Ich lief über den sandigen Weg im Park. Vor vier Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen, nachdem ich zwei einhalb Wochen dort verbracht hatte. Mein Hausarzt gestern erzählte mir, dass ich zwar kein Sport machen darf, aber einfach mal spazieren gehen sollte. Es würde bei meiner Regeneration helfen.
Ich schaute immer mal wieder rechts und dann links in den Wald. Auf einmal sah ich einen alten Mann mit einem Mädchen auf dem Waldboden sitzen. Dabei saß das Mädel auf seinem Schoß. Mein Blick blieb bei den beiden die ganze Zeit hängen.
Was machen die den da?
Die Situation war komisch.
Ach was soll denn sein?, sagte ich mir selber und lief einfach weiter.
Einen letzten Blick wagte ich noch und sah etwas Blut am Waldrand. Dann schaute ich nochmal zu den beiden und sah, dass das Mädchen augenscheinlich verletzt war.
Vielleicht ist es ein Verbrechen! Ach Quatsch, das wird schon nichts sein!
Nach langem überlegen beschloss ich einfach weiterzugehen. Ich guckte auf den Boden und dachte weiter nach. Beim schweifen des Blickes über den Boden, sah ich weitere Blutstropfen. Ich wurde aufmerksam und lief schneller diesen hinterher, wie bei einer Schnitzeljagd. Ich merkte wie ich zu schnell wurde und mein Herz anfing wieder stark zu pochen und weh zu tun. Ich ignorierte es, schließlich musste ich wissen wo dieses Blut herkommt. Schlussendlich kam ich an einer alten braunen Bank an. Es lag eine zersplitterte Glasflasche auf dem Boden. Drum herum sah meine eine kleine Blutlaiche. Ich guckte mich bei den vermutlichen "Tatort" um und erkannte weitere Plastikflaschen und einen Trolli, die die älteren Leute meistens besitzen. Immer mehr beschlich mich ein ungutes Gefühl.
Was ist wenn was bei den beiden vorgefallen ist? Oder er das Mädchen entführt hat?
Ich lief einfach schnell weiter. Ich joggte den Weg entlang, denn wenn was passiert wäre, wäre bestimmt die Polizei schon unterwegs.
"Alicia!", schrie eine Frau.
Ich reagierte und rannte los. Immer den Stimmen hinterher.
Scheiße. Nicht jetzt.
Mein Herz raste und schmerzte als würde es jemand rausreißen. Meine Lungen nahmen kaum noch Luft auf. Ich rannte aber weiter. Ich musste den Leuten sagen, was ich dort hinten sah. Auch wenn es das Letzte ist was ich tue. Ich erblickte einen Hund, der was suchte und dann stehen blieb als hätte er etwas gefunden. Er blickte zu mir. Er hatte mich gefunden. Wenige Sekunden später sah ich eine Frau aufblitzen, die eine Leine in der Hand hielt und dann Polizisten und Leute vom Rettungsdienst. Die Frau kam auf mich zu. Ich hörte nicht auf zu rennen. Dies erwies sich aber als schlechte Idee, denn meine Lunge kollabierte fast und schwarze Punkte kamen näher. Meine Hand wanderte zu meiner linken Brust.
Gleich bist du da.
Die Polizei kam angerannt als sie mich sahen.
"Geht es Ihnen gut? Und wie heißen Sie?", rief einer als er nur noch mehrere Meter von mir entfernt war.
"Ich... ich... Nele."
Ich zog scharf die Luft ein. Ich hatte es zu weit getrieben. Mein Herz war noch nicht bereit für so einen Sprint. Mein Sichtfeld wurde kleiner und ich sackte zusammen.
"Sanis!", hörte ich den Polizisten noch rufen, bevor er mich auffing.
Er legte mich auf den Boden. Ich schwankte zwischen Ohnmacht und Bewusstsein. Schritte kamen näher und zwei Personen in strahlend gelben Klamotten kamen näher.
"Schon bei uns bleiben!", rief der Eine und kniete sich neben mich.
Leichter gesagt als getan, wenn man kaum noch Luft bekommt. Immer noch hielt ich mir die Brust.
"Was ist passiert?", fragte der Mann.
Ich bekam nichts aus mir raus. Meine Luft war einfach zu knapp.
"Wie heißt sie?", fragte der Sanitäter den Polizist.
"Nele."
"Wir müssen meine Tochter weitersuchen!", schrie ein Mann im Hintergrund.
"Das werden wir auch, aber sehen sie nicht, dass es hier jemanden nicht gut geht?", sagte der Polizist.
"Braucht ihr Hilfe?", fragte der andere Polizist.
"Wir brauchen einen weiteren RTW und ein NEF.", antwortete der Sanitäter und öffnete bereits seinen Notfallrucksack.
"Ich bin Florian, kannst du mich denn verstehen?"
Ich nickte. Meine letzte Kraft sammelte ich zusammen.
"Dahinten liegen zwei!", brachte ich hervor, bevor ich meine Augen schloss vor Anstrengung.
"Hey hey, schon hier bleiben, Nele.", riss mich Florian aus der Schwärze.
"Wie dahinten liegen zwei?", fragte der Polizist.
Meine Atmung verschnellte sich immer mehr.
"Ihr könnt sie gerade nicht befragen! Ihre Sättigung ist extrem niedrig!", antwortete Florian
"Holst du bitte den RTW hier her!", wendete sich Florian an den anderen Sanitäter, der nur nickte und loslief.
Florian hatte mehrere Sachen an mir schon angeschlossen, die mir extrem bekannt vorkamen. EKG. Blutdruckmanschette. Pulsoxymeter. Zugang.
„Du hast Arrhythmien. Wo kommen die her?"
"Ich... ich hatte eine atypische Lungenentzündung und...", ich atmete tief ein, was mir extreme Schmerzen bereitete, "und eine Herzmuskelentzündung."
Reden war anstrengend, sodass ich meine Augen wieder schloss.
"Wie lange ist das her?", sagte Florian und streichelte mir die Wange.
"Seit vier Tagen bin ich wieder aus dem Krankenhaus raus.", sagte ich schläfrig.
"Das erklärt einiges.", nuschelte er vor sich hin.
"Ich bekomm so schlecht Luft und meine Brust...", brach ich ab.
"Ich weiß, deine Sättigung ist auch sehr niedrig.", er wendete sich zum Polizist, "Wie lange braucht der NEF noch?"
In den Moment hörte man Martinshörner und ich sah Blaulichter aus dem Augenwinkel. Der andere Sanitäter war auch wieder da.
"Ich werde dir eine Sauerstoffbrille aufsetzen, das sollte auch schon mal helfen."
Trotzdem ich mich kaum noch bewegte, wurde nichts besser. Mir traten Tränen in die Augen.
Was ist wenn das jetzt mein Ende ist?
Jetzt liefen mir die Tränen ununterbrochen über mein Gesicht. Florian, der gerade noch mit dem Polizist quatschte, guckte schlagartig runter. Die Geräte piepten. Er guckte mich voller Mitleid an.
"Shh. Es wird alles gut!" Er nahm meine Hand und mit der anderen strich er die Tränen weg.
"Du musst aber ruhiger atmen!"
"Ich weiß es ist schlecht, aber wo liegen welche?"
Florian wollte den Polizist grad unterbrechen als ich dazwischen ging.
"Im Wald dahinten." Ich zeigte in die Richtung, wo ich herkam.
"Ein Mann und..." Meine Stimme brach ab.
"Ein Mädchen?", fragte der Polizist.
Ich nickte.
„Blut.", brachte ich noch schnell heraus, bevor mir wieder schwarz vor Augen wurde.
"Nele! Wach bleiben!"
Ich schreckte wieder hoch und hörte das Weinen einer Frau.
"Oh mein Gott! Das ist bestimmt Alicia!", sagte diese.
Ich blickte mich um und sah weitere Personen in gelb.
"Sie sagte gerade dahinten liegen zwei Personen und irgendwas mit Blut. Ich komm so weit klar, aber ihr solltet da schnell mal hingucken, falls sie jetzt wirklich das Richtige sagt.", sagte Florian zu seinen zwei Kollegen, "Wisst ihr denn wie lange der NEF noch braucht?"
"Ist gleich da.", antwortete die Frau.
"Wir kommen gleich nochmal.", sagte der Polizist und alle liefen los.
Ich hörte weitere Martinshörner.
"Hol am besten schon mal die Trage.", sagte Florian zu dem anderen als wir drei nur noch alleine waren.
"Wird es denn langsam besser?"
"Bisschen..."
Meine Atmung war trotzdem ich versuchte runterzukommen nicht besser geworden. Sobald ich versuchte tief einzuatmen, schmerzte meine Brust. Auch hatte ich das Gefühl als würde meine Herz rausspringen.
"Was haben wir?"
Zwei weitere Personen kamen, einer darunter war Notarzt. Er kniete sich neben mich.
"Das ist Nele. Ist mit Atemnot zusammengebrochen. Hat also ein akutes A-Problem. Außerdem Arrhythmien. Sie hat angegeben, dass sie sich noch von einer Herzmuskelentzündung und einer atypischen Lungenentzündung erholt. Gibt starke Schmerzen in der Brust an. War die ganze Zeit somnolent.", gab Florian schnell wieder.
Der Mann nickte bloß. Ich beschloss wieder meine Augen zu schließen. Die Punkte waren immer noch da und ich hatte meine letzte Kraft in die Atmung gesteckt.
"Nele! Ich bin Alex der Notarzt. Schön wach bleiben.", er haute mir leicht auf die Wange. Ich öffnete meine Augen.
"Wieso hast du so eine Atemnot?"
"Ich bin gerannt.", flüsterte ich.
"Florian ziehst du das Medikament für die Erweiterung der Bronchien auf?", sagte Alex.
Alex spritzte mir etwas in den Zugang, nachdem er meine Lungen abgehört hatte.
"Ihr habt echt lange gebraucht! Ich hatte schon gedacht, dass ich hier gleich reanimieren darf.", lächelte Florian.
"Wir haben fünf Minuten gebraucht."
"Wie? Fünf Minuten? Kam mir vor wie zwanzig!", lachte er,
„Das war eine ganz schön krasse Situation."
„Ach ich liebe halt dieses Gefühl kurz vorm Sterben zu stehen.", schmunzelte ich.
Beide guckten mich fassungslos an.
„Es war ein Spaß.", lächelte ich.
"Das mit den Arrhythmien müssen wir im Krankenhaus abklären lassen. Da musst du bestimmt ne Nacht dableiben.", erklärte Alex.
Ich stöhnte auf.
"Was ist?", fragte Florian.
"Nichts gegen Krankenhäuser, aber ich liebe meine Freiheit und die habe ich erst vor vier Tagen wiedererlangt.", hauchte ich.
Meine Atmung lief immer besser.
"Das tut mir wirklich leid, aber ich denke, dass du spätestens in zwei Tagen wieder raus bist, wenn dein Herz und deine Lungen sich schnell erholen.", grinste Alex.
Gerade kamen die Polizisten wieder mit dem ganzen Suchtrupp.
"Wie geht es den beiden?", fragte ich leise.
"Es geht beiden gut. Jedenfalls haben sie uns nicht so einen Schrecken eingejagt wie du. Wie geht es dir eigentlich?", antwortete der Polizist.
Ich fuhr in mir. Meine Atmung war atemberaubend ruhig und meine Brustschmerzen wurden auch wieder besser.
"Besser.", lächelte ich.Anlehnung an die Folge, die am Samstag den 23. Mai 2020 kam.
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ASDS - Short Stories (Kurzgeschichten)
FanfictionÄrzte, Notfallsanitäter und Pfleger haben einen sehr vielfältigen und abenteuerlichen Beruf. Sie wissen nie was sie erwartet, wenn sie ihre Schicht antreten. In diesem Buch lest ihr über verschiedene, unabhängige voneinander kurze Stories der Spezia...