16. Der Tanz

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Ich war immer noch in Gedanken, als wir den Ort erreichten, an dem der Ball stattfinden sollte. Es war ja nicht so, als hätte ich noch nie Menschen getötet, aber diese Männer hätte ich auch ohne mein Nen vertreiben können. Ein Töten wäre nicht nötig gewesen. Sie hatten schließlich nur ein paar kleine Messer und ich hatte jahrelange Kampferfahrung. Ich hatte nur, wegen Chrollo, so panisch und unüberlegt reagiert.
Und er hatte nur dagestanden, geschwiegen und alles mir überlassen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Chrollo mich so nur testen wollte. Mich und meine Treue zur Phantomtruppe und ihm. Er hätte sich sicher auch ohne Nen wehren können, wenn er gewollt hätte...

Ein Mann mit einem Tablett riss mich aus den Gedanken. Auf dem Tablett standen einige Gläser, die man sich als Gast wohl einfach wegnehmen konnte. Das tat ich auch. Ein bisschen Alkohol würde mir vielleicht eine Pause von meinen Gedanken ermöglichen. Ich trank das Glas in einem Schluck aus und spürte wie der warme Alkohol sich in meinem Körper verteilte.

Der Ort an dem der Ball statt fand, war genauso luxuriös wie das Hotel Beietacle. Goldene Kronleuchter, schicke Teppiche, protzige Vorhänge, Gemälde und die dazu passenden Gäste.

„Willst du tanzen?", fragte Chrollo schließlich. Ich konnte ein kleines Lächeln nicht zurück halten.
„Ich kann aber nur Wienerwalzer", warnte ich Chrollo. Der lachte nur.
„Keine Sorge. Das andere lernst du ganz schnell".
Also mischten wir uns unter die anderen Tanzenden und die Musikanten fingen an ein langsames Stück zu spielen. Zuerst trat ich Chrollo ziemlich oft auf die Füße, aber er überspielte es immer geschickt mit einer kleinen Drehung, so dass es den anderen Gästen nicht auffiel. Mit der Zeit wurde ich immer besser und nach ein paar Minuten, hatte ich mich eingetanzt.

„Sag mal... Wo hast du so gut tanzen gelernt?", fragte ich Chrollo.
„Glaubst du dass ist das erste Mal, dass ich auf so eine Veranstaltung gehe?", fragte er amüsiert, aber irgendwie gefiel mir die Vorstellung nicht... Chrollo, wie er das Gleiche mit zahlreichen anderen Mädchen gemacht hatte, während das hier, für mich ein besonderer Moment war...
Meine Miene verdunkelte sich und Chrollo schien das nicht zu entgehen.
„Ist was?", fragte er.
„Ach nichts...", antwortete ich. Ich hätte nie im Leben zugegeben, dass ich eifersüchtig war, aber Chrollo gab sich mit der Antwort nicht zufrieden.
„Ist es wegen vorhin?"
Worauf wollte er hinaus?
„Weil ich dich alleine gegen diese vier Idioten kämpfen lassen habe? Weißt du... Damit wollte ich eigentlich deine Treue testen. Ich konnte mir nicht ganz sicher sein, ob deine Absichten wirklich nur der Phantomtruppe gelten. Deshalb musste ich das tun".
Er gab es also offen zu?
„Es wäre aber nicht nötig gewesen sie zu töten. Wenn du mir geholfen hättest, dann wären sie einfach davon gerannt. Wegen deiner misstrauischen Art, musste ich vier Menschen, sinnlos opfern".
Ich sagte das ruhig, aber mit Nachdruck.
„Ob tot oder lebendig ist für die Phantomtruppe erstmal egal. Deine Aufgabe, ist es mir zu helfen und dank dieser Aktion weiß ich jetzt, dass du- aua!"
Ich war Chrollo wieder auf den Fuß getreten. Diesmal allerdings nicht aus Versehen.
„Du kannst doch nicht, dein eigenes Leben so weit über das anderer Menschen stellen, nur um mich zu testen! Hast du denn gar keine Moralvorstellung?", sagte ich, lauter als geplant.

Chrollos Hände an meiner Taille, verkrampften sich und sein Blick wurde ernster.
„Sagte die Auftragskillerin zu dem Massenmörder... Wir sind Verbrecher. Sich da über Moral zu streiten, ist lächerlich".
„Ts. Du hast doch auch Regeln bei deiner Nenfähigkeit. Warum dann nicht auch bei deinen Morden?"
Der Tanz zwischen uns, war jetzt nicht mehr harmonisch und aufeinander abgestimmt, sondern fühlte sich eher wie ein Kampf an. Chrollo löste sich schließlich von mir mit einem müden Seufzen.
„Ich hol uns erstmal etwas Zutrinken. Bleib du erstmal hier".

Ich schaute ihm hinterher, wie er in den Nebenraum verschwand, indem die Bar stand.
Ich blieb einfach stehen. Ein paar Blicke hatten sich auf uns gerichtet und ich könnte wetten, dass sich der Geigenspieler sogar verspielt hatte, wegen Chrollo und mir.
So als hätten die alle sich noch nie mit irgendwem gestritten... War doch alles halb so wild. Jeder stritt sich mal. Wegen so einer Kleinigkeit würde ich Chrollo nicht verlieren...

Vielleicht sollte ich mich entschuldigen gehen oder zumindest versuchen mich mit ihm zu vertragen. Ich ging also in Richtung Barraum, als ich mit jemandem zusammenstieß. „Oh, Verzeihung", sagte ich schnell.

Die Frau mit der ich zusammen gestoßen war, schaute mich entgeistert an. Sie war nur ein paar Jahre älter als ich, hatte blaue Augen und ein paar kleine Sommersprossen auf ihrer Nase verteilt - genauso wie ich... Allgemein kam sie mir irgendwie bekannt vor, aber warum schaute sie mich so an, als wäre ich ein Gespenst?
„Ähm... Ist alles in Ordnung, Miss?", fragte ich deshalb.
„E-Erenu? Erenu Musuko?"

Was? Erenu Musuko? War das mein richtiger Name? Bevor ich zu den Zoldycks gekommen war? Ich war unfähig zu antworten. Die Frau kam mir so bekannt vor. Woher kannte ich sie nur?!
„Du solltest nicht hier sein!", sagte die Frau aufgebracht. Diese Stimme... Ich kannte sie aus meinem letzten Flashback!
„Du bist meine Schwester! Du-"
„Nein! Nein, ich kenne dich nicht", unterbrach sie mich.
„Bleib weg von mir. W-Wir dürfen nicht zusammen gesehen werden!" Mit diesen Worten, rannte sie weg und verschwand zwischen ein paar Menschen. Ich stand nur da und war wieder alleine. Ich musste das Geschehene erstmal verarbeiten.

Musuko... Das war mein richtiger Name. Meine Schwester... Ja ich war mir ganz sicher. Das war sie, aber was hat sie gemeint? Damit, dass ich von ihr wegbleiben soll? Warum lebten wir nicht mehr zusammen?
Und wo blieb eigentlich Chrollo so lange? Nach diesem Ereignis brauchte ich dringend meinen Drink, den Chrollo mir holen wollte. Hoffentlich war es irgendwas starkes.

Also lief ich mit schnellen Schritten zu dem Raum in dem die Bar stand und schaute mich unruhig nach Chrollo um. Und da stand er... Er stand da und küsste eine Andere. Ich starrte ihn mit offenem Mund an und spürte, wie mir eine Träne, die Wange runter lief. Das war einfach zu viel. Erst hatte ich, wegen Chrollos dummen Tests, vier Männer umgebracht, dann hatte ich mich mit ihm darüber gestritten, dann war meine Schwester aufgetaucht, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte und jetzt kam dieser Idiot mit sowas?!

Ich rannte aus dem Gebäude. Wenn ich keinen Alkohol bekam, dann wenigstens frische Luft. Draußen regnete es. Perfekt! So konnte niemand sehen wie ich weinte.
„Erenu!" Die Tür hatte sich geöffnet und jemand Bekanntes kam zu mir gelaufen. Naja... Kannte ich ihn überhaupt? Nach Allem was heute passiert war?
„Was machst du denn hier draußen?", fragte Chrollo.
„Ich stehe hier und atme", antwortete ich emotionslos. „Und was hast du da drin gemacht?"
„Ich werde wahrscheinlich morgen schon zu dem Nen-Entferner gehen können", antwortete er.
„Zum Glück musstest du dafür nur ein Bisschen Speichel mit einer anderen austauschen". Ich konnte meine Wut und Enttäuschung nicht mehr verbergen.
„Oh..." Das war alles was Chrollo herausbrachte.
„Oh?!", wiederholte ich scharf. Ich wollte eine Erklärung.
„Ich hab sie nur geküsst, weil sie die Assistenten des Nen-Entferners ist. Sie hat gesagt ich brauche nichts anderes zu machen, als sie zu küssen und sie bringt mich zu ihm".
Meine Tränen flossen jetzt unaufhaltsam mein Gesicht herunter. Ich musste ziemlich erbärmlich aussehen, aber das war mir gerade egal.
„Aber das kannst du doch nicht einfach machen. Nach allem was du gestern zu mir gesagt hast, auf dem Dach", sagte ich mit bebender Stimme. „Oder war das etwa gelogen?"
„Das hier hat nichts mit uns zu tun!", sagte Chrollo entschlossen. „Wir sind aus geschäftlichen Gründen hier und-"
„Nein, Chrollo! Ich bin für dich hier. Ich bin hier damit du dein Nen zurückbekommst. Also beantworte meine Frage". Ich trat einen Schritt auf ihn zu.
„War das, was du zu mir gesagt hast, gelogen?!"
Chrollo schaute mir ernst in die Augen.
„Nein war es nicht. Ich liebe dich wirklich. Du bist diejenige die gelogen hat..."
Was meinte er damit? Es stimmt zwar, dass ich in letzter Zeit auch an eine bestimmte andere Person gedacht habe, aber ich liebte doch Chrollo... oder?

Eine Weile war es still zwischen uns. Nur das Plätschern des Regens war zu hören.
„Weißt du", sagte Chrollo dann leise. „Vielleicht ist es besser wenn du zu den Anderen zurückkehrst... Ich hab mein Nen ja bald wieder, wenn alles gut läuft. Da braucht der Rest der Spinne dich wohl mehr". Etwas in meiner Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Er schickte mich weg...
„Ja, vielleicht ist es besser so...", antwortete ich traurig.

𝒑𝒐𝒌𝒆𝒓 𝒈𝒂𝒎𝒆 | chrollo x oc x hisokaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt