N I N E

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Es klopfte laut und aggressiv an Evelyn's Zimmertür und sie schreckte plötzlich hellwach aus ihrem Schlummer.

Nach der recht kurzen Unterhaltung mit Harry und Judy hatte auch sie sich in ihr Klassenzimmer zurückgezogen um sich ebenfalls ein wenig auszuruhen.
Fast augenblicklich, als sie sich hingelegt hatte, war sie eingeschlafen und hatte diesen seltsamen, jedoch schönen Traum geträumt, schon wieder einen von der Art, in welcher sie den Anderen beim Schlafen zusehen konnte.
Wie merkwürdig. Würde das jetzt jede Nacht so gehen?

Das Klopfen an der Tür hielt an und wurde mit jeder verstreichenden Sekunde nervtötender, also sprang Evelyn auf, öffnete die Türe schwungvoll und blickte dem Störenfried mit ihren blau-violetten Augen gereizt ins Gesicht.

Es war Zion.

„Was ist?” fauchte sie ihn an und gleich nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, tat es ihr schon wieder leid, so unhöflich gewesen zu sein.
Andererseits, hätte er nicht so einen Radau veranstalten müssen, das war ja unausstehlich!
Natürlich hatte sie da das Recht aus der Haut zu fahren, damit musste er schon klar kommen!

Aber Zion sah kein bisschen verletzt oder beschämt aus.
Er hob nur eine Augenbraue und lehnte sich ganz Bad-boy mäßig an den Türrahmen, die Arme verschrenkt.

„Wie? Kein: 'Ach wie schön, dass du wieder da bist' oder wenigstens ein: 'Hallo, Zion' ?” fragte er amüsiert und als Evelyn verunsichert zu Boden blickte grinste er breit. „Ich dachte die Dame wollte geweckt werden wenn die heldenhaften Herren von der Schlacht zurückkehren?”

„Das wollte Eugene.” widersprach sie, immernoch etwas gereizt, aber nicht mehr wie ein brodelnder Vulkan.
„Ja, ich weiß.” der Rothaarige stellte sich wieder gerade hin, sodass er wie sonst auch gut einen Kopf größer war als Evelyn. „Jay ist los um ihn zu wecken. Ich glaube du möchtest trotzdem zu unserem Abendmeeting, oder?”

Sie nickte kurz. Es würde interessant werden auf welche Art Scarlett sie dieses Mal mit ihren Blicken töten würde.
Erdolchen? Verätzen? Vielleicht aufspießen?
Und wie viele Vorräte hatten die Jungs wohl erbeuten können?

Sie schnappte sich noch Schere und Schlüssel, dann folgte sie Zion zurück zum Gemeinschaftsraum, wo die Anderen vermutlich bereits auf sie warteten.

Auf dem Weg dorthin spürte sie immer wieder wie ihr der Achtzehnjährige neben ihr kurze Blicke zuwarf.
Sie versuchte ihn einfach zu ignorieren, das war jedoch nicht so einfach, denn wenn man wie Evelyn sensibel für Derartiges ist, ist eine solch intensive Betrachtung des eigenen Körpers durch die Augen eines Anderen so, als würde jemand mit einer Wärmelampe über die Haut leuchten und die verschiedenen Stellen genau unter die Lupe nehmen.
Die Stellen die Zion sich ansah begannen unangenehm zu kribbeln und eine Gänsehaut bildete sich auf ihrer bleichen Haut, wenn seine Augen darüber wanderten.
Hauptsächlich in ihrem Gesicht oder ihrem Hals.
Irgendwann hatte Evelyn schließlich genug.

Vor dem Klassenzimmer 1-C hielt sie den Rothaarigen am Ärmel fest und hinderte ihn so daran einzutreten.
Fragend und sichtlich bereits wieder genervt drehte er sich zu ihr um.

„Bitte hör auf mich anzustarren.” bat sie leise und hoffte ihr Gegenüber nicht unnötig wütend zu machen.
„Wenn ich etwas im Gesicht habe sag es mir einfach.”
Es war ihr sehr unangenehm so intensiv begutachtet zu werden. Damit verband sie seit frühen Kindertagen etwas falsch gemacht zu haben und bald eine Bestrafung einstecken zu müssen.
Mit anderen Worten: Prügel von ihrem werten Vater.

Von Gleichaltrigen so von der Seite angestarrt zu werden weckte in Evelyn immer den schrecklichen Verdacht, dass man die blauen Flecken und Schürfwunden sehen konnte, selbst jetzt noch obwohl all die dunklen Stellen bereits verheilt waren.
Sie fand es sehr beunruhigend.

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