(37)

1K 15 4
                                    

[Volkan]

Abwesend starrte ich auf den schwarzen Bildschirm meines Handys. Was Steffi wohl gerade machte? Wahrscheinlich schlief sie, schließlich war es schon halb zwölf Uhr nachts und ich wusste, dass sie morgen in die Uni musste.

Bausas tiefe Stimme durchbohrte meine Gedanken: "Junge, hörst du mir überhaupt zu?". "Oh, sorry. Was ist?", antwortete ich verwirrt. "Der Beat, willst du an dem noch was ändern?", fragte er noch einmal. "Ne, der passt so", sagte ich schnell, obwohl ich schon wieder total vergessen hatte wie er sich anhörte. "Du wirkst unkonzentriert. Ist irgendwas?", hackte Julian nach und ließ sich neben mich auf die Couch nieder. "Da ist nur ein Mädchen, das mich ein bisschen ablenkt. Nichts wildes", winkte ich ab. "Ein Mädchen? Hast du tatsächlich was ernstes gefunden?", sagte Bausa überrascht. "Ja, schon. Aber das ist ja jetzt egal, wir müssen arbeiten", lenkte ich ab. "Komm, du passt schon die ganze Zeit nicht auf. Das wird heute nichts mehr. Lass uns in eine Bar gehen", schlug Julian optimistisch vor. Er hatte ja irgendwie Recht.

Ich nippte noch immer an meinem ersten Drink, während sich Baui schon den zweiten holte. "Jetzt erzähl, wie heißt sie?", fragte er auf einmal. "Steffanie", antwortete ich kühl. "Und ist sie hübsch?", lachte er. "Natürlich. Sie ist das schönste Mädchen, das ich je getroffen habe", schmunzelte ich und nahm noch einen Schluck. "Und was bedrückt dich dann so?", fragte Julian weiter. "Ich habe Angst, dass sie jemand besseren findet. Du weißt, jemanden, der sie in ein Restaurant ausführen kann oder mit ihr ins Kino gehen kann. Jemanden mit dem sie all die Sachen machen kann, die sie mit mir nicht erleben kann, weil unsere Beziehung nicht in die Öffentlichkeit darf", versuchte ich zu erklären. "Ich verstehe dich. Aber du hast dich nunmal für diesen Weg entschieden. Wenn sie dich liebt, wird sie bleiben, aber sie sollte dich nicht von deiner Arbeit abhalten. Du hast wirklich Talent, Junge. Lass dir deine Karriere nicht von einer Frau zerstören", sagte Bausa einfühlsam und seine Worte brachten mich zum Überlegen. Er hatte Recht. Mein ganzes Leben lang wollte ich das hier. "Worauf willst du hinaus?", hackte ich nach und leerte mein Glas. "Ich will dich wirklich zu nichts anstiften. Es ist schließlich dein Leben und ich freue mich für dich, dass du jemanden gefunden hast. Aber setz deine Karriere nicht aufs Spiel, Junge. Wenn das so weiter geht, hat diese Beziehung keinen guten Einfluss auf dich. Du wirst es sonst bereuen", sagte Julian vorsichtig. Nachdenklich spielte ich mit meinen Ringen. Da war vielleicht was dran, irgendwann werde ich es bereuen.

Ich saß noch lange Zeit alleine in meinem Auto und dachte nach. Die Straßen waren dunkel und es waren kaum Menschen unterwegs. Ich liebte Steffanie. Ich liebte sie wirklich sehr. So sehr, dass ich alles dafür geben würde, damit sie ein perfekte Leben führen kann. Auch wenn dieses perfekte Leben ohne mich wäre. Und was ist, wenn es wirklich so wäre? Sie verdiente jemanden, der immer Zeit für sie hatte und der mit ihr überall hinfahren würde. Nicht jemanden der nächtelang im Studio sitzt und danach monatelang auf Tour ist und nichtmal mit ihr auf die Straße gehen konnte. Das verdiente sie nicht. Davon war ich überzeugt. Ich startete meinen Wagen und fuhr fest entschlossen los. Auch wenn es weh tat, wusste ich was ich tun musste.

●●●

Ich warf einen schnellen Blick auf mein Handy. Halb vier Uhr nachmittags. Ich hatte die letzte Nacht lang kaum geschlafen. Meine Gedanken ließen mir keine Ruhe. Und jetzt stand ich auf Steffis Parkplatz. Ich atmete tief durch. Ich musste das tun. Ich griff nach meiner Sonnenbrille. Ich trug sie eigentlich nie, wenn ich bei Steffi war, doch dieses Mal brauchte ich sie. Ich setzte mir die Brille auf meine Nase und öffnete die Autotür.

Meine Hände zitterten, als ich an Steffanies Tür klingelte. "Oh, hey. Was machst du denn hier?", begrüßte sie mich überrascht. Mir wurde klar, dass es schwerer wurde, als erwartet. Steffi nahm meine Hand und zog mich herein. Unsere Berührungen ließen mein Herz schneller schlagen. Ich versuchte ihr nicht in die Augen zu schauen, doch sie zogen mich wie magisch an. "Ich muss mit dir reden", sagte ich kühl und versuchte meine Emotionen nicht zu zeigen. "Was ist los?", fragte Steffanie verwirrt und ich hätte sie am liebsten in den Arm genommen, doch das würde alles nur schlimmer machen. Wir setzten uns gemeinsam auf die bequeme Couch im Wohnzimmer. "Also du weißt, ich arbeite manchmal viel und ich habe mein ganzes Leben lang auf diese Karriere hingearbeitet und jetzt habe ich so viel Hype wie noch nie. Mein erstes Album kommt bald raus und ich muss mich darauf konzentrieren", fing ich schweren Herzens an. "Ja, klar weiß ich das. Und ich bin so stolz auf dich", lächelte sie und ich musste kurz wegsehen. Ich atmete noch einmal tief ein und aus. "Steffanie, du weißt, dass ich keine Zeit für das hier habe", sagte ich und mein Ton wurde etwas aggressiver. "Für was?", fragte sie erschrocken nach. "Für uns. Für diese Beziehung. Ich kann das hier einfach nicht mehr. Ich bin ein Rapper. Ich bin monatelang nicht zuhause. Entweder bin ich im Studio, beim Videodreh, auf Tour oder besoffen in irgendeiner Bar. Ich werde nie so viel Zeit für dich haben, wie du es verdienst. Das weißt du. Wir werden nie eine normale Beziehung führen können. Zu meinem Beruf passt einfach keine Beziehung. Du liegst jeden Abend alleine im Bett, weil dein Freund mit anderen Frauen vor einer Kamera rumtanzt. Das hast du nicht verdient, das wissen wir beide", sprudelte es aus mir heraus. Steffis Mundwinkel fielen nach unten und sie starrte mich fassungslos an. Sie holte immer wieder Luft, um was zu sagen, doch sie brachte keinen Ton hervor.

"Ich muss mich auf meine Karriere konzentrieren", fing ich erneut an, "Es ist vorbei. Es tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe. Du hättest auf deinen Vater hören müssen. Er hat Recht, ich bin nicht der perfekte Freund. Das werde ich niemals sein, egal wie viel ich dir kaufe und wie viel Zeit ich versuche mir für dich zu nehmen. Wir werden nie zueinander passen". "Meinst du das gerade wirklich ernst?", fragte Steffanie nach. Ich zögerte und merkte, dass sich Tränen in ihren Augen bildeten. Mein Herz brach bei diesem Anblick. "Das tue ich anscheinend", nuschelte ich, "Ich sollte wohl lieber gehen". Ich stand auf und verließ Steffis Wohnung. Ich zog die Tür hinter mir zu und blieb einige Sekunden in dem kalten Flur stehen. Es war das richtige, oder? Ich hatte mein ganzes Leben ohne sie verbracht, ich werde das überstehen.

Langsam schlich ich die Treppen hinunter. Nur das Echo meiner schweren Schritte war zu hören. Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. Ich hatte gerade etwas Wertvolles verloren, das war mir bewusst. Ich war gerade unten angekommen, als sich plötzlich eine Tür öffnete. "Warte, Volkan!", hörte ich Steffis traurige Stimme rufen und ich blieb stehen. Mein Herz fing erneut an schneller zu schlagen. Ich ließ meine Hände in die Jackentasche meiner Lederweste fallen und drehte mich um. Steffi rannte die Treppen zu mir herunter. Ihre Wimperntusche war verlaufen und Tränen bildeten sich in ihren Augen, als sie mich ansah. "Bitte, warte kurz", schluchzte sie und blieb vor mir stehen. "Bitte Volkan, du darfst nicht gehen. Tu mir das nicht an. Du bist das beste, das mir je passiert ist. Ich liebe dich", sagte Steffanie mit einer zitternden Stimme, während noch mehr Tränen über ihr zartes Gesicht liefen. "Ich liebe dich aber nicht mehr", antwortete ich eiskalt. Ich wusste, dass das gelogen war. Ich versteckte meine Emotionen hinter meiner Sonnenbrille, drehte mich schnell um und verließ das Gebäude, bevor eine Träne über meine Wange lief.

-ENDE-

Meet & Greet (Apache 207)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt