Kapitel 35 - Knutschfleck

18.9K 707 16
                                    

Ein lautes Poltern weckte mich unsanft. Ich befand mich noch immer in Kyles Armen. Ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.
Kyle.
Ich versuchte in der Dunkelheit einen Blick auf die Wanduhr zu erhaschen, doch es war zwecklos.
Ich seufzte, atmete Kyles Duft noch einmal ein und entzog mich dann ganz vorsichtig seiner Umarmung. Ich wollte nicht, dass er aufwachte. Schlafend sah er so zufrieden aus. So unbeschwert.
Ich kramte mein Handy aus den Tiefen meines Rucksacks und entsperrte das Display. Es war ungefähr um fünf und die Party da unten schien immer noch zu laufen. Mein Verdacht bestätigte sich, als ich aus dem Fenster sah und immer noch ziemlich viele Leute um das Feuer herumsaßen. Hatten die alle nicht langsam die Fresse voll?
Eigentlich hatte ich vor, wieder zurück in Kyles Arme zu kriechen, jedoch hielt meine schwache Blase mich davon ab. Oh Schande über sie.
Ich wollte gerade die Tür aufschließen, als mir einfiel, dass ich nichts anhatte, bis auf meine Unterwäsche. Suchend blickte ich mich im Raum um, konnte aber nichts erkennen. Also hockte ich mich hin und tastete auf dem Boden herum. Schließlich fühlte ich Stoff und erhob mich mit meinem Fund.
Ich enttüdelte es mühsam und streifte es über. Sofort war mir klar, dass es sich um Kyles Pulli handelte. Diesen Geruch würde ich immer wieder erkennen.
Leise schloss ich die Tür auf und betrat den dunklen Flur. Ich bog nach links in Richtung Toilette.
"Kaylee! Hab mich schon gewundert wo du steckst!", rief Lynn mich. Ich zuckte zusammen und drehte mich zu ihr. Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn aber wieder und musterte mich von oben bis unten. Ihr Blick blieb erst an Kyles Pulli haften und dann irgendwo unter meinem Hals. Lynn zog eine Augenbraue hoch und ihre Lippen bildeten ein schiefes Grinsen.
"Schicke Dinger hast du dir da eingefangen." Verwirrt sah ich sie an.
"Schau mal in den Spiegel."
Ich tat, was sie sagte und öffnete die Badezimmertür. Dann wagte ich einen Blick in den Spiegel.
Meine Wimperntusche war ein wenig verlaufen, die Wangen gerötet und meine Lippen geschwollen. Die Haare klebten zerzaust in meinem Nacken, doch dies alles hielt meinen Blick nicht gefangen. Es waren meine Schlüsselbeine, die ich nicht aufhören konnte anzustarren.
Sie waren übersät mit vielen kleinen rötlichen und lilanen Blutergüssen. Kyle hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
Eine typische Reaktion meinerseits wäre es jetzt gewesen, rot zu werden und mich vor Verlegenheit zu räuspern, doch ich überraschte mich selber. Nichts davon geschah, stattdessen entfuhr mir ein leises Kichern und ich schlug glücklich die Hand vor den Mund. Dann tastete ich mit der Hand vorsichtig nach dem kleinen Flecken.
So nah wie Kyle, war mir noch nie jemand gewesen. Lynn lehnte mittlerweile am Türrahmen und hatte mich die ganze Zeit grinsend beobachtet.
"Ihr könnt einfach nicht die Finger voneinander lassen, oder?"
Ich biss mir auf die Unterlippe.
"Ich freu mich für dich, das tu ich wirklich. Aber... Ihr tut damit so vielen Menschen weh. Kyle ist mit Layla zusammen und warum ist Hunter hier gewesen und hat den ganzen Abend nach dir gesucht? Ihr könnt nicht einfach Menschen ausnutzen, um euch Ablenkung zu verschaffen.", sie senkte den Blick, erwartete wohl, dass ich sauer werden würde, aber nichts konnte meine Stimmung jetzt trüben.
"Ich weiß Lynn, du hast recht. Das ist nicht in Ordnung und es ist Schluss damit. Niemand wird mehr ausgenutzt. Ab morgen herrschen klare Verhältnisse.", ich lächelte sie an und schloss sie in eine Umarmung. Sie schien ein wenig überrascht, erwiderte sie dann aber kichernd.
"Du Lynn?"
"Mhm?"
"Ich weiß, wir wollten eigentlich in einem Zimmer schlafen, aber..."
"Schon klar, ich weiß schon.", entschuldigend sah ich sie an.
"Guck nicht wie ein Welpe, ich schlaf in nem anderem Raum. Das Haus ist ja nicht so klein."
Erneut zog ich sie in eine Umarmung.
"Ich bräuchte nur fix meine Sachen.", fügte sie hinzu.
Ich nickte.
"Aber erstmal muss ich dringend aufs Klo.", meinte ich, woraufhin Lynn lachte.
Als ich meine Blase entleert hatte, gingen wir zu dem kleinen Schlafzimmer und ich öffnete die Tür vorsichtig einen Spalt.
Kyle lag immer noch im Bett, die Decke bis zum Hals. Ich hörte, wie er ruhig ein und aus atmete.
Mit Hilfe des Lichtstrahls, der aus dem Flur ins Zimmer drang, holte ich Lynns Rucksack und gab ihn ihr.
Ich murmelte ihr ein "Gute Nacht" zu, welches sie erwiderte und schloss dann die Tür. Ich drehte den Schlüssel nach rechts. Ich hatte wirklich keine Lust, dass irgendwer hereinplatzte. Ich ließ meine Augen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen, bevor ich auf das Bett zusteuerte. Ohne ein Geräusch zu machen, kroch ich unter die Bettdecke und überlegte, wie ich jetzt am besten wieder in Kyles Arme kam, ohne ihn zu wecken.
Vorsichtig hob ich seinen Arm an und schob mich darunter, mit dem Rücken zu ihm gedreht. Ich nahm seine Hand und verschränkte sie vor meiner Brust mit meiner. Kyle rückte im Schlaf näher an mich heran und einen Moment später spürte ich seinen warmen Atem in meinem Nacken. Ich lächelte, drückte einem Kuss auf seinen Handrücken und schloss die Augen.

Kiss Me Softly (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt