10. „Er kennt keine Dusche."

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Es klopfte an der Tür.
„Wer ist das denn?", redete ich mit mir selber.
Ich lief tanzend los und sah gelbe Kleidung durch die durchsichtigen Gläser der Tür.
„Hä?"
Ich machte die Tür auf und lehnte mich gegen die Tür. Ich scannte die vier Personen ein. Alle gelb - leuchtend angezogen. Sie hielten viele Utensilien in der Hand, was wahrscheinlich alles vom Rettungsdienst stammt.
„Guten Tag, meine Herren."
„Guten Tag, haben Sie uns angerufen?", fragte mich ein älterer Mann.
„Nein."
„Wie heißen Sie denn?", fragte nun ein italienischer Mann.
„Briana Marks."
„Und Sie haben uns wirklich nicht angerufen? Der Anruf ist leider abgebrochen."
„Nein, ich bin momentan alleine und mir geht es ja sichtlich gut.", ich schweifte meine Hand über meinen Körper.
„Ich sehe, dass es hier noch andere Wohnungen gibt, könnten die es gewesen sein?"
„Eigentlich nicht, Familie Brend ist nicht da und Chris auch nicht."
Ich dachte angestrengt nach.
„Warten Sie mal.", ich stockte, „Ne, echt nicht."
„Können Sie uns mal aufklären. Es geht um Leben und tot!"
„Ich habe Joachim Kanz schon länger nicht mehr gesehen."
„Wer ist das?"
„Ein alter, zorniger Mann, der in zwei kleinen Zimmern wohnt."
„Könnte es dem schlecht gehen?"
„Jo, bestimmt.", zuckte ich mit meinen Schultern.
„Können Sie..."
„Du."
„Kannst du uns den Weg zu ihm zeigen?"
„Klar."
Ich schlüpfte in meine Schuhe, ging raus und schloss die Tür.
„Hier entlang."
„Ich hoffe Sie haben starke Nerven."
„Warum?", fragte der Eine geschockt.
„Er riecht widerlich. Sorry, für meine Wortwahl, aber das ist nur die Wahrheit."
„Was heißt widerlich?"
„Er kennt keine Dusche.", ich stockte kurz und fuhr dann fort, „Ich werde auch nicht mit in die Wohnung gehen, wenn man es überhaupt so nennen kann."
„Warum nicht?"
„Er hasst Kinder. Und wenn ich sage hasse, dann meine ich das auch wortwörtlich so. Was wir als Kinder schon einstecken mussten. Zu schlimm. Ob ich zu dick bin, die Kinder zu laut spielen, sie alles kaputt machen oder nicht erzogen sind."
„Genau die richtige Sorte."
„Die Kleinen haben sich eine Zeit lang nicht mal raus getraut, wenn er draußen war."
Wir durchtraten eine Tür, die uns zu einem Flur führte, der zwei Türen hatte.
„Ui, der Geruch ist ja schrecklich."
„Das geht noch."
Ich war es gewohnt. Jedesmal wenn ich zu meinen Nachbarn gehe, rieche ich diesen Geruch.
„Da sollten Sie klopfen."
Ich zeigte auf eine klapprige, alte Holztür.
Der ältere Mann klopfte. Jetzt sah ich erst, dass er die Aufschrift ‚Notarzt' trug.
Keiner ging ran.
„Hat er irgendwelche Vorerkrankungen?"
„Boah, Diabetis Typ 1, glaub ich. Er spritzt sich aber nicht selber. Da kommt so eine Tante her, also so eine Schwester."
„Ok, hatte er schon mal irgendein gesundheitlichen Vorfall?"
„Zuckerschock, vor ca. einem Jahr. War aber nicht dabei."
„Dustin, kannst du die Tür auftreten?"
„Dann gibt es wenigstens mal einen Grund die ranzige Tür auszutauschen."
„Hat er noch irgendwelche Erkrankungen?"
„Nicht dass ich wüsste. Aber schwatze auch nicht so oft mit ihm."
Dustin nickte währenddessen und trat die Tür ein. Ein schwallartiger Geruch kam aus dem Zimmer raus. Es stank. Ich war noch nie in seinen vier Wänden. Es stank schlimmer als ich es mir hätte ausmalen können. Ich drehte mich um und rannte nach draußen. Mir war echt übel.
„Ach du scheiße.", hörte ich nur noch.
Ich setzte mich auf die neu gekaufte Bank und wartete.

„Briana? Kannst du bitte kommen?", rief jemand.
Ich stand auf und lief rein. Der Gestank war nicht mehr so stark, da sie gelüftet hatten.
„Ja?"
Ich sah das Joachim bereits wieder wach war.
„Was machst du denn hier? Du hast hier nichts zu suchen!", schrie Joachim.
„Ich habe dir dein scheiß Hintern gerettet! Ich hätte dich sterben lassen können. Also sei leise!", konterte ich zurück.
„Das wäre unterlassene Hilfeleistung!", knurrte er.
„Wäre es nicht! Ich wusste gar nicht, dass du hier drin verreckst. Erst als die Leute kamen, hatte ich die Vermutung."
Hierbei betonte ich Vermutung.
„Du!", schrie er und sprang auf.
Ich drehte mich um und wollte losrennen. Dabei lief ich direkt in die Arme des Notarztes.
„Alles gut. Versuch ruhiger zu werden."
Er hielt mich im Arm. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich total unruhig atmete.
Ein Sanitäter ergriff in der Zeit Joachim und drückte ihn zu Boden.
„Herr Kanz, Sie sollten auf die junge Dame hören. Sie hat Ihnen wirklich das Leben gerettet. Ohne sie hätten wir Sie gar nicht gefunden."
Er brummte nur.
„Briana, weißt du, ob er Versicherungskarte und Ähnliches bei sich hat? Er will uns das nicht sagen."
Er ließ mich los.
„Nein. Wie Sie sehen, sind wir keine best Buddies."

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