Evelyn saß nach Stunden immernoch so da. Auf dem Boden. Ihr Blick ausdruckslos. Ihre Augen geschwollen und gerötet, unangenehm ausgetrocknet. Ihr hellblondes Haar nach wie vor in dem unordentlichen Dutt gebunden. Einige Strähnen hatten sich aus dem Zopf gelöst und hingen ihr nun in das tränennasse Gesicht.
Sie saß da wie eine abgelaufene Spieluhr, ein vergessener Kindertraum.Und dann stand sie auf. Während sich Evelyn auf die Beine kämpfte, strich sie sich Ethans Jacke von den Schultern, ließ sie achtlos auf den Boden fallen und wankte dann zu ihrem Schrank. Ihre zitternde Hand griff nach dem Skizzenbuch und als sie endlich den rauen Stoffeinband mit ihren Fingern ertasten konnte, wurde sie von einem Gefühl der Geborgenheit, jedoch auch tiefer Depression übermannt.
Der kleine Eulenanhänger funkelte hell im Mondlicht, als sie den Buchdeckel aufschlug und dann durch die Seiten blätterte.
So viele Zeichnungen. So viele Erinnerungen.
Eine Art Bilder-Tagebuch ihres Lebens. Eine schnelle Skizze ihres Vaters wie er sie schlug. Ihre Mutter, wie sie auf der Couch saß und rauchte. Wieder ihr Vater in der Küche sitzend, umringt von Schnapsflaschen, die ihn zu verspotten schienen. Ein Selbstporträt von Evelyn, wie sie nur in Unterwäsche bekleidet vor dem Spiegel stand und ihren von blauen Flecken übersähten Körper betrachtete. Noch eines wie sie in ihrer Klasse saß und niemand sie beachtete.Und dann das erste Bild von Judy.
Wärme erfüllte Evelyn, als sie sanft über die Zeichnung strich, auf der ihre Freundin erst vierzehn Jahre alt war. Lächelnd und wunderschön.
~Ivie~
Sie schloss das Buch und stellte es in das Regal zurück. Sie ertrug es nicht länger alleine zu sein. Sie ertrug diese erdrückende Stille nicht mehr! Diese Leere! Sie musste weg!
~Habe es nicht länger ausgehalten~
Die Hellblonde drehte sich um und schritt entschlossen auf die Tür zu, öffnete sie und schloss sie leise hinter sich. Ihr war ein Gedanke gekommen. Eine Möglichkeit diese Leere abzuschütteln und diese letzten paar Stunden, die sie von der Nacht noch hatte schlafen zu können.
~Ich habe die Vorräte gestohlen~
Ihr Ziel war nur ein paar Türen weiter von ihr entfernt. Auf dem kurzen Weg legte sie sich ihre Worte sorgfältig zurecht. Sie wusste was sie wollte und was sie ihn wissen lassen konnte, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Doch als sie schließlich vor dem Klassenzimmer stand, kamen nagende Zweifel in ihr hoch, wie äzende Magensäure. Was wenn man sie wegschickte? Sie könnte es ihm nicht verübeln, schließlich war es sehr spät, oder eher, sehr früh. Sollte sie es wirklich wagen?
Sie zögerte nur noch kurz bevor sie drei Mal anklopfte und dann Füßescharrend darauf wartete, dass sich etwas tat.
~Suche bitte nicht nach mir~
Kurze Stille, dann regte sich etwas auf der anderen Seite. Evelyn hörte schlurfende Schritte und dann wurde die Tür geöffnet. Ein verschlafenen Harry mit verwuscheltem Haar und Augenringen stand vor ihr und musterte sie überrascht.
„Evelyn" murmelte er und rieb sich kurz über die schweren Augen um wacher zu werden. „Was tust du hier?"
~Es tut mir leid~
„Hey, Harry" sagte Evelyn. Sie senkte schuldbewusst ihren Blick und rang unsicher ihre Hände. „Steht dein Angebot noch?"
DU LIEST GERADE
S U R V I V O R
Fanfiction🦋WIRD ÜBERARBEITET🦋 •••••••••••••••••••••••••• Evelyn, ein einsames Mädchen das ihre sechzehn Lebensjahre unter der Tyrannei ihrer Eltern hatte fristen müssen, entscheidet sich eines Nachts dieses Leben hinter sich zu lassen und wegzulaufen. Nicht...