T W E N T S E V E N

30 2 0
                                    

Ein Ruck ging durch Evelyns Körper. Es war als würde irgendetwas in ihrem Brustkorb explodieren und nun von innen zu allen Seiten gewaltsam aus ihrem Körper austreten wollen. Sie riss ihre Augen auf. Doch so schnell und brutal dieses Gefühl über sie gekommen war, so plötzlich war es auch wieder vorbei. Schwer atmend setzte sie sich auf und strich sich einige hellblonde Haarsträhnen aus der feuchten Stirn. Was war das nur für ein merkwürdiger, wirrer Traum gewesen? Rötliches Sonnenlicht fiel durch die Fenster in das Klassenzimmer und auf Evelyns blasse Haut. Es war angenehm warm, doch die Sechzehnjährige konnte sich gerade einfach nicht entspannen.

Sie sah sich um. Lawrence, Sue und Zion waren nicht mehr im Raum, vielleicht holten sie im Moment das Frühstück oder Hailey und Scarlett. Ob die Blondine sich wieder gefangen hatte? Hoffentlich. Und Zion...was hatte das nur zu bedeuten? War das wirklich nur ein Alptraum gewesen? Oder steckte doch mehr dahinter? War er womöglich sogar der Verräter?

~Oh, bitte nicht!~

Nein. Es musste einen anderen Grund geben warum diese Treppe in seinem Traum war. Es musste einen anderen geben. Evelyn seufzte leise. Ethan schlief noch. Es war irgendwie lustig ihn so zu sehen. Wenn er wach war und einen mit seinen ruhigen, tiefblauen Augen und dem für ihn typischen emotionslosen Gesicht musterte, seine muskulösen Arme freigelegt und den blutigen Baseballschläger auf einer Schulter ruhend, konnte er richtig einschüchternd sein, wenn man ihn nicht kannte. Aber so, alle Viere von sich gestreckt, der Mund offen stehend und mit unschuldiger Mine vor sich hin sabbernd, war der Schwarzhaarige einfach nur goldig.

Harry und Eugene waren wach. Sie saßen in Evelyns Nähe auf dem Boden und unterhielten sich gedämpft. Beide machten einen ernsten und hoch konzentrierten Eindruck. Die Hellblonde machte sie auf sich aufmerksam, indem sie sich streckte und dann auf allen Vieren auf die Jungen zu krabbelte, darauf achtend ihren Fuß nirgendwo anzustoßen. Nach dem Traum, in welchem sie ganz normal hatte gehen können war es nun sehr ungewohnt derartig vorsichtig mit ihren Bewegungen sein zu müssen, nahm sie unglücklich zur Kenntnis. „Oh, guten Morgen, Evelyn” sagte Harry leise und lächelte sie an. Eugene nickte ihr zu. Die Hellblonde setzte sich bei den beiden angekommen wieder hin und gähnte herzhaft. „Morgen. Über was habt ihr geredet?”

Eugene und Harry wechselten einen kurzen Blick, dann meinte der Blonde: „Wir rätseln darüber ob sich Scarlett heute Mal blicken lässt. Sie hat schon seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen.”, „Einen Tag lang nichts Essen bringt einen doch nicht gleich um” warf Evelyn mit gehobener Augenbraue ein. Sie selbst hatte früher oft zwei bis drei Tage lang nichts zu sich genommen, damals als Zombies nur irgendwelche, aus der Mode geratene Horrorfilm-Gestalten, und ihre Eltern für sie die einzigen Monster gewesen waren, vor denen man sich hatte fürchten müssen. Das alles kam ihr so weit entfernt vor. So als wäre der Tag an dem sie von zu Hause weggelaufen und in den Wald geflohen war zwanzig Jahre her, ein Ereignis welches sich in einer ganz anderen Welt abgespielt hatte, die so wie sie einst war nicht mehr existierte.

Harry nickte. „Aber trotzdem. In diesen Zeiten gibt es sowieso nicht mehr viel Nahrung. Sie sollte essen, wenn sie die Gelegenheit dazu hat.”, „Apropo essen” Eugenes Gesicht verzog sich merklich. „Ich hab nen riesen Kohldampf! Wo bleiben die denn? Wie lahmarschig kann man sich eigentlich fortbewegen??” Evelyn lachte. „Hör auf zu heulen, du Riesenbaby. Ich höre sie schon.” Der Blonde hob eine Braue. „Klar tust du das” entgegnete er, die Worte trieften nur so vor Sarkasmus. Nur blöd für ihn, dass Evelyn tatsächlich etwas hörte. Schritte und Lawrence und Sues Stimmen. Kurz nachdem Eugene seinen Kommentar ausgepackt hatte betraten die drei den Raum, in ihren Armen einige Trinkflaschen, Müsliriegel und noch anderes Zeug, welches sie auf den vielen zusammengeschoben Tischen ablegten. Die Hellblonde schenkte Eugene ein dreckiges Grinsen, worauf der nur die Augen verdrehte und genervt mit der Zunge schnalzte.

S U R V I V O R Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt