Kapitel 13

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Ich erstarre, die linke Hand immer noch auf der Türklinke. Innerlich betend, dass ich mich gerade verhört habe, wage ich nicht, mich umzudrehen. Die neugierigen Blicke meiner Mitschüler brennen sich förmlich in meinen Rücken und ich fühle mich immer unwohler.

"Miss Chaplin?", fragt Mrs. Howard besorgt, mit einem Hauch von Misstrauen, nach. Ich blicke zu Boden, die Augen zusammengepresst und die Lippen gekräuselt.

Warum? Warum muss ausgerechnet ich Alex zum Nachsitzen abholen? Schlimm genug, dass ich auf ihn zugehen muss. Dass es dabei aber auch noch um etwas weniger schönes geht, auf das er sicher genauso wenig Lust hat, wie ich, gleicht einem Weltuntergang. Ein pechschwarzer Weltuntergang mit blaugrauen Augen, der den Namen Alex trägt. Es ist nicht so, dass ich Angst vor Alex habe, jedoch hege ich einen solchen Hass auf ihn, dass ich es nicht ertragen kann, ihm zu begegnen. Doch auch der Schmerz, der noch immer so tief in meinem Herzen sitzt, hindert mich daran. Jedes mal, wenn ich seinen wunderschönen und doch so eiskalten Augen begegne, reißen die alten Wunden wieder ein Stück weit auf und bescheren mir erneut den Schmerz. Ja, ich bin verletzlich. Sehr sogar. Viele würde es als übersensibel bezeichnen, doch ich bin das sicher nicht freiwillig. Aber wenn ich eines in meinem Auslandsjahr gelernt habe, dann, dass Verletzlichkeit nichts mit Schwäche zu tun hat. Auch wenn es mir immer noch schwer fällt, meine Verletzlichkeit als Stärke und nicht Schwäche anzusehen.

Ein Husten Aishas reißt mich aus dem Gedanken, in denen ich zu versinken drohe. Ertappt blicke ich auf und erinnere mich an meine Aufgabe. Alex Kingston abholen.

Kingston...

Es ist mir, als würde dieser Name einen Schalter in mir umlegen. Ich erinnere mich an etwas. Etwas, dass den Hoffnungsschimmer in meinem Inneren zu einem leuchtenden Feuer werden lässt. Jedoch wage ich nicht, dieser Hoffnung allzu viel Brennmaterial zu geben. Zu groß ist die Angst, enttäuscht zu werden.

"Welchen Kingston meinen Sie denn?", presse ich mühsam hervor und bete, dass sie Dylan meint, welcher in meine Stufe geht. Dylan Kingston. Alex's kleiner Bruder. Dadurch, dass ich mit dem Rücken zu Mrs. Howard stehe, kann ich ihren erstaunten Blick nur erraten. "Ich meinte natürlich Dylan Kingston", antwortet sie schlicht, wenn auch etwas belustigt und mir fällt ein Stein vom Herzen. Nicht Alex. Nur Dylan. Keine Schmerzen. Nur lästige Kommentare oder idiotische Sprüche.

Erleichtert nicke ich hektisch. "Werde ich machen, Mrs. Howard", rufe ich erleichtert aus, bevor ich die Tür aufreiße und aus dem Klassenzimmer stürme. Meine Erleichterung, nur die Miniaturversion von Alex zum Nachsitzen abholen zu müssen, kann man gar nicht in Worte fassen.

Dylan Kingston. Meiner Meinung nach klingt der Name genauso langweilig, wie Alex Kingston. Auch der Charakter ähnelt dem des Älteren. So wie Alex der Player der Seniors ist, so ist Dylan der Player meiner Stufe, den Juniors. Allerdings hatte ich mit Dylan bisher sehr wenig zu tun und auch nur einmal gesprochen. Auch wenn sich dieses Gespräch auf die Worte "Pass doch auf!" und "Sorry" beschränkten. Die Situation zu diesen Worten kann man sich sicher schon vorstellen. Ich bin über seinen Rucksack gestolpert und auf den Boden geknallt. Dabei hat sich der Inhalt Dylan's Rucksack auf dem Boden verteilt, was Besagter weniger witzig fand. Ich im übrigen auch nicht, da dieser Sturz einen gebrochenen Finger zur Folge hatte. Doch anstatt zu helfen hat dieser Idiot mich angemault und ist dann gegangen, ohne sich über mein Wohlbefinden zu informieren. Dabei waren die Tränen und die Schmerzenslaute meinerseits nicht misszuverstehen. Mein jüngeres Ich war allerdings sehr schüchtern, weshalb ich nicht mal auf die Idee kam, ihm etwas hinterher zu brüllen. Stattdessen brachte ich nur mit Mühe ein „Sorry" heraus, welches er allerdings nicht mehr mitbekam. Unsere Begegnung war also weniger schön.

„Hola! ¿A quién tenemos allí?", spricht mich eine eindeutig männliche Stimme amüsiert an, die ich dank dem leichten mexikanischen Akzent als Enrique identifiziere. Auch seine Frage, wen wir denn da haben, ist typisch Enrique. „Eine etwas in Erinnerung versunkene Summer!", gebe ich etwas schroffer als beabsichtigt von mir und blicke auf. Enriques dunkle Augen funkeln mich an, doch welches Gefühle sich in ihnen spiegeln, kann ich nicht erkennen. Bilder von vor einem Jahr, als Alex mir das Herz brach und der Begegnung gestern, steigen in mir auf. Sofort sinkt meine Laune um neunzig Prozent.

„¿Alguien tiene un mal humor?", fragt er weiter und ich seufze leicht genervt auf. „Nein, ich bin nicht schlecht gelaunt! Und wenn du jetzt bitte wieder Englisch sprechen würdest? Langsam wird es mir zu anstrengend und meine Nerven haben ehrlich gesagt auch keine Lust darauf!", pampe ich ihn an, woraufhin er in schallendes Gelächter ausbricht. „Keine Schlechte Laune. Ist klar", sagen er lachen, während ich mit regloser Miene an die Wand hinter ihm schaue in warte, bis er sich weitgehend beruhigt hat. Dass meine Laune inzwischen den Tiefpunkt erreicht hat, dürfte ziemlich offensichtlich sein. Ich kann einfach nicht glauben, dass Enrique nach all dem einfach so tun will, als ob nichts geschehen wäre.

„Hör zu Enrique! Es freut mich ja wirklich, dass dich meine bloße Anwesenheit zu einer Kichererbse mutieren lässt, jedoch muss ich leider Dylan zum Nachsitzen abholen, weshalb du dir wohl jemand anderes zur Unterhaltung suchen musst", sage ich bewusst falsch lächelnd, drehe mich um und laufe los. Dass er mich nicht gehen lässt, hätte mir eigentlich bewusst sein sollen. „Warte was? Zum Nachsitzen? Du auch? Wie geil!", ruft er laut aus und hört sich tatsächlich begeistert an, während ich das Bedürfnis verspüre, den Kopf gegen die Wand zu hauen. Das Glück schient heute nicht auf meiner Seite zu sein. Ohne auf seine Worte einzugehen, laufe ich weiter und beschleunige. „Hey! Jetzt warte doch mal! Summer! Hey!", ruft er empört, wenn auch verwundert, dass ich ihn einfach stehen lassen habe. Kurz darauf höre ich schnelle Schritte, bevor sich ein schwerer, Muskelbepackter Arm auf meine Schulter legt. Im ersten Moment bin ich von seiner Dreistreit zu überrascht, um reagieren zu können. Dieser Moment hält allerdings nur ein paar Sekunden. Dann bleibe ich Ruckartig stehen.

Der spinnt doch!

„Sag mal, hast du irgendwie Todessehnsucht? Nimm deinen Arm von meiner Schulter oder es gibt einen Tritt dahin, wo die Sonne niemals hin scheint!", knurre ich sauer und funkele ihn an. Ich weiß nicht, ob es an meinen Worten oder meinem wütenden Gesichtsausdruck liegt, aber Enriques Arm verschwindet ruckartig von meiner Schulter. Mit einem zufriedenen Nicken setzte ich meinen Weg fort, gefolgt von Enrique, der jedoch mit gebührendem Abstand neben mir läuft. Wir kommen geschlagene zehn Meter weit.

„Ey Enrique! Warte mal! Alex und ich kommen auch mit!", brüllt plötzlich Dylan hinter uns und lässt mich erstarre. Ja, das Glück ist heute definitiv nicht auf meiner Seite!

***

Hey Leute😊

Und noch ein langweiliges Kapitel. Allerdings habe ich euch alle etwas veräppelt...

Was haltet ihr von dem Kapitel?

Und sorry, dass so lange nichts kam 😅

Bis dann 👋

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