T H I R T Y T H R E E

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Ruckartig riss Evelyn ihre Augen auf und bohrte ihren brennenden Raubtierblick in Eugenes Gesicht. Der Blonde hatte sich über sie gebeugt um sie zu wecken, da sie bald losgehen musste und Zeit haben sollte sich vorzubereiten, und sie dann auch tatsächlich aus dem Schlaf gerissen, wenn gleich auch nicht so wie er es beabsichtigt hatte.

Evelyn war bis vor kurzem noch in ihrer anderen Welt umhergewandert, war zwischen den Baumsäulen durch die weiten Waldeshallen geschlichen und hatte nach dem Ort gesucht an den sich ihr Schläfer seit jeher gebunden hatte. Die Lichtung mit dem umgestürzten Baumstamm. Und sie hatte sie gefunden. Es war ein merkwürdiges Gefühl gewesen sich selbst zu sehen, durch die Augen einer scheinbar gänzlich anderen Person. Oder was auch immer sie war. Ein Wesen. Eine Kreatur. Doch ein Mensch? Sie wusste es nicht mehr. Sie hatte sich verändert. Evelyn wusste, dass sie nicht mehr die selbe war die den Wald vor so langer Zeit betreten hatte. Etwas in ihr war nun gänzlich anders, hatte seine Struktur sowie seine Funktion umgewandelt. Etwas in Evelyns Körper, in ihrem Verstand war geweckt worden. Das wurde ihr klar, als sie ihren eigenen zierlichen, menschlichen Leib dort unter dem Baumstamm liegen sah und sich dabei an ihre erste Traumwanderung erinnerte in welcher sie auch schon hier gewesen war.

Damals hatte sie auch schon jenes Gefühl der Fremdheit sich selbst gegenüber gehegt. Hatte erstmals nicht erkannt, dass das dort sie selbst war. Dieses Mal war das Gefühl stärker. Wie eine Katze die sich selbst zum ersten Mal im Spiegel sieht. Wobei irgendetwas ihr sagte, dass sie im Moment nicht so aussah wie jenes zerbrechliche, kleine Mädchen dort mit dem hellen Haar und der blassen Haut. Und doch war dort das starke Verlangen Kontakt mit ihr herzustellen.

Als Evelyn ihre Schnauze federleicht auf ihre eigene Wange legte und sie sich selbst in den Fluss des Erwachens riss kippte sie zurück in sich selbst, oder doch nicht? Das Problem daran zwei Wesen zugleich zu sein ist das, sich am Ende nicht im Klaren darüber zu sein wer man wirklich war.

Wer war sie?

Was war sie?

Das einzige was nun wirklich klar war, war die Tatsache, dass Evelyn an jenen anderen, fremden, nichtmenschlichen Körper keinerlei Erinnerung mehr hegte, als sie so plötzlich in die für Eugene durchaus reale Welt fiel und ihm ihren wilden Blick entgegen feuerte. Ihre Augen waren größer, leuchtender und vielfarbiger als je zuvor und ihre Pupillen waren zu dünnen Schlitzen verengt. Sie fixierte den Blonden lauernd, als er entsetzt drei Schritte zurück torkelte.

Holy fucking Jesus Christ!” rief er erschrocken und griff in einer haltsuchenden Bewegung nach seinem Haar. Evelyn setzte sich auf, streckte sich, gähnte herzhaft wobei sie ihre Augen müde zukniff und als sie sie wieder öffnete waren sie normal. Keine geschlitzten Pupillen mehr. Keine schreckliche, glühend bunte Iris. Nur ein dumpfes dunkelblau, dass an düstere Sturmwolken denken ließ. Zittrig atmete Eugene aus. Evelyn sah ihn fragend an. „Was ist los?”, „Nichts” Log er und rieb sich immer noch um Fassung ringend den Nacken. „Ich...bin nur müde, das ist alles.”

Sie nickte, streckte ein weiteres Mal ihre Glieder, ließ ihre Knochen knacken und stand dann auf. Außer Eugene waren auch schon Lawrence, Hailey und Zion wach und alle drei begutachteten sie und ihren Schwarm skeptisch. Evelyn, die nicht die leiseste Ahnung hatte warum Eugene so einen Schreck bekommen hatte beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und stattdessen Harry aufzuwecken. Sie entdeckte den Weißhaarigen recht schnell, kniete sich vor ihm hin und betrachtete für einen Moment seine völlig entspannten Gesichtszüge. Er wirkte so unschuldig und so unberührt. Rein war das Wort nach dem Evelyn suchte und sie nickte zufrieden. Vor ihrem Inneren Auge schälte sich das Bild von flauschigen Schönwetterwolken heraus und sie musste dem Drang widerstehen Harrys Haare durcheinander zubringen.

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