Alexander
Der Kavalier namens Klarheit kam nicht mehr zurück. Er hinterließ eine schwarze Rauchwolke, in einem dichten Wald voller Geister. Die Geister, sie waren die schmerzhaftesten Gefühle. Sie suchten mich heim, raubten mir jeglichen Verstand.
Diese Gefühle von Angst, Wut, Schuld und Trauer zu ignorieren, hatte ich nicht lange versucht. Sie waren zu präsent. Deswegen versuchte ich mich auf meine Kinder und Ehemann zu konzentrieren.
Magnus ist nach diesem Tag stiller geworden. Er sah oft nur noch aus dem Fenster, fragte Dinge auf die wir keine Antwort besaßen und auch mit den alltäglichen Dingen wie Kreuzworträtseln oder den Brettspielen konnte er nichts mehr anfangen. Dieser Anblick... es gab nichts schweres, als ihn so in sich gekehrt zu sehen. Früher wusste ich, das etwas nicht stimmte. Jetzt schien es zur Krankheit dazu zu gehören. Und wieder waren mir die Hände gebunden. Ich verfluchte diese Hilflosigkeit.
Auch jetzt konnte ich ihn nur betrachten. Seine Hand halten und die Stille, die ich mir solange gewünscht hatte, verdammen. Ich würde gerade viel lieber seine Stimme hören, die mir unsinnige Sätze erzählte. Das ist alles was ich möchte. Doch ich bekam es nicht. Er war ruhig.
"Charlotte hat jetzt drei Namen in ihrer engeren Auswahl. Levi, Louis oder Gregory" fing ich ein einseitiges Gespräch an. Mags verstärkte den Druck um unsere verflochtenen Hände, gab er mir ein Zeichen, das er mir zu hörte. Es war alles, an dem ich mich festhalten konnte. Und ich tat es mit meinen ganzen Körpergewicht.
"Ich mag Levi oder Louis" überlegte ich laut. Es fiel mir schwer zu reden, keine Antwort zu bekommen, nur wahrgenommen zu werden. Ich vermisste meinen Mann so sehr... so sehr... Der Schmerz war kaum auszuhalten, brachte er mich immer wieder dazu, mich im Bett zu krümmen. Es war die Seele, die schrie.
Auch jetzt raubte es mir meine Stimme. Ich klammerte mich in seine Hand, wünschte ich doch gerade das er mich in den Arm nahm, mich hielt für einen Augenblick. Er würde es nicht tun. Er konnte es nicht mehr.
"Papa? Hast du kurz Zeit?" Ich konnte nur nicken. "Ja klar." Max verschwand in meinem Augenwinkel wieder. "Ich bin gleich wieder da, Mags." Nur schwer konnte ich den Halt lösen. Ich streichelte über seine Wange, küsste sie hauchzart. Sog ich sogleich sein Duft ein. Es war schwer.
Charlie, Rafael und Max saßen am Esstisch. Das Essen brodelte auf dem Herd. Es roch nach Nudeln. Hunger hatte ich sowieso keinen. Aber ich würde etwas essen. Für meine Enkeltochter, die wahrscheinlich nur deswegen mit dabei saß.
"Papa, wir würden gerne uns, zusammen mit dir, ein paar Einrichtungen anschauen für Dad. Wir alle wissen, das wir weder sein Wohlergehen noch seine Sicherheit komplett gewährleisten können. Und wir wollen auch nicht das du selbst daran zu Grunde gehst." Es war nicht einfach darüber nachzudenken. Nein, eher überflutend, beängstigend, ein Gefühl des allein seins.
"Dort könnte er professionell gepflegt und versorgt werden. Es wäre immer jemand da, der auch wüsste, was man zu machen hat in einem Notfall." Ich hatte immer gehofft das mit Magnus zusammen zu entscheiden. Nur ein was hatten wir uns versprochen. "Wenn er geht, dann möchte ich auch nicht mehr hier wohnen. Ich möchte bei ihm sein. All die Zeit."
Max und Rafael sahen mich unergründlich an. "Wie gesagt, wir wollen nicht getrennt werden." Das war unser einziger Wunsch. "Mehr hast du nicht dazu zu sagen?" Unmerklich schüttelte ich den Kopf. Es war so viel in mir los. Und der Gedanke das ich irgendwann an einem unterschiedlichen Ort wie Magnus leben würde. Es war ein Himmelfahrtskommando, welches ich nicht wollte.
DU LIEST GERADE
Der Weg
FanfictionMagnus und Alexander, ein glückliches Ehepaar, welches aufgehört hatten die Jahre zu zählen, die sie schon miteinander verbracht hatten. Aber sie fangen das zählen wieder an, als alles unklarer wird... und die schwarzen Wolken dichter werden.