6 Harrys Geheimnis

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Viel war an dem Tag nicht mehr geschehen. Malfoy hatte sie nach dem Essen zu ihren Räumen gebracht.

Ihre Verabschiedung war kühl und distanziert gewesen. Dieser verdammte Slytherin hatte sogar noch die Frechheit besessen ihr zu sagen, sie solle sich mehr wie seine Freundin verhalten und dass ihre Schauspielkünste zu wünschen übrig gelassen hätten. Das hatte sie nicht kommentiert, sondern ihm das Porträt vor seiner Nase zugeschlagen.

Sie war froh, als sie in den Schulsprecherräumen nur Harry antraf. Er saß in einem der großen Ohrensessel vor dem Kamin, sie nahm in dem anderen Platz. Ihr alter Freund sah sie lange und nachdenklich an, ohne ein Wort von sich zu geben. Sie dagegen mied seinen Blick.

„Dir geht's wieder gut?", fragte er schließlich. „Ja, es war nichts Besonderes", gab sie ihm zurück.

Harry lächelte. „Du warst schon immer gut darin zu verbergen, wie es wirklich um dich steht, deshalb glaube ich mal dem, was du sagst und vor allem dem, was Madame Pomfrey gesagt hat."

Sie gab darauf keine Antwort. Wollte er ihr damit sagen, dass man ihr nicht mehr glauben konnte?

„Wir hatten heute wirklich Angst um dich... aber du hast nur die Hälfte mitgekriegt. Ron dreht durch... ich wollte ihn so weit weg von dir und Malfoy wissen, wie es nur geht. Sonst hätten das alles noch in einer Prügelei geendet."

Ron... Ihr Herz wurde allein bei dem Namen schwer. So schwiegen sie sich eine Zeit lang an, bevor Harry erneut das Wort ergriff.

„Malfoy, hmm?", fragte er schließlich. Hermione konnte nicht anders als mit den Schultern zu zucken. „Warum ausgerechnet Malfoy?", bohrte Harry deshalb nach.

„Warum Ginny?", fragte sie zurück. Es war eine gemeine Frage, das wusste sie, aber was sollte sie ihm antworten? Weil Ron Malfoy am meisten von allen Schülern hasste?

Sie konnte sehen, wie Harrys Zähne aufeinander mahlten. „Du weißt, dass mir dein Glück mehr bedeutet als vieles Andere?", es war eine rhetorische Frage, deshalb gab sie keine Antwort darauf.

„Malfoy ist ein eingebildetes, arrogantes Arschloch", fügte er hinzu. Sie konnte dem nur zustimmen, deswegen sagte sie besser nichts.

„Aber ich glaube, dass wir unseren Teil dazu beigetragen haben, dass er so wurde, wie er ist", sie starrte Harry mit offenem Mund an. Meinte er das ernsthaft? Malfoy tat nie etwas, woraus er keinen Nutzen zog.

„Du weißt von dem Unfall damals, mit dem Spruch des Halbblutprinzen." Harry hatte ihr alles davon erzählt oder zumindest dachte sie, dass er ihr alles erzählt hätte. Aber irgendwie ließ sein Tonfall auf etwas anderes schließen.

„Zugegeben, ich hatte ihn unter Verdacht, dass er schwarzmagische Artefakte nach Hogwarts schmuggeln wollte. Rückblickend betrachtet, hatte ich zwar recht, aber die Annahme, dass er es war... es war wohl mein Hass auf ihn, der mich immer das Schlimmste von ihm glauben ließ", gestand Harry, „der Spruch... ich habe ihn damals schwer verletzt. Schwerer als ich es irgendjemand je erzählt habe."

Sie wusste auch davon, dass Harry Malfoy verletzt hatte.

„Wäre Snape nicht gekommen, wäre Malfoy gestorben", diese Aussage von Harry schockierte sie nun wirklich. Sie hatte mitbekommen, dass es eine Auseinandersetzung gegeben und dass Harry schwarze Magie angewendet hatte, aber nicht, wie schwer Malfoy tatsächlich verletzt worden war.

„Was?", fragte sie leise nach.

„Du hast schon richtig gehört", erklärte er eindringlich, „ich hätte ihn beinahe umgebracht."

Stille breitete sich zwischen ihnen aus.

„Als ich begriff, was ich getan hatte, war überall Blut", Harry schauderte bei dem Gedanken, „er lag reglos, wie tot am Boden und ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm hätte helfen können. Deshalb mag ich den Expelliarmus Zauber so gern. Er verletzt niemanden..."

„Ach Harry", sie erinnerte sich noch zu gut, in welche Schwierigkeiten ihn dieser spezielle Zauber beinahe gebracht hatte.

„Worauf ich hinaus will: Hätte Malfoy damals gepetzt und er hatte wirklich allen Grund dazu, wäre ich heute nicht mehr in Hogwarts, sondern in Azkaban." Hermione schluckte. So schwer ihr diese Erkenntnis auch fiel, Harry hatte recht. Einen anderen Schüler zu töten oder es auch nur zu versuchen, war ein schwerwiegendes Verbrechen. Vielleicht hatte Malfoy Angst gehabt, dass Harry doch Beweise gegen ihn vorlegen könnte. Ihre Gedanken jagten einander.

„Weißt du", Harry starrte ins Feuer und beobachtete dabei das Spiel der Flammen, „ich glaube, Malfoy ist besser, als er sich selbst eingestehen will. Und vielleicht bist genau du, diejenige, die seine positiven Seiten nach außen kehren kann."

Das glaubte sie nun wirklich nicht. Dennoch warf Harry ihr ein Lächeln zu.

"Wenn es wer kann, dann bist du es", meinte er mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck, „auch wenn ich wohl nie der beste Freund von Malfoy werde, wünsche ich dir dennoch viel Glück. Und ich muss ihm wohl zugestehen, dass es ihm vor uns aufgefallen ist, dass du heute... krank geworden bist."

Mit diesen Worten stemmte er sich aus seinem Sessel hoch und ließ sie allein zurück.

Hermione starrte in das Feuer. Sie hatte erwartet, dass gerade Harry wütend wäre, da sie angeblich mit seinem Erzfeind ausging. Aber Harry... sie glaubte ihm nicht, dass er sich für sie freute, sie glaubte ihm auch nicht, dass er die Beziehung zu Malfoy gut hieß. Aber sie glaubte ihm, dass er bereit war, über seinen eigenen Schatten zu springen.

In Gedanken versunken schlief sie schließlich ein.


Die WinWin Situation (Dramione)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt