Kapitel 33 - Wald (1)

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"Kannst du das mal halten?", Ruth drückte mir eine Flasche Absolut Wodka in die Hand.
"Wir brauchen noch Chips!", meinte Lynn und stürmte auch schon zum Regal mit dem Knabberzeug. Jordan schmiss heute Abend eine Party und wir halfen Ruth und ihm mit den Vorbereitungen.
Bevor wir zur Kasse gingen, ging Ruth im Kopf alles durch:
"Okay, wir haben einen ganzen Haufen Alkohol, Jordan hat auch schon was gekauft und einige Leute werden sich noch etwas mitbringen, wir haben Unmengen an Chips und Salzstangen, Gras besorgt Kyle und -"
"Gras?!", viel Lynn ihr ins Wort.
Ruth verdrehte die Augen.
"Dass Kyle kifft, ist ja wohl kein Geheimnis und er ist nicht der einzige an unserer Schule."

Als ich aus dem Neubau herauskam und auf Kyles Chevrolet zusteuerte sah ich, wie er sich einen Joint anzündete. Ne oder? Ich klopfte an die Scheibe und er zucke zusammen. Dann deutete er mir einzusteigen. Ich überlegte. Es ist sein Leben Kaylee, zick jetzt nicht rum. Also entschied ich mich dazu, einzusteigen.
"Rauchst du das Zeug öfter?", fragte ich.
"Nicht ZU oft, falls du das meinst.", antwortete er und nahm einen tiefen Zug.

Das war das erste Mal gewesen, als ich gesehen hatte, wie Kyle kiffte. Das zweite Mal dann auf der Beachparty.
Die Beachparty. Oh mein Gott. Ich hatte Kyles Pulli noch immer, doch er roch längst nicht mehr nach ihm.
Er besorgte Gras. Dann konnte ich ihm ja den ganze Abend beim Kiffen zugucken. Ganz toll. Klasse.
Wir gingen zur Kasse. Ruth schmiss noch ein paar Zigarettenpackungen aufs Band und Carrie stellte sich nach vorne, um zu bezahlen. Sie sah am erwachsensten von uns allen aus.
Die Kassiererin musterte uns kritisch, fragte aber nicht nach unserem Ausweis. Wahrscheinlich hatte sie einfach keinen Bock auf ihren Job. Als wir bezahlt hatten, schmissen wir alles wieder in den Korb und schoben ihn zu Carries Auto. Als wir alles eingeladen hatten, setzten wir uns ins Auto und fuhren Richtung Jordans Ferienhaus. Seinen Eltern gehörte ein Haus mitten im Wald und dieses war perfekt für eine Party - Keine nervigen Nachbaren würden sich über Krach beschweren.
Schweigend fuhren wir in das Waldstück hinein. Alex würde heute Abend auch kommen. Carrie tat so, als würde es ihr nichts aus machen, doch wir wussten, dass es anders war. Ich persönlich fand es schade, wenn die beiden sich trennen würden. Ich hoffte nur, Carrie würde sich nicht aus Frust an irgendeinen Typen ranmachen. Dann wäre die Sache gelaufen.
Schließlich kamen wir an dem Häuschen an. Ich sah Kyle, Ben und Julien, die vor der Tür standen und eine rauchten. Wieso musste Kyle nur so unglaublich gut aussehen, wenn er dies tat?
Als die Jungs uns sahen, machten sie ihre Zigaretten aus und kamen auf uns zu, um uns beim Auspacken zu helfen. Julien und Ben trugen gemeinsam die Getränke und Kyle nahm den ganzen Naschkram und die Zigaretten. Ich trottete den anderen hinterher Richtung Haus.
"Kaylee? Kannst du meine Kippen mit rein nehmen? Liegen auf dem Fensterbrett.", bat Kyle mich.
"Klar.", versuchte ich möglichst locker zu antworten und biss mir auf die Lippe.
Dann betrat auch ich das kleine Haus. Die Wände und Böden waren aus Holz, ein Kamin erhellte den Raum und vor ihm standen zwei lange rote Sofas. Daneben ein paar dazu passende Sessel.
Auf dem großem Esstisch standen bereits Flaschen und Schüsseln. Eine schmale Treppe führte nach oben. Jordan hatte einen Zettel mit einem Pfeil an die Wand geklebt, auf dem 'Klo' stand.
Ich drückte Kyle die Zigaretten in die Hand, als er den Naschkram abgestellt hatte. Dankend nahm er sie und seine Hand berührte meine einen Moment zu lang. Er sah mich aus seinen azurblauen Augen an und lächelte dieses undefinierbare Lächeln. Irgendwas in seinem Blick sagte mir, dass es noch nicht zu spät war. Und deswegen musste ich mich jetzt zusammenreißen. Ich musste ihm zeigen, dass er genauso wenig ohne mich konnte, wie ich ohne ihn.
Ich riss mich von seinem Blick los und holte meinen Rucksack aus dem Auto. Dann lief ich die Treppe hoch und folgte dem Klang von Lynns Stimme. Ich kam in ein kleines Schlafzimmer mit Doppelbett, auf dem Lynn saß und telefonierte. Sie bemerkte mich nicht.
"Ja ich fand die Nacht auch schön. Nein es ist alles okay, ich habe keine Schmerzen, mir geht es gut. Mason mach dir nicht solche Gedanken, du warst vorsichtig und es war wunderschön.", sie lachte, "Ja, ich liebe dich auch.", fuhr sie fort.
"Was zum.", entfuhr es mir. Lynn zuckte erschrocken zusammen. Hatte ich das gerade richtig interpretiert?!
"Mason, ich ruf zurück ja? Bis nachher.", Sie ließ ihr Handy in ihre Hosentasche gleiten.
"Setz dich Kaylee.", meinte sie. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, doch ich tat, was sie sagte.
"Wie viel hast du mitgehört?"
"Genug.", antwortete ich ihr. Sie schwieg. Wahrscheinlich dachte sie, ich wäre sauer auf sie, aber was hatte ich für einen Grund? Klar, er war mein Bruder, aber die beiden waren ein Paar. Und Paare wurden halt irgendwann intim miteinander. Mich beschäftigte nur eine Frage.
"Aber ich dachte, du bist total gegen Sex in unserem Alter. Gerade dir war deine Jungfräulichkeit doch so wichtig."
"Ja schon", murmelte sie, "aber ich war nicht generell gegen Sex. Nur dagegen, dass man es mit irgendwem tut. Und bei Mason hab ich einfach das Gefühl, dass er der richtige dafür ist. Er war so fürsorglich und-"
"Lynn! Bitte keine Details über den Sex mit meinen Bruder.", ich musste lachen und sie stimmte mit ein. Ich konnte es immer noch nicht so wirklich fassen. Lynn, die Nonne, hatte Sex.
"Na toll, dann bin ich ja die einzige Jungfrau von uns.", meinte ich. Lynn lachte und dieses Mal stimmte ich mit ein. Es war ein komisches Gefühl. Vor ungefähr einem halben Jahr, war Ruth die einzige von uns gewesen, die schon so weit mit Jungs war. Und nun war ich die einzige, die wie eine Nonne dastand. Wenn Kyle und ich noch zusammen wären, wäre das dann möglicherweise anders?
Ich schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Nicht an ihn denken.
"Kaylee? Bitte sag es Ruth und Carrie erstmal nicht, sie würden mich nur damit aufziehen.", ich nickte bloß. Ich stellte meine Rucksack nebens Bett und zog meine Sachen aus. Es war ungefähr um 6 und in einer Stunde rechnete wir mit den ersten Gästen.
"Oh man, ich würde für deine Figur töten.", seufzte Lynn plötzlich. Ich sah an mir herab. So toll war der Anblick jetzt nicht.
"Du bist doch viel schlanker.", antwortete ich ihr, während ich den alten Pulli, den ich zuvor getragen hatte, in die Ecke feuerte.
"Du bist genauso dünn wie ich. Nur hast du im Gegensatz zu mir Taille und nen Hintern. Ich hab ne Figur wie ein Baumstamm und Brüste hab ich auch nicht." Ich lachte.
"Lynn, du bist gut so wie du bist." sie lächelte.
Ich kramte ein süßes weißes Kleid aus meinem Rucksack und streifte es über. Es war bis hin zur Taille eng geschnitten und wurde dann weiter. Es ging mir bis über die Oberschenkel und die Ärmel waren dreiviertellang.  Dazu kombininierte ich weiße Overknees.
Ich öffnete meinen Pferdeschwanz, so dass mir meine Haare, die ich heute morgen gelockt hatte, ins Gesicht fielen. Als letztes trug ich einen rötlich schimmernden Lippenstift auf. Lynn war währenddessen in eine enge Jeans und ein schwarzes Schößchentop geschlüpft. Ihre Haare ließ sie glatt über ihre Schultern fallen. Ich sah aus dem Fenster. Einige Autos standen schon vor dem Haus und Jungen und Mädchen aus unserer Schule kamen herein. Ich erkannte Hunter von Weitem. Er trug einen weinroten Pulli und darüber einen grauen Mantel. 
Auf einen lustigen Abend, Kyle.

Kiss Me Softly (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt