21. Erinnerungen

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Aus der Sicht von Hisoka:
„Was soll das heißen, sie wurde entführt? Du hast doch gesagt, du passt auf sie auf?"
„Eigentlich hast du mich dazu gezwungen... Und jetzt ist sie ja wieder in Sicherheit", erklärte ich Illumi durch das Telefon. Er war ja echt empfindlich wenn es um Erenu ging. Dabei waren sie noch nicht mal blutsverwandt...

„Glaubst du, dass hat etwas mit ihrer echten Familie zu tun?", fragte ich.
„Wieso das denn?", seufzte Illumi.
„Sie hat sich in diesem Spiel Erenu Musuko genannt, nicht Zoldyck. Ich dachte eigentlich es wäre nicht wichtig, aber war das nicht ihr früherer Familienname?"

Illumi schwieg. Ich konnte sogar durch das Telefon spüren, wie sehr ihn diese Information aus der Ruhe brachte.
„Hisoka... Das solltest du sie fragen, wenn sie aufwacht", sagte er schließlich mit eindringlicher Stimme.
„Und wieso sollte ich das tun?", provozierte ich Illumi.
„Sie darf nichts von ihrer leiblichen Familie erfahren. Wenn sie herausfindet, dass die Zoldycks ihren Vater getötet haben- Vielleicht wird sie sich dann gegen uns wenden. Diese Nen-Kraft die sie von Geburt an hat passt perfekt in eine Assassinen-Familie, findest du nicht? Wir dürfen sie uns auf keinen Fall zum Feind machen".

Dass Illumi Akuma Musuku getötet hatte, wusste ich bereits. Er war ein so starker Serienkiller gewesen, dass selbst die Mafia nichts gegen ihn ausrichten konnte, weshalb die Schattenbestien und die Zoldycks auf ihn angesetzt wurden, aber mir ist heute erst klar geworden, dass dieser Verrückte Erenus leiblicher Vater war...
Sie tat mir leid... Ein kleines Mädchen, das seine echte Familie nicht kannte und jetzt bei Leuten lebte, die sie hasste.
...Vielleicht konnte ich ja ihre neue Familie werden...

„Hisoka? Bist du noch dran?" Illumis Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Keine Sorge. Ich werde herausfinden, ob das mit der Entführung mit ihrem Vater zusammenhängt", sagte ich, jetzt wieder mit meinem üblichen fröhlichen Ton.
Dann legte ich auf.

Also machte ich mich auf den Weg zurück zu dem Zimmer, das ich kurzerhand für Erenu und mich gebucht hatte.
Ich öffnete die Tür, doch was ich sah gefiel mir nicht.
Erenu saß auf dem Bett. Sie zitterte und ihr liefen stumm die Tränen über's Gesicht. Sie wirkte so abwesend... und so gebrochen.

♢ ♢ ♢

Aus der Sicht von Erenu:

———Flashback———
Dezember vor 10 Jahren
Meine Schwester weinte. Ich hatte sie noch nie zuvor weinen gesehen, aber sie lag neben mir im Bett und weinte schmerzerfüllt.
Wahrscheinlich dachte sie, dass ich schon schlief, denn sonst tat sie immer so stark vor mir und zeigte nie ihre wahren Gefühle.
Ich war zwar erst 8 aber ich war nicht dumm. Ich wusste, dass irgendwas vorgefallen sein musste, wovon meine Schwester mir nicht erzählen konnte.
„Aria", flüsterte ich und legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte kurz zusammen, drehte sich dann aber zu mir um. Das alte Bett knarzte...
„Erenu, du bist noch wach?" Ich nickte zögerlich. Ich konnte ihren Gesichtsausdruck durch die Dunkelheit nicht deuten. War sie wütend?
„Aria, ich weiß dass es dir nicht gut geht, du musst dich nicht immer verstecken", sagte ich leise. Sie schwieg...
„Kannst du mir... von unseren Eltern erzählen?", fragte ich schließlich.
„Von unseren Eltern...?"
„Du hast vor einem Jahr mal gesagt, unser Vater sei gefährlich, aber warum? Und... von unserer Mutter sprichst du nie".
Wieder schweigen...
„Du solltest versuchen zu schlafen", sagte Aria schließlich.
„Bitte sag es mir", sagte ich verzweifelt.
Aria setzte sich auf. „Du willst es also wissen?", sagte sie aufgebracht.
„Unser Vater war immer ein netter Mann. Er behandelte uns und unsere Mutter gut", fing sie an. „Da gab es nur ein Problem... Er hatte diese Fähigkeit. Er konnte die Lebenskraft anderer steuern, jeden Muskel und jedes Organ in jedem Körper so bewegen und so verdrehen wie er es wollte".
Sie schaute mich vernichtend an.
„Deswegen ist er verrückt geworden. Und als er verrückt wurde, nannte er diesen Fluch nur noch ‚das Blutbändigen' ".
Sie machte eine kurze Pause und ich glaubte wieder Tränen in ihren Augen erkennen zu können.
„Er wurde verrückt und bei einem harmlosen Streit tötete er unsere Mutter mit dieser Fähigkeit. Dann haute er ab und ich zog mit dir nach Meteor City, damit er uns nicht findet, aber er sucht uns".
Sie schaute mich durchdringend an.
„Er sucht uns und wenn er uns findet sind wir tot".

♢ ♢ ♢

Hisoka zog mich zu sich und riss mich damit zurück in die Gegenwart. Ich lag auf seiner Brust und hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag, was auf mich beruhigend wirkte.
Er hatte seine Arme beschützend um mich gelegt.
Mein Zittern wurde auch schwächer und meine Atmung gleichmäßiger.

Ich hatte gar nicht gemerkt wie Hisoka rein gekommen war, aber ich war froh, dass er jetzt da war.
„Was war los?", fragte Hisoka als er merkte, dass ich mich beruhigt hatte.
„I-ich h-habe diese Flashbacks", stammelte ich.
„Von meinem alten Leben... B-Bevor ich zu den Zoldycks gekommen bin. Und das macht mir Angst..."

Diesmal hatten mir die Flashbacks den Namen meiner großen Schwester verraten.
Aria... Ich war mir mittlerweile ganz sicher, dass sie die Frau war, die ich auf dem Ball mit Chrollo getroffen hatte. Ich erinnerte mich an ihre Worte...

„Bleib weg von mir. W-Wir dürfen nicht zusammen gesehen werden!"

Das hatte sie gesagt. Sie wollte also offensichtlich nichts mit mir zu tun haben...
Hasste sie mich? Weil ich die selben Fähigkeiten hatte wie unser scheußlicher Vater, der verantwortlich für den Tod an unserer Mutter war?
Wegen ihm musste ich in dieser Müllstadt Meteor City aufwachsen.
Aber warum hasste ich ihn nicht? Warum wollte ich mehr über ihn erfahren, wenn alles darauf hindeutete dass er ein schlechter Mensch war?

„Ich hatte eine Schwester...", erzählte ich Hisoka. „Sie heißt Aria. Aria Musuko".
Hisoka hörte aufmerksam zu.
„Und ich glaube... mein Vater war ein Mörder. S-So wie ich".
Ein dicker Klos steckte mir im Hals. Ich war nicht besser als mein Vater. Ich war auch Auftragskillerin gewesen und hatte nur für einen Mann den ich liebte, viele unschuldige Menschen in York New massakiert. Nur für Chrollo...

„Und außerdem mache ich mir Sorgen um Killua. Ich-"
„Eins nach dem Anderen", sagte Hisoka. „Wir werden mehr über deine Vergangenheit rausfinden. Ich helfe dir dabei".
Wieso war er plötzlich so nett? Wieso war ER so für mich da wie kein Anderer?

Dann setzte Hisoka sich auf. „Ich hol uns noch was zu essen. Du solltest dich noch etwas ausruhen, bis ich zurückkomme". Ich nickte. Er stand schon an der Tür, als mir noch etwas einfiel.
„Hisoka!"
Seine goldenen Augen trafen auf Meine.
„Bitte erzähl Illumi nichts davon. Ich glaube... Ich glaube er will nicht dass ich von Alldem weiß".

Hisoka nickte zögerlich. Dann verließ er das Zimmer.

♢ ♢ ♢

Erzählersicht:
Hisoka schlenderte durch die nächtlichen Straßen von Aiai-der Stadt der Liebe in Greed Island. Wunderschöne Mädchen liefen überall lang, doch keine davon interessierte ihn.
Gedankenverloren holte er sein Handy raus und wählte eine Nummer.
Illumi ging sofort ran.
„Sie kann sich an nichts erinnern", sagte Hisoka tonlos. „Sie hat keine Ahnung von ihrer Vergangenheit".

𝒑𝒐𝒌𝒆𝒓 𝒈𝒂𝒎𝒆 | chrollo x oc x hisokaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt