Kapitel 32

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Das Geräusch einer sich öffnenden Tür weckt mich sachte aus meinem Schlaf, in dem ich mich bis gerade eben noch befand. Verschlafen setze ich mich auf und rücke meinen Bademantel zurecht. Nur wage erinnere ich mich daran, wie ich nach dem Bad fix und fertig auf mein Bett gefallen bin. „Mum?", frage ich mit einem Hauch Angst in der Stimme. Dank der Leiche, dessen Bild immer noch vor meinen Augen auftaucht, denke ich natürlich erst mal wieder daran, dass mir gerade der Mörder höchstpersönlich einen Besuch abstattet.

„Hey", flüstert die Person und ich reiße geschockt meine Augen auf. Alex. Ich brauche nicht ein mal seine pechschwarze Haarpracht zu sehen, um mir dessen sicher zu sein. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als er sich mich nähert. „Was machst du hier?", frage ich leise, jegliche Müdigkeit erschient wie weggeblasen. Ich hätte tatsächlich nie erwartet, dass er hier noch einmal Aufkreuzen würde. Vor allem nicht um diese Uhrzeit. Mittlerweile muss die Nacht schon in die frühen Morgenstunden gehen, doch Mum ist noch nicht gekommen und ich hege den Verdacht, dass wir auch hier bis morgen bleiben werden.

„Ich wollte zu dir", ertönt wieder seine Stimme und seine Worte verursachen, dass alle anderen Gedanken weit in den Hintergrund rücken. In meinem Bauch wimmelt es gerade nur so vor kleinen Vögelchen, während mein Herz unregelmäßig pumpt. Langsam kommt er auf mich zu und bleibt schließlich vor dem Bett stehen. Mit einem Blick, den ich nicht deuten kann, blickt er auf mich herab, während ich mit großen Augen zu ihm hinauf blicke. „Was ist?", frage ich schließlich, um das entstehende Schweigen zu überbrücken. „Du bist so hübsch", antwortet er und zaubert mir eine Röte auf die Wangen. „Ah ja", gebe ich von mir, zugegebenermaßen etwas überfordert mit dem plötzlichen Kompliment. Alex lacht leise auf. „Was dagegen, wenn ich mich zu dir liege?", fragt er und deutet auf das große Bett. Ich schüttele eilig den Kopf. Am liebsten würde ich laut aufjauchzen, so glücklich bin ich gerade.

Kurz darauf liegt Alex neben mir und grinst mich verschmitzt an. „Und was jetzt?", fragt er und schiebt mir ein paar Haarsträhnen zurück. Dabei berührt er sachte mein Ohr, woraufhin sich dort eine Gänsehaut zu bilden beginnt. Ich zucke mit den Schultern als Zeichen, dass ich ebenso wenig eine Idee habe. Alex lacht leise, weshalb kleine, süße Fältchen um seine Augen bilden. „Küss mich", verlange ich schließlich und sein Lachen verstummt augenblicklich. Erst blickt er mich. „Echt?", fragt er nach und ich kann sie Unsicherheit in seiner Stimme deutlich hören. Ich nicke lächeln. „Ja und jetzt mach, bevor ich es mir anders überlege!" Das lässt er sich nicht zwei mal sagen. Eine Handbewegung später liege ich unter ihm, während seine Lippen gefährlich Nahe über meinen Schweben. Sein warmer Atem trifft auf mein Lippen und vergrößert das Verlangen, seine Lippen auf meine zu pressen. Ganz langsam senkt er seine Lippen zu meinen hinab und entlockt mir somit einen ungeduldigen Laut.

Er soll mich endlich küssen!

Seine Lippen sind gerade mal einen Millimeter von mir entfernt, als es plötzlich einen Lauten knall gibt. Das zersplittern von Glas ist zu hören, während Schüsse, gefolgt von Schreien durch die Nacht hallen. Mit einem Satz bin ich aus dem Bett und schaue mich Panisch um. Das große Fenster des Zimmers war zersplittert und zierte nun den hellen Fußboden. Kalte Nachtluft zog hinein, ließ mich frösteln. Ein weiterer Schrei halt durch die Nacht und in mir zog sich alles zusammen, angesichts der Schmerzen, welche dieser Schrei mit sich mitbrachte.

Ein knacksen lässt mich herum fahren. Das Blut gefriert in meinen Adern, während alle Geräusche um mich herum zu einem einzigen Ganzen verschwinden. „Summer!", brüllt Alex panisch, doch ich regiere nicht. Mein Blick wird von der Person vor mir gefesselt. Der Person, dessen Gesicht ich so gut kenne. Doch jetzt wirkt es so fremd. Narben zieren das einst hübsche Gesicht, verunstalten es und lassen es zu einer Maske der Grausamkeit erstarren. Die einmal so warmen Augen strahlen nun nur noch erbarmungslose Kälte aus. Noch mehr ängstigt mich das, was die Person in der Hand hat. Ein schwarz schimmernder Gegenstand, den ich erkenne, obwohl ich einen solchen noch nie gesehen habe. Es ist eine Pistole.

Noch ehe ich irgendetwas tu kann, drückt die Person ab. Mit schrecken verfolge ich die Flugbahn der kleinen Kugel, welche immer näher kommt. Immer näher, immer schneller nähert sie sich dem Ziel. Mein Brustkorb.

Das Blut rauscht in meinen Ohren, während irgendwo ein verzweifelter Schrei ertönt. Doch diese bekomme ich nicht mehr mit. Denn nun hat die Kugel mich erreicht und durchbohrt mit wie ein Stück Käse. Ich spüre keinen Schmerz, keinen Hass auf diese Person. Ich spüre nichts. Nur die Erkenntnis, dass Alex mich tötet, brennt sich in mein Hirn. Dann wird alles schwarz.

Keuchend und panisch aufschreien wache ich auf. Mein Herz schlägt immer noch wild gegen meinen Brustkorb. Hecktisch befreie ich mich aus meiner Decke und versuche, diesen schrecklichen Alptraum zu vergessen. Mein Blick wandert zu meinem Brustkorb, welcher nach gründlicher Untersuchung auch kein Loch hat. Mein Atem geht flach und unregelmäßig, während die Bilder des Alptraumes immer wieder vor meinem Auge auftauchen.

Nur ein Traum. Nur ein Traum. Nur ein gottverdammter Traum.

Langsam beruhigt sich meine Atmung, doch mein inneres ist noch immer in Aufruhr. Es erschreckt mich, dass ich so etwas träume, doch angesichts der Tatsche, dass ich heute zum ersten mal in meinem Leben eine Leiche gesehen habe, sollte es mich nicht wundern. Viel eher hat dieser Traum meine Gefühlen nicht gut getan. Denn nun weiß ich viel weniger, was ich eigentlich für Gefühle für Alex habe.

„Summer?", ruft Mums panische Stimme, bevor auch schon die Tür aufgerissen wird und meine besorgte Mutter herein stürmt. „Was ist passiert?", fragt sie weiter, nur diesmal etwas ruhiger, da sie sieht, dass es mir gut geht. „Alptraum", presse ich heraus und meine Augen wandern ziellos durch den Raum. Von Alex ist keine Spur, was mich aber auch nicht wundert. Schließlich war das alles nur ein Traum, egal, wie real er sich angefühlt hat. Doch etwas enttäuscht bin ich schon. „Oh, meine Armes Mäuschen", murmelt Mum in mein Haar und zieht mich fest an sich, „Aber du braucht keine Angst haben, ich bin da" Ich weiß, ihre Worte sollten mich beruhigen, doch das tun sie nicht. Nicht im geringsten. Denn um ehrlich zu sein kann niemand einen richtig schützen. So sehr man es sich auch wünscht.

***

Und hiermit ist die Lesenacht leider vorbei. Nach über zwei Stunden reicht es aber auch, oder?

Also...dieses Kapitel zu schreiben hat wirklich Spaß gemacht, zumal ich kaum eure Reaktion abwarten kann 😁.

Was mich auch brennend interessieren würde: Habt ihr erkannt, dass es ein Traum ist und falls ja, wann?

Dann wünsche ich euch mal ein schönes Restwochenende und an alle, die in Baden-Württemberg wohnen: schöne Herbstferien ❤❤

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