Alexander
"Was sagt ihr zu James?" Mit einem liebevollen Blick schaue ich mehrere Tage später auf meine Liebsten. Rafael war zusammen mit Charlotte vorbei gekommen. Die anderen beiden, kleineren wollten ebenfalls mit. Aber unser Junge hatte Sorge das es für Magnus zu viel wurde und so kamen nur die beiden. Charlie, Magnus und Rafael durchstöberten gerade Bücher mit den verschiedensten Namen. Ich sah meinem Ehemann an, das er sich stark konzentrieren musste. Manche schrieben sie sich sogar auf. Vielleicht gehörten diese zur engeren Auswahl.
Heute war er besonders fröhlich, das sah ich ihm an. Er erzählte viel. Ich hing an seinen Lippen wie ein frisch verliebter Junge, welcher die Muse seines Lebens gefunden hatte. Und ja ich hatte meine Muse gefunden, das aber schon vor langer, langer Zeit. Diese ist verflogen wie im Winde. Ich erinnerte mich als sei es erst gestern gewesen, wo Mags und ich über den Namen von Max gegrübelt haben. Jetzt durften wir unsere Meinung bereits zu unserem Urenkel abgeben. Es war verrückt.
Das Klingeln der Haustür riss mich aus dem Starren. Ich hatte mich von meinem kleinem Zusammenbruch so gut es eben ging erholt. Irgendwo musste es weiter gehen und ich versuchte überall Kraft zu finden. In jedem Kavaliermoment bis hin zu kleinen Anekdoten, die mir zeigten das manches sich einfach in ihm verankert hatte. Gerade heute war auch ich entspannter. Es waren mehr Augen da, die meinen Ehemann in Blick hatten. Das nahm etwas den Druck und die Angst, das etwas passierte.
Die Gesamtsituation zehrte an meinen Nerven, hingen mir bis in die Nacht nach. Es war das Schlafen was nicht nur Magnus zu schaffen machte, sondern auch mir. Mittlerweile döste ich eher nur. Die Sorge etwas nicht mitzubekommen wenn ich schlief überschattete das Erholen und so holte ich lieber die Dinge auf, die über den Tag im Haushalt liegen geblieben waren.
Ich war froh, das Rafael sich angekündigt hatte. So konnte ich für die nötige Ordnung sorgen, die sie auch gewohnt waren. Manches blieb auch einfach liegen, weil ich die Augenblicke mit Magnus einfach genoss. Der Aufwasch würde auch in Stunden noch dort sein, aber nicht die Sekunden, des Beisammen seins. Er war mir wichtiger als alles andere.
"Max, Anni, das ist ja mal eine Überraschung." Ich umarmte beide fest. Vor allem Anni hatte ihre Arme länger um mich gelegt, als sonst. Ihr schien die Diagnose immer noch schwer im Magen zu liegen. "Alles gut" flüsterte ich ihr sanft zu, versuchte auf irgendeine Art und Weise sie etwas aufzubauen.
"Du siehst gut aus. Die Farbe steht dir." Unsere Schwiegertöchter waren beide komplett unterschiedlich. Während Rosalie eher sehr bedacht und kryptisch war, schien Anni ihr Herz auf der Zunge zu tragen. Sie sprach aus, was sie dachte. Von Anfang an, hatte sie zugegeben wenn es ihr mal nicht gut ging oder ihr etwas auf der Seele lag. Für Magnus und mich war es immer wieder faszinierend, das Charlie nicht von Anni und Max abstammte.
Anni trug ihre braunen Haare immer in einem unordentlichen Dutt. Sie war eine typische Kunstlehrerin und genau das liebte sie. Heute trug sie ein petrol blaues aus den 50ern. "Magnus hat auf dich abgefärbt." Lächelnd zuckte ich mit den Schultern. "Nach so vielen Jahren ist das aber auch nicht überraschend." Sie zwinkerte mir zu, was meine Mundwinkel nur noch mehr Richtung Himmel hob.
Im Esszimmer lag etwas merkwürdiges in der Luft. Es war kaum zu übersehen. Die Blicke, die sich meine Söhne zuwarfen, hatten etwas ernsthaftes. Dabei roch es nach Besorgnis. Etwas, was mittlerweile schon längst in dieses Haus gehörte. Und ich hasste es. War doch gerade das, was immer einen Schatten hinter sich herzog.
Mir war nicht Geheuer als Anni und Charlie mich entschuldigend ansahen. "Opi, möchtest du mit Tante Anni und mir etwas spazieren gehen?" Ich runzelte meine Stirn. In den letzten Wochen waren Magnus und ich nicht mehr getrennt voneinander gewesen. Ich wusste das die beiden auf ihn aufpassen würden. Doch jetzt einfach das Zepter weiterzugeben, kam überraschend. Hatte ich mich an diese Aufgabe, des Aufpassers furchtbar schnell gewöhnt.
"Das klingt toll. Was ist mit Alexander?" Rafael und Max sahen bittend zu mir. Ich verstand das sie mit mir allein reden wollten. "Ich werde schon mal alles für heute Abend vorbereiten. Du wirst mir sicherlich später von eurem Ausflug erzählen." Ich klammerte mich wie ein Ertrinkender an die Hoffnung, das er es später wirklich tat. Dabei war die Chance, das er alles vergisst groß.
"Du verpasst sicherlich einen großen Spaß." Lächeln kam er auf mich zu. Seine rosafarbenen Lippen legten sich kurz auf meine Wange. Das Blut fing sofort an zu kochen, sorgte für die rötliche Verfärbung, welche Magnus sofort kommentierte. "Das wird sich wahrscheinlich nicht mehr ändern."
Ich streichelte über seinen Oberarm. "Nein, höchst wahrscheinlich nicht. Viel Spaß, Herzblatt." Mit einem bedachten Blick sah ich den dreien dabei zu, wie sie sich auf den Spaziergang fertig machten. Sobald die Haustür hinter ihnen zu viel, ließ ich mich auf einen der Stühle sinken.
"Worüber wollt ihr mit mir reden?" Die beiden nahmen ebenfalls Platz, suchten nach den passenden Wörtern. "Wir wollten wissen wie es weiter geht?" Ich richtete meinen Blick auf den goldenen Reif an meinem rechten Ringfinger. Gegen den Uhrzeigersinn drehte ich ihn. "So wie die letzten Tage und Wochen auch."
Meine Stimme war monoton, ließ nichts durchblicken. Magnus konnte immer viel besser mit unseren Kindern über Gefühle reden. Ich erklärte nur gern viele Dinge. Wir hatten uns die Aufgaben geteilt. "Und was ist dann das?" Rafael legte mir zwei leere Tabletten Packungen vor die Nase. Ich musste sie nicht länger betrachten um zu wissen, das es meine sind.
"Die nehme ich gegen die Schmerzen. Was soll damit sein?" Ich fuhr über die Blindenschrift, fühlte die Wölbungen unter meinen Fingerspitzen. Es war faszinierend, das manche so lesen konnten. Öffneten wir Menschen jeden Morgen zwei Geschenke. Unsere Augen. Wir müssten nur wissen, sie richtig zu benutzen und genau hinzuschauen.
"Du nimmst jeden morgen und jede Abend eine. Da kommst du fast anderthalb Monate mit einer Schachtel hin." Tief atmetet ich durch, dabei schlossen sich meine Augen. Genau jetzt würde ich gern nochmal schlafen. "Gut, momentan nehme ich sie häufiger. Aber das ist ok." Max sah mich durchdringend an. "Du solltest nochmal zum Arzt." Sofort schüttelte ich den Kopf.
"Er wird mir auch nichts mehr sagen und mit fünfundachtzig lege ich mich nicht mehr unter das Messer." Meine Aufgabe war, Magnus zu beschützen und auf ihn aufzupassen. Ich wollte in kein Krankenhaus. Da kam ich doch nie wieder heraus. Nicht so wie jetzt.
"Und was ist mit Dad? Schaffst du das allein? Sei bitte ehrlich."

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Der Weg
FanfictionMagnus und Alexander, ein glückliches Ehepaar, welches aufgehört hatten die Jahre zu zählen, die sie schon miteinander verbracht hatten. Aber sie fangen das zählen wieder an, als alles unklarer wird... und die schwarzen Wolken dichter werden.