12. Das Hotel

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Killua und Gon begrüßten Leorio mit einem Handschlag und Melodie mit einem Grinsen. Als sie Kurapika umarmten änderten sich seine Augen. Sie waren jetzt nicht mehr bedrohlich rot, sondern getaucht in ein warmes grau. Sie alle sahen fast aus, wie eine kleine Familie. Ich fühlte mich ziemlich verloren, vor Allem weil es so aussah, als bräuchte Killua mich überhaupt nicht mehr...

„Gott sei Dank", sagte Leorio an mich gewandt. Ich war überrascht. Es klang nicht so, als wollten sie mich umbringen. „Du wirkst nicht so wie der Rest von Killuas Familie".
Ich musste grinsen. Das nahm ich als Kompliment auf.
Killua dagegen schaute mich jetzt eher wütend an. „Das dachte ich auch immer", sagte er scharf. „Bis du dich mit der Spinne und Hisoka angefreundet hast!"
„Hey! Werd nicht frech, Killua!", sagte ich und packte ihn am Kragen.
„Aber es stimmt doch!"
„Überhaupt nicht. Ich habe nur gesagt, dass Hisoka und ich Freunde sind, weil man sich nicht immer mit jedem anlegen muss du Idiot!"
„Man muss aber auch nicht so scheinheilig vor mir tun, als wäre man einer von den Guten!"
„Killua!", meldete sich jetzt Kurapika, dessen Augen wieder scharlachrot geworden waren. „Hast du was dagegen, wenn ich sie verhöre?"
Killua entfernte sich von mir. „Nein, hab ich nicht". Trotzig steckte er die Hände in die Hosentaschen und schaute mich böse an. Geschwisterliebe...

Kurapika stellte sich vor mich hin und richtete seine Hand auf mich, die mit 5 Ringen mit jeweils einer Kette an jedem Ring geschmückt war. Das musste mit seiner Nen-Fähigkeit zusammenhängen...
Plötzlich spürte ich einen Schmerz in der Brust. Als ich runter schaute steckte eine Kette in meinem Körper. Ich spürte eine eiserne Kälte, so als würde sie sich um mein Herz legen. Würde ich jetzt doch sterben? Aber Kurapika hatte gesagt, dass er mich nur verhören wird.

„Ich werde dir jetzt Fragen stellen und wenn du sie nicht wahrheitsgemäß beantwortest, dann wirst du unglaubliche Schmerzen fühlen. Das ist die Bedingung, verstanden?" Ich nickte ängstlich.
„1. Frage: Seit wa-" Kurapika schrie vor Schmerz auf. Die Kette, die von seinen kleinen Finger ausging zog sich zurück. Bei mir blieb nur eine kleine Wunde übrig. Die Kette hinterließ an sich wohl erstmal keinen großen Schaden.

„Kurapika", sagte Melodie besorgt. „Was ist passiert?"
Kurapika schaute mich skeptisch an. „Du...Du bist kein richtiges Mitglied von der Phantomtruppe", stellte er fest. „Deswegen kann ich diese Kette nicht anwenden ohne selbst zu sterben".
„A-Aber was hast du sonst mit der Spinne zu tun?", fragte Gon verwirrt.

Also erzählte ich, wie die Mafia mich bedroht hatte und wie ich Mitglied geworden war. Alle hörten mir gebannt zu und man sah ihnen an, dass sie eher Mitleid mit mir hatten, als mich verurteilten. Trotzdem war es mir unangenehm. Ich wollte vor Killua nicht die Schwache sein, die sich von der Mafia bedrohen lässt und ich wollte auch nicht, dass er sich schuldig fühlte, weil ich das alles für ihn gemacht hatte. Und außerdem war das was ich ihnen erzählte nur die halbe Wahrheit. Denn eigentlich hätte ich schon viel früher von der Phantomtruppe abhauen können, wenn ich gewollt hätte...

„Aber wieso hat Chrollo es zugelassen, dass eine Fremde vorübergehendes Mitglied wird?", fragte schließlich Leorio. Ich schwieg. Killua wusste nicht, dass ich aus Meteor City kam. Er wusste eigentlich überhaupt nichts über meine Vergangenheit.
„W-Weil...", fing ich an. „Weil ich ihn von früher kenne. Wegen Illumis Gehirnwäschen konnte ich mich zuerst überhaupt nicht an ihn erinnern, aber ich hab das Gefühl...nach und nach kommen die Erinnerungen wieder".
Ich hatte den Kopf gesenkt. Mir kamen die Tränen. Wieso? Wieso löste es so viel Schmerz aus über meine Vergangenheit nachzudenken?
„Tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt habe". Killua hatte seine Arme um mich gelegt. Ich erwiderte seine Umarmung.
„Tut mir leid, dass ich dich vorhin Idiot genannt habe", sagte ich.

♤ ♤ ♤

„Was hast du jetzt vor?", fragte Killua.
Das Luftschiff war gelandet und Kurapika hatte mir so sehr vertraut, dass er mich frei ließ und in York New absetzte.
„Mal sehen", sagte ich nachdenklich. „Von hier aus, kann man eigentlich alles gut erreichen. Vielleicht könnte ich auch die Hunter Prüfung ablegen".
„Kannst du machen. Die ist leicht", sagte Killua gelangweilt. „Ist bestimmt ganz praktisch für deinen Job".
„Hm..." Was meinen Job als Auftragskillerin anging, war ich mir nicht sicher, ob es vielleicht, nach allem was passiert war, Zeit für etwas Neues war.
„Und ihr? Was macht ihr als nächstes?", fragte ich Killua.
„Gon und ich wollen dieses Videospiel spielen: Greed Island", antwortete Killua knapp.
„Ach so". Ich freute mich dass sie auch normale Sachen machten und nicht nur Massenmörder wie die Phantomtruppe jagten.
„Es wird wohl Zeit sich zu verabschieden", sagte ich und lächelte etwas traurig. Ich würde Killua echt vermissen.
„Scheint so", sagte Killua mit dem selben Gesichtsausdruck.
„Ich hab dich echt lieb, weißt du". Ich konnte einfach nicht anders. Ich nahm Killua erneut in den Arm.
„Hey! Hör auf. Das ist ja peinlich!", sagte Killua, aber schließlich erwiderte er die Umarmung.

Dann wandte ich mich zum Gehen.
„Wir rufen uns an jedem ersten Monatstag an, also das nächste mal am 1. Oktober, klar?", sagte ich streng.
„Jaja..."
„Und wenn keiner ran geht, nochmal am 7.".
„Ich hab's nicht vergessen, Erenu!"
Ich musste lachen. Dann ging ich... Dass es gar nicht allzu lange dauern würde, bis ich Killua wieder sah, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

♤ ♤ ♤

Es hatte angefangen zu regnen. Ich lief langsam die Straßen von York New entlang und es hallten immer wieder Chrollos Worte in meinem Kopf nach.

„Falls sie dich freilassen, dann komm um Mitternacht zurück zum Hotel".

Jetzt war es 23:37 Uhr und meine Füße trugen mich ganz automatisch den Weg zum Hotel entlang. Warum, wusste ich nicht ganz genau. Es gab schließlich keinen Grund zu Chrollo zurückzukehren. Die Phantomtruppe hasste mich und außer einer gemeinsamen Vergangenheit verband uns nichts. Vielleicht wollte er mich töten? Aber wenn er mich töten wollte, dann hätte er es dir ganze Zeit tun können. Jetzt gab es doch keinen Grund mehr, oder?

Schließlich war ich am Hotel angekommen. Komisch. Vor ein paar Stunden war ich hier noch mit Hisoka gewesen. Sollte ich reingehen?
Ach was soll's. Ich war sowieso durchgenässt vom Regen und konnte ja sonst auch nirgendwo hin. Also trat ich in die Eingangshalle. Vorhin hatte ich nicht darauf geachtet, aber das Hotel schien ziemlich luxuriös zu sein. Alle Leute die hier in der Eingangshalle waren, arbeiteten entweder gestresst an einem teuren Laptop und beschäftigten sich mit Aktien oder lasen entspannt ein Buch, während sie sich von den Bediensteten mit Cocktails verwöhnen ließen. Alle waren ziemlich schick gekleidet.

Da ich nicht wirklich hier rein passte und mich ziemlich unwohl und minderwertig zwischen diesen reichen Geschäftsleuten fühlte, wollte ich schon wieder gehen, als ich plötzlich meinen Namen hörte. „Erenu Zokdyck? Sind Sie Erenu Zoldyck?" Ich blieb erschrocken stehen. Eine kleine Frau mit Brille, die an der Rezeption arbeitete sah mich erwartungsvoll an. Woher kannte sie meinen Namen? War ich irgendwie in den Nachrichten gelandet? Aber dann wäre sie wahrscheinlich eher verängstigt gewesen.

„Äh... Ja, die bin ich", antwortete ich langsam.
„Jemand hat ein Zimmer auf den Namen Lucilfer für Sie beide gebucht und erwartet Sie bereits".
Lucilfer? Chrollo Lucilfer hatte ein Zimmer gebucht? Das hätte ich nicht erwartet.
„Welches Zimmer?", fragte ich.
„Zimmer 113, Etage 4", antwortete die Frau lächelnd.
Ich zögerte. Sollte ich wirklich hoch in dieses Zimmer gehen?
Mit langsamen Schritten begab ich mich zum Fahrstuhl. Meine Neugier siegte. Schon wieder...
Was hatte Chrollo vor? Warum wollte er sich nochmal mit mir treffen?

♤ ♤ ♤

Die 4. Etage war genau so protzig eingerichtet wie der Rest des Hotels. Mamorboden, überzogen mit einem roten Teppich und an der Wand hingen Ölgemälde mit goldenem Rahmen. Ich fühlte mich immer noch fehl am Platz. Diese Art von Reichtum hatte ich nur bei den Zoldycks gehabt und da wollte ich nie wieder hin.
Ich ging den Gang entlang. Zimmer 111, 112... 113! Das musste Chrollos Zimmer sein. Jetzt war die letzte Möglichkeit um umzukehren, um ihn und die Phantomtruppe nie wieder zu sehen.
Ich seufzte. Dann klopfte ich...

𝒑𝒐𝒌𝒆𝒓 𝒈𝒂𝒎𝒆 | chrollo x oc x hisokaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt