Kapitel 12

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"Jetzt sag schon", dränge ich Aisha, während ich immer mal wieder Richtung Tafel schaue, an der Mrs. Howard etwas über den Amerikanischen Bürgerkrieg erzählt. Da wir dieses Thema allerdings schon letztes Jahr hatten und ich in Geschichte sowieso gut bin, musste ich nicht unbedingt aufpassen. Und Aisha wird wohl ebenfalls auf diese Stunde verzichten müssen, da ich nun endlich wissen will, wie sie und Brandon zusammen gekommen sind. Mrs. Howard bekommt dies sowieso nicht mit, da die etwas ältere Dame viel zu sehr damit beschäftigt ist, Claire bewundernd anzuschmachten und sie mit Loben zu überschütten. Claire ist unsere beste Schülerin und somit der Lehrerliebling vieler. Verstehen kann ich es schon, denn neben ihren schulischen Leistungen, ist auch ihr Charakter engelgleich.

"Aisha!", flüstere ich befehlend und pikse ihr wieder in die Seite. Aisha stöhnt genervt auf, dreht dann ganz langsam ihren Kopf in meine Richtung und funkelt mich böse an. Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. Aisha's Blick lässt einem wirklich die Haare zu Berge stehen. Wenn man sich allerdings vorstellt, wie ein Muskelprotz wie Derek vor Angst die Flucht ergreift, verliert der Blick seine Wirkung.

"Sag mal, hast du irgendwas genommen oder warum bist du schon den ganzen Tag so hyperaktiv und klaust mir meine Nerven?!", stöhnt Aisha leise und ich sehe ihr an, wie genervt sie ist. Was mich allerdings nicht davon abhält, weiter zu bohren. Dass meine Überaktivität wohl dem Energiedrink zu verdanken ist, welchen ich heute morgen in aller Eile hinunter gekippt habe, verschweige ich. "Nö und jetzt sag" Aisha's darauffolgendem Blick lese ich ab, dass sie mich am liebsten getötet hätte, um endlich Ruhe haben zu können. Im Gegensatz zu mir liegt sie nämlich schon die ganze Stunde mit dem Kopf auf dem Tisch, während dunkle Schatten unter ihren Augen zu sehen sind. Eindeutig ein Zeichen von wenig Schlaf. Zudem ist ihre Laune auch nicht die beste, auch wenn sie sich bemüht, diese nicht an mir auszulassen. Allerdings habe ich die Hoffnung, ihre Laune durch das Thema "Brandon" verbessern zu können.

"Du wirst ja sowieso nicht aufhören!", murmelt Aisha geschlagen und dreht den Kopf zu mir. Ich nicke eifrig. Endlich habe ich sie soweit. "Du weißt ja, das Brandon früher nicht so beliebt war. Ja und mein Bruder hat ihn wie viele andere gemobbt und auch ziemlich oft geschlagen. Einmal habe ich das mitbekommen und habe halt eingegriffen. Joa und dann haben wir uns halt kennen gelernt und auch mal etwas unternommen. Irgendwann hat er mich dann geküsst und gefragt, ob ich mit ihm zusammen sein will. Und ich habe zugestimmt", rasselt Aisha demotiviert runter und ich blicke sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Das ist nicht das, was ich hören will. "Dein Ernst?", will ich wissen und schaue sie herausfordernd an. Aisha nickt müde und vergräbt ihren Kopf dann wieder zwischen ihren Armen.

Ich seufze leise und lasse sie in Ruhe. Eigentlich hätte ich jetzt eine romantische Liebesgeschichte voller Drama erwartet. Doch mir hätte klar sein sollen, dass ich so etwas heute nicht zu hören bekomme. Jedenfalls nicht von Aisha.

"Miss Chaplin, wären Sie so lieb und würden meine Frage beantworten?", zieht mich Mrs. Howards Stimme aus den Gedanken. Desorientiert blinzele ich nach vorne. Mrs. Howard steht an den Lehrerpult gelehnt da, eine Hand in der Hüfte und schaut mich freundlich lächelnd an. Ich lächele gequält zurück. Dass sie mich ausgerechnet jetzt Fragt, wenn ich keine Ahnung habe, ist natürlich mal wieder typisch.

"Ich habe die Frage leider nicht verstanden. Könnten Sie sie bitte wiederholen?", wage ich zu fragen und hoffe, dass sie heute gut gelaunt ist. "Da Sie schon die Hausaufgaben vergessen haben und nun schon wieder nicht aufgepasst haben, werde ich Ihnen nun etwas vorschlagen. Ich werde Ihnen die Frage wiederholen. Sollten Sie diese falsch beantworten, dürfen Sie sich aussuchen, ob Sie einen Aufsatz über den Bürgerkrieg schreiben oder Nachsitzen wollen. Beantworten Sie meine Frage richtig, werde ich Sie für den Rest der Stunde in Ruhe lassen und all Ihre Unaufmerksamkeit vergessen.", lautet ihre Antwort und meine Laune sinkt immer weiter. Die Wirkung des Energiedrinks lässt nach. Dass Mrs. Howard so etwas vorschlagen würde, wundert mich nicht wirklich. Sie ist berüchtigt dafür, Schülern eine zweite Chance zu geben, jedoch nicht ohne etwas dafür zu verlangen. Ich persönlich finde ich nett von ihr, da nicht wirklich viel verlangt wird. Nun, da ich in dieser Situation bin, sehe ich das ganze allerdings etwas anders.

Mrs. Howard, die mein Schweigen als Zeichen der Zustimmung nimmt, beginnt wieder zu sprechen: "Wo und wann war die letzte Schlacht?" Mir stockt der Atem, angesichts der schweren Frage. Mein Blick wandert über meine Klasse, die mich entweder neugierig betrachten oder aber desinteressiert aus dem Fenster schauen. In meinem Kopf schwirren alle möglichen Namen und Zahlen herum, die ich nicht ordnen kann.

Irgendwas mit P..Palitomi...Pilotomi...? Und am 12. Mai 1856. Aber wie hieß diese Ranch...Palimoti! Ranch Palimoti!

"Es war am 12. Mai 1856 und der Ort war die Palimoti Ranch!", sage ich selbstbewusst und weiß schon anhand Mrs. Howards Gesichtsausdruck, das ich falsch liege. Innerlich fluchend warte ich darauf, dass Mrs. Howard mich berichtigt.

"Das Datum stimmt, jedoch hieß die Ranch "Palmito", sagt sie da auch schon, wirkt allerdings eher betrübt als erfreut darüber, dass ich versagt habe. "Also: Nachsitzen oder Aufsatz? Mr. Uriel leitet heute das Nachsitzen", fügt sie noch hinzu und zwinkert mir zu. Ihr letzter Satz macht mir die Entscheidung um einiges leichter, das Mr. Uriel ein junger Lehrer und sehr aufgeschlossen ist. Das bedeutet auch, dass man beim Nachsitzen nichts machen muss.

"Ich werde zum Nachsitzen gehen", entscheide ich und packe meine Sachen zusammen. Mrs. Howard nickt lächelnd. "Viel Spaß dir", flüstert Aisha mir zu und ich kann mir ein augenverdrehen nicht verkneifen. Spaß werde ich mit Sicherheit nicht haben.

Das Getuschel meiner Mitschüler begleitet mich zur Tür, jedoch ignoriere ich dies. Mein Hand liegt schon am Türgriff, als Mrs. Howard mich noch einmal aufhält. "Oh und hohlen Sie doch bitte noch Mr. Kingston ab. Er wird sonst sicherlich nicht gehen"

***

Wer hat nochmal gesagt, das Übergangskapitel langweilig seien...? Diese Person hatte auf jeden fall recht! Aber mal ehrlich, ein Buch kann eben nicht nur aus spannenden Kapitel bestehen...auch wenn ich sagen muss, dass dieses wirklich miserabel ist. Naja, ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen.

Noch eine Frage: Wollt ihr eine Lesenacht?

Bis demnächst 😊

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