E I G H T

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„Lass uns zu Erst zur Bücherei gehen” schlug Evelyn vor, wieder auf den Schlüssel in ihrer Hand starrend. Sie drehte wie schon am Abend zuvor, als sie von ihrer Patrouille zurückgekehrt war, zwischen ihren Fingern hin und her und beobachtete, wie er im Licht glänzte, während sie durch die leeren Korridore schritten. „Die ist nicht so weit weg”

„Meinetwegen”

Eugene war heute eindeutig nicht in bester Stimmung. Evelyn wurde das Gefühl nicht los, dass es an ihr lag. Vielleicht weil er wegen ihrer Verspätung letzten Abend kaum Schlaf abbekommen hatte, oder er hatte einfach keine Lust auf sie.
Wahrscheinlich beides.

Ihre Augen wanderten betreten zu Boden. „Tut mir leid.”
Er warf ihr einen verwirrten Seitenblick zu.

„Was meinst du?”

„Ihr hattet alle wegen mir eine verdammt kurze Nacht und jetzt musst du auch noch mit mir kreuz und quer durchs ganze Schulhaus laufen.” erklärte sie ihm ihre Sicht der Dinge und betrachtete nervös den Blonden um seine Reaktion zu lesen, aber er musterte sie weiterhin mit einem Blick, den sie nicht deuten konnte.
Sie sah wieder weg.
„Du musst das nicht machen. Ich kann das auch alleine. Dann kannst du dich ausruhen.”

Eugene schnaubte abfällig und wandte sich ebenfalls von ihr ab.
Schon wieder hatte sie das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben.
„Werd nicht albern” gab er in einem Tonfall zurück, welcher Evelyn sich wie ein dummes kleines Kindergarten-Kind fühlen ließ. „Wir sind schon da”

Er deutete auf eine Tür, die etwas größer war als der Durchschnitt.
'BÜCHEREI' stand in Großbuchstaben darüber und unwillkürlich versuchte Evelyn sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal in einer solchen gewesen war.

In die ihrer alten Schule hatte sie nie auch nur einen Fuß gesetzt, warum war ihr selber nicht klar.
Aber sie war schon einmal in einer Bücherei gewesen, da war sie sich sehr sicher.
Sie konnte sich nur nicht mehr wirklich daran erinnern.

Das war wohl auch der Grund, weswegen sie jetzt so aufgeregt war.
Ein Wenig nervös trat sie näher an die Türe und zückte den kleinen Silber-Schlüssel.
Wie es dort wohl aussah? Auch so chaotisch wie im Rest des Gebäudes? Oder ordentlich und unberührt?

Aber das spielte keine Rolle.
Als Evelyn versuchte den Schlüssel in das Schlüsselloch zu stecken, musste sie feststellen, dass er nicht passte. Er war zu klein.

Enttäuscht ließ sie ihre Hand sinken.
„Er passt nicht” teilte sie Eugene mit, der ein wenig hinter ihr stand und so aussah, als hätte er das bereits erwartet.

„Wir haben ja noch so um die siebenhundert Türen in der Schule. Bereite dich schon Mal darauf vor, dass der Schlüssel für eine Tür ist, die schon offen ist.” Er klang gleichgültig, natürlich nicht ohne die nicht wirklich kleine Briese Sarkasmus, die in allem was er von sich gab mit schwang und seine Lustlosigkeit an dieser Sache hier klar ausdrückte.

„Ja, wahrscheinlich” Evelyn seufzte. „Aber noch wissen wir es ja nicht, also los zum nächsten Raum.”
Eugene setzte sich in Bewegung und bedeutete ihr ihm zu folgen.
„Das wäre der Computerraum.”  meinte er, als Evelyn ihn eingeholt hatte und ihn fragend ansah.
„Ok, dann Mal los!”

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Dreieinhalb Stunden und um gefühlt hundert Schlösser später waren beide, Eugene und Evelyn gleichermaßen frustriert. Sie schleppten sich inzwischen nur noch von Tür zu Tür und hatten jedes noch so kleine Fünkchen Hoffnung, dass sie das passende Schloss heute oder überhaupt irgendwann finden würden, erstickt.

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