T H I R T Y

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Nach dem Frühstück, an welchem weder Hailey noch Sue teilnehmen wollten, hatte Lawrence ihnen die eingezeichnete Route auf der Stadtkarte gezeigt, die die 'Auserkorenen' auf der Außenpatrouille nehmen würden und vor allem wo hin sie gehen werden. Das Ziel dieses regelmäßig stattfindenden und riskanten, doch notwendigen Unterfangens war wieder das gleiche Einkaufszentrum, welches bereits schon die letzten beiden Male als Alternative Vorratskammer hatte herhalten müssen. Es war nicht das gleiche in dessen Nähe Evelyn sich den Fuß verletzt hatte, nein. Zu jenem hatten sie nur zweimal gehen können, da beinahe all die Nahrung bei dem zweiten Besuch verschwunden war, wie man der Hellblonden mitgeteilt hatte. Wieder ein Beweis, dass es noch mehr Überlebende gab.

Sie fragte sich ob sie jemals auf eine andere Gruppe stoßen werden und wie so ein Aufeinandertreffen ausgehen würde. Evelyn machte sich keine große Hoffnung auf eine friedliche Koexistenz, sobald sie Mal auf eine weitere Notgemeinschaft trafen, je nach dem wie viele Mitglieder diese hatte und je nach dem wie feindselig diese waren.

Evelyn aß ihr Frühstück und ließ die gegenwärtige Stimmung in ihr Gemüt einsickern. Sue und Hailey waren wieder einmal nicht erschienen und ihr fiel auf, dass es ohne die beiden weniger bedrückend war. Es gab vereinzeltes Gelächter, wenn auch nur selten, es wurde mehr geredet und wenigstens ein Hauch der vergangenen und hoffnungsvollen Atmosphäre schien zurückgekehrt. Sie nahm außerdem aus dem Augenwinkel wahr, wie Eugene neben ihr immer wieder kurze Blicke auf sie warf, so als müsste er sich vergewissern, dass sie noch an Ort und Stelle saß.

Nach der erste Mahlzeit des Tages machte sich dann schließlich die Außenpatrouille zum Aufbruch bereit. Die vier Jungen bewaffneten sich und statteten sich mit jeweils einem Rucksack aus, wie immer lag dabei eine gewisse Anspannung in der Luft, eine atembare Ahnung, dass man vielleicht nicht mehr zurück kommen würde, wenn man jetzt nach draußen ging, und gleichzeitig ein Gefühl, an dem man zu ersticken drohte, dem Ende ganz nahe zu sein. Evelyn ging schließlich nocheinmal durch die Runde und drängte allen Vieren eine herzliche Umarmung auf. Sie war so gut aufgelegt an diesem Tag, das sollten die anderen ruhig zu spüren bekommen. „Passt auf euch auf”

Harry grinste ermutigend. „Keine Sorge. Wir kommen alle wieder und dann musst du uns noch Mal umarmen.” Er fuhr Evelyn spielerisch durch die hellen Locken, was sie mit einem kurzen Auflachen quittierte. Lawrence blickte ein wenig besorgt drein als er zu ihr und Zion sah. Als die 'Mama' die er war, schien er sich nicht besonders wohl zu fühlen bei dem Gedanken Evelyn mit ihm alleine zu lassen, was irgendwo verständlich war. Schließlich konnte jeder hier der Mörder sein und obwohl Eugene gemeint hatte, die anderen waren der Überzeugung Evelyn sei diejenige, war sie sich wiederum sicher, dass ein Täter des anderen Geschlechts erwartet wurde.  So wäre der Verräter nun in diesem Augenblick mit ihr im selben Raum. Wie immer wenn ihre Gedanken in diese Richtung abdrifteten, überkam sie eine Wachsamkeit die nichts mehr mit 'Jagen' zu tun hatte. Viel eher war es die Vorsicht eines Reh's welches schon längst die hungrigen Augen des Wolfes auf seinem Leib bemerkt hatte, nur nicht wusste woher die Blicke kamen. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Oberarmen.

Eugene winkte ihr, was sie freudig erwiderte, und feuerte kurz darauf einen warnenden Blick auf Zion ab, der die unausgesprochene Botschaft wohl genauso gut verstand wie Evelyn, da sich seine Stirn in Falten legte und seine Brauen sich zusammen zogen. Es war eine Drohung, die der Blonde an den Älteren sandte.

'Wenn sie verschwindet wissen wir wer es war. Dann bist du tot.'

Ungefähr diese Worte glaubte die Hellblonde deuten zu können und sie fragte sich ob sie das warme und beinahe euphorische Pochen ihres Herzens in den Griff bekommen sollte. War es falsch sich über einen solchen Blick zu freuen? Sie beschloss dass es keine Rolle spielte. Sie war sich nur dessen bewusst, dass es in ihrem Gefühls-verwirrten Zustand vermutlich eh unmöglich wäre ihre Emotionen unter Kontrolle zu kriegen, ob sie es nun wollte oder nicht.

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