Parkett

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Alexander

Das schrille Klingeln der Haustür, schallt in meinen Hörgeräten, welche seit geraumer Zeit meine Ohren zierten. "Ich gehe zur Tür, bleib du bei dem Gemüse." Kurz streife ich den Oberarm meines Mannes, der konzentriert auf den dampfenden Kochtopf schaut. Mit Bedacht nehme ich mir die Sekunde, um das zucken seines Mundwinkels zu beobachten. Als die Klingel erneut schellte, nahm ich meinen Weg wieder auf. Max konnte auch so ungeduldig sein. Das hatte er definitiv von Mags.

"Hey Papa." Mein ältester Sohn hatte genau solche verwuschelten und dunkle Haare wie ich. Nur das meine mittlerweile eher grau waren als alles andere. Er hatte ungefähr meine Größe und die Augen meines Mannes. Sowohl Rafael als auch Max waren adoptiert. Mit dreiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren waren wir zum ersten mal Eltern geworden. Trotz das es nicht biologisch unsere eigenen Kinder waren, konnte man die Gemeinsamkeiten nicht mehr zählen. Während Rafael eher nach mir kam, war Max mit seinen eisblauen und schwarzen Haaren eher das charakterliche Ebenbild von Magnus. "Schön euch wieder zu sehen." Beide schenkten mir eine Umarmung. Ich drückte sie ganz fest an mich heran.

"Rieche ich da etwa eure Rouladen?" Ich konnte Max nicht mal antworten, denn schon war er im Haus. Er aß mehr als er selbst wog. Es war immer wieder faszinierend mit anzusehen, wie viel Essen er verdrücken konnte. "Ich hoffe ihr habt für ihn zwei eingeplant." Rafael legte seine Arm um meine Schulter. Ich tat es ihm gleich. Gemeinsam betraten wir unser zu Hause. "Wie geht es Rosalie?" Sie war seine Auserwählte. Die beiden waren ein Herz und eine Seele. "Sie hat sich von ihrer Erkältung gut erholt. Ich darf ihr gar nicht erzählen, das ich heute eure Rouladen esse, sie wird bestimmt neidisch sein." Auf seinen Lippen sehe ich ein kleines verliebtes Lächeln. "Wir haben für Rosalie und auch für Anni, bereits eine eingepackt." Anni, war Wiederrum die Frau von Max. "Ihr seid die Besten."

Lächelnd betreten wir die Küche, wo Rafael auch Magnus begrüßt. "Ich hoffe du hast nichts angerührt, Bruderherz. Du hast ganz bestimmt andere Stärken, nur kochen gehört nicht dazu. Eher alles zu versalzen." So erwachsen sie auch sein mochten, sobald sie hier waren, schienen sie immer unsere kleinen Jungs zu sein, die sie immer waren und auch bleiben würden. "Du bist auch nicht besser. Wer kann Bitteschön keine Milch aufkochen lassen?" Ich trat zu Magnus, der diese Konversation mit einem Lächeln beobachtete. "Das hast du auch nie hinbekommen." Die beiden lieferten sich ein Blickduell. "Ja aber es ist doch auch so unfair. Die ganze Zeit ist es so, Blickkontakt, Blickkontakt, Blickkontakt, Blickkontakt mit der Milch. Dann einmal kurz geblinzelt und schwups schon ist die weiße Flüssigkeit übergekocht." Max zwinkert seinem Bruder zu, der einfach nur grinst. "Ok, da kann ich dir nur zustimmen." Die beiden lassen ihre Handflächen aufeinander treffen.

Vatersein ist eine Liebesgeschichte die niemals endet und mittlerweile bin ich der festen Überzeugung, das die Kinder nicht von uns lernen, sondern wir von ihnen lernen sollten. Eine Familie ist der Ort wo die Liebe immer die Herrschaft haben wird. Tage, wo sich die Wäscheberge bis zur Decke stapeln und das alltägliche Chaos zur schönsten Ordnung wird, die es gibt. Manchmal vermiss ich es, wie klein sie mal waren. Aber gerade, wenn ich die beiden Männer so betrachte, bin ich einfach nur froh, das Magnus und mir die Ehre erwiesen wurde sie großzuziehen.

Ich spüre das vibrieren von dem vertrauten Körper neben mir, stumm lausche ich dem zaghaften Lachen welches aus seinem Körper erklingt. "Und bevor ihr ein Kommentar dazu abgeht sollten wir lieber das Essen vertilgen." Abwehrend heben Magnus und ich die Hände. "Wir sind ganz leise" erwidere dann ich. "Obwohl das wichtigste ja das umrühren..." bevor mein Mann, den Satz vollenden kann, ertönen die zwei Stimmen unsere Kinder. "Dad." Zu viert lachen wir. Still schicke ich ein Dankgebet empor des Himmels. Ich weiß diese Verbindung zu schätzen, welche wir immer noch als Familie hegten. In den Jahren hat sich nichts verändert.

Die beiden helfen die Töpfe mit auf den Esstisch zu tragen und dann sitzen wir auch zum Glück. Lange stehen ist irgendwann auf diesem Wege anstrengender geworden. "Wie geht es unseren Enkelkindern?" Rafael und Max waren ingesamt fünf Jahre auseinander. Davon hatte man aber nie etwas gemerkt. Wir haben von Anfang mit offenen Karten gespielt und ihnen gesagt, das sie adoptiert sind. Sie wussten, das wir sie unterstützen würden, wenn sie ihre leiblichen Eltern kennen lernen wollten. Aber dieses Bedürfnis hatten beide nicht gehabt. Sie waren Brüder und die Kinder von Magnus und mir, das hatten sie immer wieder betont. Dabei schienen sie gar nicht zu wissen, wie viel uns das bedeutete.

"Juliet, Charlotte und William geht es gut. Sie sind momentan mit alle mit ihren gemeinsamen Freunden unterwegs. Das Haus ist richtig ruhig." Rafael hat insgesamt drei Kinder. Max dagegen wollte immer nur eins. "Elaina ist ebenfalls mit gefahren. Obwohl sie mich erst umstimmen musste. Auch unsere Wohnung ist ruhig. Aber sie kommen alle am Wochenende wieder. Wollt ihr vielleicht vorbei kommen? Wir wollen bei Rafael grillen. Die Kids vermissen ihre Großväter." Magnus und ich brauchten keine fragende Blicke. Wir stimmten sofort zu.

Max verdrückte wirklich zwei Rouladen. Als es ein lautes Geröll des Himmels ertönte, trafen sich Rafael' und meine Augen. "Dad und ich gehen aufwaschen." Dankend sah ich zu meinem Jüngsten. Am Tisch drückte ich mich hoch. Die Tür zur Terrasse bot den perfekten Blick auf das mächtige Erddach. Rafe brachte uns beiden den Sessel. Er setzte sich auf die Lehne und gemeinsam sahen wir dabei zu, wie das Gewitter immer näher rückte. Genau so hatten wir es auch früher schon immer gemacht. Nur das er meistens auf meinen Schoß saß.

Ein Gewitter hat so etwas gewaltiges. Die Macht, welche dadurch erzeugt wurde, war fast schon angsteinflößend. Die Blitze hatten immer nur kurze Auftritte, bei denen man genau hinsehen musste. Auftritte die einen großen Schaden anrichten konnte. Fühlten sie sich deswegen schuldig? Waren sie tollpatschig oder schien sie sich ihrer Kraft gar nicht Bewusst zu sein? "Du bist, die Mensch gewordene Form von Geborgenheit, Papa. Genau so wie Dad." Ich sah zu meinem Ältesten auf und sah den nachdenklichen Blick, welchen er dem Donner schenkte. Eisern blickte der Himmel zurück. Ihn bedrückte etwas, dieses Wissen besaß ich und zugleich wusste ich auch, das er jetzt nicht darüber reden würde. "Dein Dad und ich haben gefühlt für einen Moment die Augen geschlossen und die kleinen Jungs die ihr mal wart, haben sich in wundervolle Männer verwandelt. Schon lange können wir euch nicht mehr auf den Arm nehmen. Aber wir tragen euch im Herzen. Ihr gebt uns so viele Gründe, stolz auf euch zu sein. Aber am allermeisten sind wir stolz, das ihr unsere Söhne seid."

Kurz drückte er meine Hand. "Danke für diese Erinnerung, Papa." Dieses mal bin ich es der seine Hand drückt. Wir schauen dem Gewitter zu, während wir über das Reden, was uns gerade in den Sinn kommt. "...wenn dein Dad eingeschnappt ist, dann hat er immer Appetit auf saure Kirschen. Ich drehe dann meistens den Deckel des Glases zu, damit er dann mit mir reden muss, wenn ich es ihm öffnen soll." Rafael lachte leise. "So etwas, was ihr habt, möchte ich im Alter auch mal."

Ein Lachen welches gleichzeitig unsere Ohren erreicht, lässt uns aufsehen. "Was haben die beiden jetzt schon wieder angestellt?" Rafael hilft mir auf. "Sicherlich wieder irgendwelche Dummheiten. Wir kennen sie doch nicht anders." Wir lächeln uns an bevor wir unsere andere Hälften suchen.

Der WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt