Kapitel 33

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„Hey Summer", begrüßt mich Brandon erfreut, als ich meine Tasche auf den Tisch neben ihn fallen lasse, nur um meinen Hintern dann auf dem nebenstehenden Stuhl zu platzieren. „Hey", gebe ich etwas unmotiviert, angesichts der kommenden Stunde, zurück. Während ich meinen Collegeblock aus der Tasche krame, schaue ich mich suchend im Raum um. Die erste Stunde haben wir Physik, welches auch gleichzeitig der einzige Kurs ist, den Aisha, Brandon und ich gemeinsam haben. Doch gerade jetzt ist keine Spur von der hübschen Blodine zu sehen.

Ob es ihr wohl immer noch so schlecht geht?

„Wo ist Aisha?", frage ich schließlich an Brandon gewandt, welcher gerade dabei ist, in seinen Collegeblock voll zu kritzeln und mich dabei an die Malversuche der dreijährigen Jane erinnert. Ich kenne zwar nicht den Stundenplan der Beiden, doch ich bin mir fast sicher, dass sie heute schon ein Fach gemeinsam hatten.

Brandon sieht überrascht auf und blickt sich ebenfalls im Raum um, ehe sein stirnrunzelnder Blick zu mir wandert. „Eigentlich wollte sie nur schnell auf die Toilette", gibt er mir schließlich Auskunft und wirkt ehrlich besorgt. Auch mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass Aisha irgendwo alleine ist. Wie genau es um ihren Zustand steht, weiß ich nicht, da sich keiner der Beiden bei mir gemeldet hat und ich es schlichtweg vergessen habe - auch wenn ich mich im Nachhinein dafür schäme. Schließlich betrachte ich Aisha als so etwas wie eine Freundin, auch wenn es früher einige Unstimmigkeiten gab. Allerdings hat sich Aisha sehr verändert und ist nun zu einer selbstständigen Frau geworden, die kein Herrchen mehr benötigt. Auch vertritt sie nun ihre eigene Meinung, auch wenn ich manchmal bemerke, wie schwer es ihr fällt.

„Könntest du vielleicht mal nach ihr schauen?", bittet mich Brandon und er scheint sich mehr als unwohl dabei zu fühlen, mich darum zu bitten. Ganz verstehen kann ich ihn nicht. Klar, Aisha ist seine Freundin, aber er kann wohl schlecht in die Mädchentoilette gehen. „Klar doch. Wahrscheinlich hat sie sich verquatscht oder hat ihre Tage bekommen oder so", willige ich ein und schenke ihm ein beruhigendes Lächeln, auch wenn ich selbst nicht richtig an meine Worte glauben kann.

Aishas verzweifelter Anblick brannte sich immer noch in mich, ebenso die Wut und der Hass, welcher sich in ihren Augen zeigte. Aber vielleicht kann ich heute mehr darüber heraus finden - und ganz vielleicht auch mit ihr über Alex sprechen. Denn ich habe definit rede bedarf und mir fällt niemand geeigneteres als sie ein. Die Sache mit der Leiche werde ich allerdings für mich behalten. Nicht, weil ich ihr nicht genug vertraue, sondern weil es selbst für mich so absurd und krank erschient. Damit möchte ich Aisha nun wirklich nicht belasten, zumal ich auch gar nicht wüsste, wie ich es aussprechen sollte.

„Danke", seufzt Brandon und lenkt somit meine Aufmerksamkeit auf sich. In seinen so warmen, braunen Augen schimmert Dankbarkeit, doch ich kann auch eine Unruhe in ihnen ausmachen, welche mich zuerst stutzig macht. Dann jedoch erinnere ich mich daran, dass er und Aisha zusammen sind und beschließe, dass diese Unruhe damit zusammen hängt.

Ich nicke ihm einmal lächelnd zu und laufe dann mit meiner Tasche unter dem Arm hinaus, was mir einen verstörten Blick einiger Mitschüler einbringt. Mich davon nicht beirren lassen, gehe ich zielstrebig den Gang zu den Toiletten entlang. Auf dem Weg kommen mir nur weniger Schüler entgegen, welche mir meinst nur einen gehetzten Blick zu werfen und dann weiter eilen. Von den wenigen Lehrern ernte ich entweder eine Hochgezogene Augenbraue oder ein Fragender Blick, doch die meisten ignorieren mich.

Schließlich erreiche ich die Toiletten und stoße ich Erwartung, gleich eine verheulte Aisha vor mir zu haben, die Tür auf. Der Geruch nach Wasser und Zitrone schlägt mir entgegen und lässt mich kurz die Nase rümpfen, während mein Blick über die Kabinen und den Waschbeckenbereich vor mich gleitet. Doch was ich stattdessen sehe, lässt mir vor erstaunen den Kinnladen offen stehen.

Wie erwartet ist Aisha anwesend, doch statt verheult in einer der Kabinen zu hocken, tanz sie fröhlich vor mich hin und schmetter irgendeinen, mir unbekannten, Song. Ihre Augen stahlen förmlich, während sie mit der Leichtigkeit einer Gazelle zu einem Song bewegt, welcher ich wegen der Kopfhörer nicht hören kann. Dabei wirken jeder ihrer Bewegungen so flüssig und aufeinander abgestimmt, als würde sie schon ihr ganzen Leben lang nichts anderes tun.

Ich würde Lügen, würde ich sagen, dass sie dabei nicht wunderschön aussieht. Ihre hübschen Locken hüpfen lustig auf und ab und mit dem Strahlen im Gesicht wirkt sie wie ein frisch verliebtes Teenagermädchen - einfach nur schön. Sie bewegt sich in ihrer ganz eigene Welt, in der es nichts anderes gab, als sie und die Musik. Von der tieftraurigen Aisha ist nichts mehr zu sehen.

Fasziniert betrachte ich jeder ihrer Bewegungen und lausche der, zugegebenermaßen, wunderschönen Singstimme, als die plötzlich erstarrt und ihre Stimme mitten drin abbricht. Keine Sekunden weiß ich auch den Grund, als sich ihre grünblauen Augen in meine Bohren. Zuerst ist ihr Blick verwirrt, bevor er in Überraschung und anschließende Freude umschlägt. „Summer!", ruft sie aus und zieht sich die Stöpsel aus den Ohren. Dann kommt sie auf mich zu gefegt, nur um ihre zierlichen Arme um mich zu schlingen. Perplex realisiere ich, dass Aisha mich so eben umarmt und es mir nichts ausmacht - auch wenn ich Umarmungen außerhalb meiner Familie sonst überhaupt nicht leiden kann. „Was machst du hier?", fragt sie dann und lässt mich los. Ich bringe etwas Abstand zwischen uns, gebe ihr aber mit einem Blick zu verstehen, dass das nichts mit ihr zu tun hat.

„Dein herzallerliebster Teddybär aka Brandon macht sich sorgen um dich und da du anscheinend zur Toilette wolltest, bin ich dich suchend gegangen", antworte ich, lasse jedoch meine Ängste, Aisha hätte einen Rückfall, ungesagt. Meine Worte bringen Aisha dazu, herzlich loszulachen. „Da hat der herzallerliebste Teddybär recht. Allerdings hat mich dann dieses eine Lied so sehr gepackt, dass ich die Zeit vergessen- Wie viel Uhr ist es eigentlich?", beginnt sie, nur um sich dann selbst mit einer Frage zu unterbrachen. Ich zucke nur mit den Schultern, da mein Handy immer noch in den tiefen meines Rucksack schlummerte und ich selbst kein Fan von Armbanduhren bin.

Mit der Hand deute ich auf Aishas linke Hand, in der sich immer noch ihr Handy samt Kopfhörer befindet. Aishas Gesichtsausdruck macht deutlich, dass sie meine Geste zuerst nicht versteht, allerdings schlägt sie sich gleich darauf gegen sie Stirn, was mir ein schmunzeln entlockt. „Shit! Physik läuft schon seit zehn Minuten!", ruft sie dann panisch aus und lässt ihre Augen hektisch zwischen dem Handy und mir hin und her wandern. Auch mich sollte diese Nachricht in Panik versetzten, doch erstaunlicherweise bleibe ich ziemlich gelassen. „Na und? Dann schwänzen wir halt. Ich habe sowieso noch viel zu erzählen", meine ich achselzuckend und Aisha sieht mich aus großen Augen erstaunt an. „Ernsthaft jetzt?", fragt sie, nicht ganz glauben könnend, dass ich diese Worte erst meine. Auch ich bin zugegebenermaßen überrascht von mir, jedoch vernichte ich jeden kleine Stückchen zweifel und schlechtes Gewissen, sobald es auch nur aufzutauchen wagt.

Selbstsicher nicke ich und Aisha zuckt nach einigen Sekunden misstrauischem begutachten meiner Gesichtszüge mit den Schultern. „Okay", gibt sie von sich und lehnt sich gegen einer der Türen einer Kabine. „Also, was gibt's so dringende, dass du selbst die Schule dafür schwänzt?", beginnt sie, aber ich schüttele den Kopf. „Wir müssen zuerst Brandon sagen, dass es dir gut geht. Sonst macht sich der arme Kerl noch selbst verrückt", widerspreche ich und Aisha nickt, ehe sie ihr Handy zur Hand nimmt und ein paar mal auf die Tasten haut. Kurz entsteht ein Schweigen zwischen uns, welches durch ihr enthusiastisches in die Hände klatschen endet. „Gemacht. Und jetzt schieß endlich los, bevor ich hier noch vor Ungeduld sterbe!", fordert sie mich auf und ich ich versteife mich ungewollt.

***

Hey Zusammen😅.

Irgendwie bin ich gerade total in Schreiblaune, weshalb gleich das nächste Kapitel kommen wird, welches auch spannender ist...man muss mich nicht verstehen, schließlich habe ich erst gestern sieben Kapitel raus gebracht...

Also bis gleich 👋

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