ich mich nicht täusche, zwinkert er ihr verschwörerisch zu.

Wow, die beiden planen ein Attentat gegen mich. Kaum zu fassen...




Ich muss schon zugeben, wäre ich an ihrer Stelle, wäre ich wie Alyssa...Ich würde Travis auch anstarren 😍

Und selbst wenn Josh es sich nicht eingestehen würde, er findet es sicherlich toll, dass Travis sich gut mit seiner Familie versteht. Die beiden sind ein großartiges Team 😍

Possessive [manxman] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt