Da stand ich also. Mitten in der Menge. Angestarrt von Kyle und mittlerweile auch den anderen Jungs.
Es kam mir vor wie ein schrecklicher Alptraum, doch es war die grausame Realität. Alles war wie in Zeitlupe. Die Stimmen um mich herum drangen nicht zu mir durch.
Kyle machte einen Schritt auf mich zu und da kam langsam wieder Leben in meinen Körper. Ich drehte mich um und rannte.
Und alle konnten mich sehen. Doch das war mir egal, sollten sie doch reden oder mich auslachen.
Ich steuerte auf das Schulgebäude zu und stürmte an dem Lehrer, der aufpasste, dass keiner vor dem Klingeln hereinkam, vorbei. Ich lief zum Mädchenklo und sperrte mich in einer Kabine ein. Ich setzte mich auf den Klodeckel und versuchte ruhig zu atmen.
Nicht weinen. Bloß nicht weinen.
Kyle hatte ein anderes Mädchen. Er hatte ein anderes Mädchen.
Ich griff mir in die Haare und versuchte erneut meine Atmung zu normalisieren.
Er hat mir gesagt, dass er mich liebt, dass ich ihn glücklich mache.
Wie konnte er das so einfach wegwerfen? War ich nichts weiter als ein Spiel für ihn gewesen? Ein Zeitvertreib?
Ich erinnerte mich an Layla's Worte.
"Okay Kaylee hör zu. Egal was passiert, lass dich auf gar keinen Fall mit ihm ein. Er ist als Kumpel wirklich top , aber in einer Beziehung... Er würde dir dein kleines Herzchen zerreißen."
Ich hätte auf sie hören sollen. Niemals hätte ich diese Gefühle zulassen dürfen.
Kyle und ich waren als Kinder befreundet gewesen und hatten nun so viel durchgemacht, wie konnte er so kaltherzig sein? Wie egal war ich ihm?
"Kaylee? Bist du hier drin?", hörte ich Ruth. Ich antwortete nicht.
"Kaylee, ich weiß dass du hier bist. Ich kann deine Füße sehen." Mit einem Stöhnen öffnete ich die Tür und ging zum Spiegel. Ich stützte mich am Waschbecken und sah in meine eigenen leeren Augen.
"Er hat keine Freundin oder so. Es war nur... Rummachen.", versuchte Ruth mich zu beruhigen, doch das brachte das Fass zum Überlaufen.
"Das macht es nicht besser, verdammte Scheiße!, schrie ich , "Fakt ist, dass er sofort jemanden gefunden hat. Wenn er mich jemals geliebt hätte, würde er nicht mit einer anderen rummachen! Und ich habe mir die Schuld für unsere Trennung gegeben! Dabei hat er mich nach Strich und Faden VERARSCHT!", fuhr ich fort.
"Kyle liebt dich Kaylee, das weiß ich."
"Hör auf, ich will das nicht hören! Sieh es ein! Es gibt nicht für jeden ein Happy-End! Versuch nicht mir unnötig Hoffnungen zu machen! Da ist keine Hoffnung mehr!" Ich hatte es nicht gemerkt, doch die Tränen strömten über mein Gesicht. Ruth sagte nichts mehr. Sie nahm mich einfach in den Arm und ich schluchzte ihren Pulli voll.
Nach einer Weile ließ sie von mir ab.
"Übrigens: Es geht schon das Gerücht rum, dass du magersüchtig geworden bist.", Ruth grinste. Ich verdrehte nur die Augen.
"Die Leute sollen sich mal ein eigenes Leben suchen und mit ihren Spekulationen aufhören."
"Komm, du kannst es ihnen nicht verübeln. Du hast in 1 1/2 Wochen bestimmt 5 Kilo abgenommen. Süße, du siehst scheiße."
Ist das schön, wenn man eine beste Freundin hat, die einen aufmuntert.
Ha
Ha
Ha.
Einen Moment später klingelte es. Ich richtete meine Haare und verließ gemeinsam mit Ruth das Mädchenklo. Die Schüler stürmten in die Klassenräume und auch Ruth und ich schlossen uns ihnen erhobenen Hauptes an, wissend, dass Kyle jetzt den selben Kurs hatte, wie wir.
Ich war wütend. So wütend. Ich würde mir nicht anmerken lassen, wie verletzt ich war.
Als wir den Raum betraten, sah ich mich nicht um. Sonst würde er noch denken, ich suchte nach ihm. Ruth und ich huschten auf unsere Plätze und unterhielten uns ganz normal, bis Mr Dorsen den Raum betrat.
"Ich würde Sie nun bitten, die Gespräche zu beenden. Wir wollen mit dem Unterricht beginnen.", er zupfte sein Hemd zurecht und fuhr dann fort , "Wir wollen heute mit einem neuem Buch beginnen. Ihr wisst ja, dass ich einen Kasten ausgehängt habe, in dem ihr Vorschläge werfen könnt, bzw in welchem Genre ihr gerne lesen würdet. Allerdings waren die Ergebnisse ein wenig anders, als ich erwartet hatte. Ich weiß nicht genau wer es war, doch ich tippe stark auf die weibliche Fraktion: Wir werden weder Fifty Shades Of Grey, noch Rush Of Love lesen, verstanden? Lest das in eurer Freizeit, wir sind ein anständiger Literaturkurs."
Ein paar Mädchen in den letzten Reihen stöhnten auf.
"Nun habe ich gesehen, dass sehr viele den Wunsch nach einer Liebesgeschichte haben und so habe ich uns eine herausgesucht."
"Bullshit.", hörte ich Kyle leise murmeln. Das kannst du laut sagen.
"Ich rede über Trees, von Joanne C.K. McLain. Es ist ziemlich unbekannt."
(Buch sowie Autorin sind frei erfunden)
"Stop. Das Buch heißt Bäume?!", auch das kam von Kyle. Die Klasse lachte.
"Freut mich, dass Sie das alle so witzig finden." Mr Dorsen war sichtlich genervt.
"Idiot.", murmelte ich. Ich dachte ich wäre leise gewesen, doch Mr Dorsen sagte: "Freut mich, dass wenigstens eine Person im Raum genauso empfindet, wie ich." Ich schluckte. Ups.
Vorsichtig warf ich einen Blick zu Kyle. Sein Kiefer war angespannt und er blickte stur geradeaus. Es tat so weh, ihn anzusehen. Warum konnte ich meine Gefühle nicht einfach abschalten? Einfach Klick und das wars?
"Mr Harvey, würden sie uns bitte den Prolog vorlesen?" Jim Harvey, ein kleiner Typ mit Afro und Hornbrille räusperte sich.
"Liebe. Liebe? Was ist das schon? Ein Hauch von Nichts. Eine chemische Reaktion. Nichts weiter als verwirrte Hormone.
Sie ist eine Illusion, ja man könnte fast sagen, ein Mythos. Es gibt sie nur in unseren Köpfen. Sie ist nicht real existent. Sie ist erfunden, reines Wunschdenken.
Ich verabscheue diese Menschen, die glauben, jeder hat ein Gegenstück. Eine zweite Hälfte. Eine einzig wahre Liebe.
Das waren meine Ansichten, wenn mich jemand nach Liebe fragte.
Vielleicht ist es deshalb so furchtbar unfair, dass gerade ich mein Gegenstück fand. Meine Ansichten haben sich geändert.
Dies ist meine Geschichte."
"Dankeschön, Mr Harvey.", unterbrach Mr Dorsen, "Bevor wir weiterlesen möchte ich sie fragen, was für einen Eindruck der Ich-Erzähler auf Sie macht. Wir gehen der Reihe nach. Ms Tiffany bitte fangen sie doch an."
Und so laberten alle irgendetwas von wegen er war ja so ein Miesepeter und dann hat er eine Freundin gefunden und er hat nicht an Liebe geglaubt und jetzt hat er sie gefunden und die ganz Schlauen waren der Meinung, schon die Botschaft des ganzen Buches herausgefunden haben und die da sei, dass der Hauptprotagonist nicht an Karma glaubt. Jetzt ganz ehrlich: Wieso?!
Schließlich kamen wir bei Kyle an.
"Er wirkt verbittert. Er hat den Fehler gemacht, jemanden an sich heranzulassen, an Liebe zu glauben. Ich gehe davon aus, dass das für ihn in einem Scherbenhaufen endet. Er wird Höhen und Tiefen erleben und schließlich auf seinem Verlust sitzen bleiben." Ich schluckte.
Irgendeine Tussi argumentierte, dass das reine Spekulation sei und Kyle konterte, dass es immer so endete und da schluckte ich wieder.
Kyle schwieg den Rest der Stunde und auch ich sagte nichts. Die anderen diskutierten über den Ich-Erzähler, doch ich blendete sie alle aus. Ich konnte nur Kyle ansehen. Er war so vollkommen und so perfekt und so ein verdammtes Arschloch. Vielleicht stimmte es ja. Vielleicht war Liebe wirklich nur eine chemische Reaktion und das Experiment Kaylee und Kyle ist einfach mal gewaltig schiefgelaufen.
"Starr ihn nicht an.", flüsterte mir Ruth nach einer Weile zu und ab da nahm ich den Blick keine Sekunde lang mehr von der Tafel.______________________
Es ist sehr kurz geraten , tut mir leid, aber ich wollte den Cut einfach dort machen . Tut mir leid 🙈❤️
-nimmerlandstraum
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Kiss Me Softly (abgeschlossen)
Teen FictionKleine Vorwarnung: Ich bin ein 99er Kind und habe die Story mit 14 geschrieben, ich denke, ihr wisst, was ich damit sagen will. Ranking: #1 in Jugendliteratur/Teen #1 in Teenlove »Es war verdammt schwer, dich zu lieben.« Fünf Jahre ist es her...