2. „Ich habe Diabetes."

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Wir hatten in der Schule einen Erste Hilfe Kurs am laufen. Angestrengt und aufmerksam verfolgten wir den Leuten vom Rettungsdienst. Für mich war das kein wirkliches Neuland.
Piep.
Der Raum wurde still und Alex, der Notarzt hörte auf zu sprechen. Er schaute in die Runde.
„Ich war's.", rief ich.
Meine Pumpe hatte leider den Ton eines klingelndes Handy.
Alex nickte und fuhr fort. Ich holte meine Pumpe aus meiner Hosentasche und betätigte den mittig liegenden Knopf. Der hellgraue Display zeigte mir einen Wert von 14,1 mmol/l an.
„Mist.", brabbelte ich vor mir hin, „Auch noch steigend."
Langsam gab ich meine Einheiten ein, die meine Pumpe in mich schießen sollte.
Piep.
Die Pumpe war fertig.
„Wie hoch warst du denn?", fragte meine Freundin Savannah.
„Zu hoch, wenn man mal bedenkt, dass ein Wert von 4 - 7 normal ist.", lachte ich.
Der Wert ging eigentlich noch. Wenn ich mal zu wenig BE eingab nach dem Essen war ich auch schon mal bei 17 oder 18. Jedoch waren das die Ausnahmefälle.
„Irgendwie komisch.", sagte ich leise.
Ich grübelte. Meiner Meinung nach hatte ich gar nicht so viel heute Morgen gegessen und ordentlich gespritzt.
„Was?"
„Ich dürfte gar nicht so hoch sein.", ich stockte, „Ach das wird schon stimmen, wer weiß, was ich gespritzt habe vorhin."
Ich zuckte mit den Schultern.

Eine weitere Stunde verging als meine Pumpe mir wieder ein Update gab. Meine Pumpe gab mir alle zwei Stunden ein Update oder wenn ich unter die Grenze von 4,0 komme oder über 14,0. In der Nacht piept sie wirklich nur, wenn ich Überzucker oder Unterzucker habe. Trotzdem kann ich jederzeit meine Werte einsehen, wenn ich eine Taste betätigte.
„12,3. Immer noch so hoch.", nuschelte ich.
Ich spritzte nochmal eine bestimmte Einheit und konzentrierte mich wieder auf das Geschwafel von vorne.

Seit einigen Minuten fühlte ich mich komisch, fast schon unterzuckert. Ein Blick auf meine Pumpe verriet mir aber, dass ich mich wieder in Richtung der Normalwerte bewegte. Meine Hände zitterten erheblich und mir verschwomm immer wieder die Sicht vor starken Kopfschmerzen.

Nach weiteren zehn Minuten tanzten nun mehrere schwarze Punkte vor meinem Gesichtsfeld. Wieder kontrollierte ich meinen Wert. 7,6. Absolut perfekt für einen Diabetiker. Doch langsam beschlich mich ein Gefühl von Unsicherheit. Was ist, wenn meine Pumpe defekt ist. Meine Körper zitterte, mein Kopf brummte und ich schwitzte als würde ich gerade vom Sport kommen.
„Irgendwie ist mir komisch.", flüsterte ich.
„Du bist auch echt bleich.", Savannah stockte, „Und du schwitzt extrem."
„Was hatte ich gerade gefragt?", langsam fing mir an alles zu entgleiten. Wenn ich nicht sofort Hilfe bekam würde ich wegklappen.
Savannah starrte mich fassungslos an.
„Was ist denn mit dir los?"
Ich meldete mich.
„Du brauchst dich nicht melden. Wir haben Pause."
Ich schaute verwirrt durch den Raum. Es waren viele gegangen, auch zwei Sanitäter waren irgendwo hin. Waren wir wirklich so abgelenkt, dass wir nicht mal mitbekamen, dass die Pause gestartet hatte.
„Ähh, könnte einer von Ihnen mal kurz kommen?", ich wurde richtig nervös, fast schon ängstlich.
„Na klar."
Ich versuchte noch ein letztes Mal meine Pumpe zu drücken, aber nicht mal das schaffte ich.
„Was hast du denn?", fragte mich Alex.
„Ich bin mir ziemlich unsicher, aber... aber ich fühle mich irgendwie komisch."
„Ach du scheiße. Du bist kreidebleich und du schwitzt total."
Er nahm mein Handgelenk und fühlte meinen Puls.
„Flo, schickst du bitte alle raus und kommst dann."
Alex drehte sich wieder zu mir.
„Du bist viel zu schnell.", er dachte nach, „Du hast doch Diabetes, oder?"
„Ich habe Diabetes.", brachte ich nur hervor.
Ich merkte wie ich immer weiter wegtrat. Meine Augenlider wurden so schwer. Alles war wie durch Watte.
„Pressley, guck mich an. Du musst schön bei mir bleiben."
Alex schlug mir auf die Wange.
„Bring einen Notfallrucksack mit!", befiel Alex.
„Ich glaube ich bin ein bisschen unterzuckert."
„Ich glaube auch. Wo ist deine Pumpe? Und deine anderen Utensilien?"
Alle hatten den Raum verlassen, außer die beiden und meine Freundin.
„Hier irgendwo."
Ich fummelte an meiner Hose herum.
„Sie gefällt mir gar nicht.", stieß Alex hervor.
„Weißt du, wo die restlichen Sachen liegen?", wendete Flo sich, an Savannah, währenddessen Alex mich mit irgendwelchen unnötigen Fragen durchlöcherte.
Still schweigend gab sie meine rosa farbende Tasche an Flo weiter.
„Das ist meine... meine Tasche."
„Flo, helf mit bitte schnell. Ich will sie auf den Boden legen."
„Warum denn das?", fragte ich schockiert.
Flo griff mir unter die Arme, genauso wie Alex und sie hoben mich vom Stuhl, auf dem Boden. Ich ließ meinen pochernden Kopf auf etwas weiches Fallen.
„Ist das meine Jacke?", fragte ich nervös.
„Nein, das ist eine von uns.", beantwortete Alex hektisch meine Frage.
„Dann kann ich da nicht drauf liegen."
Ich erhob mich.
„Du bleibst liegen."
Mir schwirrten die schlimmsten Sachen durch den Kopf. Auf einmal war ich vor allem ängstlich.
Beide fummelten an mir herum. Irgend so ein Pulsmesser an meinem Finger und eine Blutdruckmanschette an meinem Arm.
„Jetzt pikst es kurz.", sagte Flo.
Alex inspizierte währenddessen meine Pumpe.
„Deine Werte sind laut Pumpe aber gut."
„Komisch, mhh?"
„Sehr komisch."
„0,7 mmol/l", brachte Flo geschockt hervor.
„Ein bisschen niedrig."
Meine Augen schlossen sich, nach dieser Aussage, wieder. Es war so anstrengend gewesen die Augen aufzuhalten.
„Schön hierbleiben."
Alex klopfte mir wieder gegen die Wange.
„Hast du hier ein süßes Getränk?"
„Sie hat was im Spind.", mischte sich Savannah ein.
„Würdest du das schnell holen gehen?"
Savannah stand auf.
„Dein Pin war 781502, richtig?"
„Kann sein."
Trotz meiner ungenauen Antwort rannte sie los. So ein komisches Gefühl hatte ich echt noch nie. Wie in Watte und total hilflos. Nicht Heer seines eigenen Körpers.
„Wie konnte das so weit kommen?", fragte Alex, um mich wach zu halten.
„Sehr gute Frage.", ich dachte angestrengt nach, „Die Pumpe zeigte mir einen Wert von 14,1 an. Also habe ich Insulin gespritzt und dann wurde es nicht besser, also nochmal gespritzt."
„Ich glaube der Messer ist kaputt. Wo sitzt der?"
„Am Rücken.", ich korrigierte mich, „Arsch - Rücken."
Alex drehte mich und sah ihn dann aufblitzen.
„Den werde ich gleich wechseln."
Savannah stürmte in den Raum mit einem Tetrapäkchen Orangensaft. Alex nahm ihr es ab und steckte den Strohhalm rein und half mir was zu trinken. Alex zwang mich alles auszutrinken. Ein mulmiges Gefühl durchstieß meinen Magen.
„Mir ist ein bisschen übel."
Flo hielt mir schnell eine Tüte hin und schon übergab ich den ganzen Orangensaft wieder.
„Scheiße, dann müssen wir spritzen."
„Nein, das können wir nicht machen.", sagte ich ängstlich.
Keine Spritzen.
„NEIN!", ich schrie, „Keine Spritzen!"
„Guck mich an. Das müssen wir machen, sonst bist du gleich weg, dass du überhaupt noch anwesend bist, ist ein Wunder.", wollte mich Alex beruhigen.
Ich verspürte einen kleinen Stich am Bauch und dann war es auch schon wieder vorbei.
„Schon ist es vorbei. Jetzt bleibst du noch schon wach bis die Glucose wirkt."
Komischerweise fing ich noch mehr an zu zittern.
„Shhh. Ganz ruhig. Jetzt wird es besser."

Keine zehn Minuten ging es mir schon wieder besser und Alex wechselte noch meinen Messer, der die Werte an meine Pumpe weitergab.

ASDS - Short Stories (Kurzgeschichten)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt