7. Freund oder Feind?

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Langsam öffnete ich meine Augen wieder und blickte in den schwarzen Nachthimmel. Es war ziemlich still um mich herum. Nur von weit her hörte ich Stimmen, Autos und andere Stadtgeräusche. Der Geruch nach Blut stieg mit in die Nase. Stimmt ja... Ich war verletzt und mir war kalt. Und es wurde kälter, als mir jemand versuchte die Hose auszuziehen. Warte... Hisoka versuchte mir die Hose auszuziehen!?

„Hisoka! Was tust du da?!" Ich versuchte seine Hände weg zu strampeln, aber mein linkes Bein schmerzte zu sehr.
Hisoka funkelte mich böse an. Er hielt meine Hände fest und kam mir bedrohlich nahe.
„Halt still!", knurrte er. „Sonst wird es schmerzhaft für dich".
So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er wirkte unberechenbar und noch viel gefährlicher als sonst. Was hatte dieser Bastard mit mir vor?
Aus Hilflosigkeit stiegen mir Tränen in die Augen und ich versuchte wegzukriechen, aber plötzlich konnte ich mich nicht mehr bewegen, so als wäre ich fest geklebt.
„Bungee gum", sagte Hisoka ernst.
„Was?", fragte ich unter Tränen.
„Das ist meine Nen Fähigkeit. Du kannst dich nicht bewegen. Außer ich entferne das bungee gum".

Er machte sich wieder daran meine Hose zu entfernen. Ich beobachtete ihn ängstlich.
Dann riss er einen Fetzen seines Shirts ab und... und verband meine Schusswunde am Bein damit?
„Geht doch", sagte er zufrieden und sein übliches selbstgefälliges Lächeln kehrte zurück.  Verstehe... Er hat meine Kleidung nur ausgezogen um besser an die Wunde ran zu kommen...

„Sag doch gleich, dass du dich nur um meine Wunde kümmern willst du Idiot", sagte ich erleichtert. Hisoka schaute mich fragend an.
„Oh?" Er beugte sich über mich und grinste mich spielerisch an. „Was dachtest du denn, was mit dir vorhatte?" Ich schaute beschämt weg.

„Bei dir weiß man ja nie", murmelte ich.
Er strich mir über den Hals. Er war jetzt so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Mir war zwar wegen seiner Körperwärme nicht mehr so kalt, aber seine Anwesenheit machte mich trotzdem ziemlich nervös.

Ich spürte wie ich rot wurde. Zum Glück war es dunkel und Hisoka konnte das nicht sehen.
„Geh runter von mir". Ich versuchte es sicher und eindringlich klingen zu lassen, aber es klang ziemlich kleinlaut. Hisoka lachte, ging dann aber tatsächlich runter von mir und holte etwas aus seiner Hosentasche heraus. Ein Taschenmesser?
Wieder stieg Panik in mir hoch. Was würde er jetzt schon wieder versuchen? Ich konnte diesen Psychopathen kein bisschen einschätzen.

„W-Was willst du damit machen?", fragte ich also.
„Die eine Pistolenkugel steckt immer noch in deinem Arm", erklärte er. „Ich werde sie damit versuchen zu entfernen". Er musterte die Wunde. Ich schluckte tapfer.
„Hast du das denn schonmal gemacht?", fragte ich.
„Nein. Also halt lieber still". Musste ich ja sowieso, wegen dem Bungee Gum. Ich drehte mein Gesicht weg und kniff die Augen zusammen. Da spürte ich auch schon wie Hisoka in meiner Wunde rum schnitt. Ich biss die Zähne zusammen. Trotzdem entfuhr mir ein schmerzerfülltes Quieken.
„Gleich geschafft", sagte Hisoka beruhigend. Er hielt kurz inne. Dann spürte ich wie er die Kugel mit einem Ruck rausdrückte.
Das Bungee Gum löste sich und ich konnte mich wieder bewegen. Weil es so weh tat, krallte ich mich kurzerhand, an Hisoka, der mich an sich zog, und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter.

Wir verharrten kurz so und ich wartete ab, bis der Schmerz nachließ.
„Du kannst mich jetzt wieder loslassen, weißt du?", flüsterte Hisoka mir nach einer Weile zu. Ich löste mich von ihm und betrachtete die Wunde an meinem Arm. Sie hatte wieder angefangen zu bluten.
„Komm her. Ich verbinde die Wunde noch", sagte Hisoka. Ich hielt ihm meinen Arm hin und er wickelte einen weiteren Kleidungsfetzen, behutsam um die Wunde.
„Ähm... Hisoka?", fing ich an. Hisoka schaute mich fragend an. Er hatte mir das Leben gerettet und sich um meine Wunden gekümmert.
Allgemein war er in den letzten Momenten ziemlich lieb zu mir gewesen. „Danke". Er lächelte. Aber diesmal war es nicht dieses freche, schadenfrohe Lächeln. Diesmal wirkte es irgendwie echt.

„Ich werde dich tragen müssen", sagte er dann. „Wir gehen zurück in das Versteck. Machi kann dir bestimmt noch besser bei deinen Wunden helfen". Ich nickte. Das war mir Recht. Ich konnte schließlich sowieso erstmal nirgendwo hin. Also musste ich wohl noch ein bisschen bei der Spinne bleiben.
Hisoka hockte sich vor mir hin, sodass ich auf seinen Rücken klettern konnte. Ich ließ meinen Kopf auf seiner Schulter liegen und war schon nach ein paar Minuten eingeschlafen...

♡ ♡ ♡

Als ich aufwachte, war ich wieder in dem kirchenartigen Gebäude, dass die Phantomtruppe als ihr Versteck nutzte. Ich lag auf einer dünnen Matratze und war in eine noch dünnere Decke eingewickelt. Es war kalt und unbequem, also setzte ich mich seufzend auf. Ich tastete nach meinen Wunden und spürte eine Art Naht. Machi hatte sich anscheinend darum gekümmert.
„Ist Dornröschen endlich aufgewacht?", fragte mich eine spöttische Stimme.
„Falsches Märchen, Feitan", antwortete ich genauso spöttisch. „Zwerge wie du gehören hier nicht hin".
Feitans Blick wurde noch tödlicher als er sowieso schon war.
„Sag mal? Willst du dass ich dich zu Tode foltere?", fragte mich Feitan und ich wusste dass er keinen Spaß machte. Er würde mich ohne weiteres töten, wenn ich so weiter machte.

„Hey, Feitan". Diese Stimme kam mir ziemlich bekannt vor. „Lass sie bitte leben. Sie hat ihre Treue schließlich bewiesen und ist jetzt auch ein Mitglied". Es war Chrollo, der da vor uns stand. Komisch... Irgendwie freute ich mich ihn zu sehen...
Feitan entfernte  sich gehorsam von mir und Chrollo hockte sich neben mich, damit wir wenigstens etwas Privatsphäre hatten. „Hallo, Erenu", begrüßte er mich höflich. „Geht es dir gut?"
„Ja... Ähm". Er fragte in so einer Situation nach meinem Befinden? Er war ja ein... echter Gentleman. So einer der Klassik hört und seine Freundin Darling nennt. Bei dem Gedanken musste ich Grinsen. „Den Umständen entsprechend".
Chrollo nickte. „Ja, Hisoka hat erzählt du hast den Plan gut umgesetzt. Deine Nen-Fähigkeiten sind wirklich bewundernswert, aber ich wollte eigentlich über etwas anderes mit dir reden". Sein Blick wurde ernst.
Ich schaute mich nach den anderen Mitgliedern um. Von überall her, waren Blicke auf uns gerichtet. So wirklich privat war das ja nicht.

„Aber lass uns dafür woanders hingehen", sagte Chrollo, so als könnte er meine Gedanken lesen. Ich nickte und stand vorsichtig auf.
Die Schusswunde im Bein hatte ich gut überstanden und konnte schon wieder etwas humpelig laufen. Chrollo bedeutete mir, ihm zu folgen.

Das letzte was ich sah, bevor ich aus dem Raum ging, war Hisokas misstrauischer Blick.

𝒑𝒐𝒌𝒆𝒓 𝒈𝒂𝒎𝒆 | chrollo x oc x hisokaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt