Ich kann meinen Augen kaum trauen. Da steht er. Der Bundeskanzler von Österreich - mit einem Strauß weißer Rosen in der Hand. Das wäre der zweite diese Woche. Sein Fahrer stellt den Motor ab und ich bleibe wie angewurzelt am Straßenrand stehen. Ich beobachte, wie er über die Straße geht und auf mich zukommt. Nach wie vor trägt er seinen Anzug, der sich elegant an seine Schultern anschmiegt. Was macht er hier? Bevor er auf meiner Straßenseite ankommt, schaue ich um mich herum, ob sich irgendwo Leute befinden- niemand ist zu sehen. Nun steht er vor mir - und räuspert sich. "Sophia -". Ich starre auf die Blumen. "Ich - ". Nun hebe ich meinen Kopf langsam und schaue in zwei leuchtend blaue Augen. Ich bin so fasziniert von der Farbkombination blau und grau, noch nie habe ich zwei Augenfarben gesehen, die zusammen so intensiv auf mich wirken. Er hält den Blickkontakt aufrecht - das scheint eine seiner Stärken zu sein. "Es tut mir ehrlich unglaublich leid, dass ich vorhin so abwesend Ihnen gegenüber war. Das ist ehrlich nicht meine Art." Er versucht zu lächeln, jedoch misslingt es ihm. Tut es ihm ehrlich so leid? Warum war er dann so? "Ich habe gehofft, Sie hier anzutreffen - ich will Sie ernstgemeint um Verzeihung zu bitten." Er wendet den Blick ab um auf sein Auto zu deuten - dann schaut er mich wieder an. " - und um das nachzuholen, was ich eigentlich mit Ihnen am Nachmittag vorhatte." Ein flattriges Gefühl macht sich sofort in meiner Magengegend ausfindig. Er hatte noch etwas vor. Mit mir? Wenn er das so sagt, klingt es unglaublich - "Die hier sind außerdem für Sie - nicht als Wiedergutmachung - aber als kleine Aufmerksamkeit meinerseits." Ich spüre, wie meine Backen zu glühen beginnen. Was hat er nochmal genau gemacht? Was habe ich Mary stundenlang vorhin erzählt? Ich kann mich nicht erinnern. Mein Kopf ist leer wenn ich ihn ansehe. Ich nehme die Blumen entgegen. "Vielen Dank". Ich schenke ihm ein halbes Lächeln. "- und das wäre wirklich nicht nötig gewesen." Bevor er antworten kann, füge ich noch etwas hinzu. "Ich meine nicht nur die Blumen, sondern auch, dass Sie extra herkommen. Ich verstehe schon, Sie hatten einen stressigen Tag und -". Er unterbricht mich. "Nein - egal wie stressig mein Tag ist - so verhalte ich mich Ihnen gegenüber nicht." Mir gegenüber? "Sie sind aufgrund meiner Einladung zu dieser Wanderung mit und dann habe ich Sie gebeten, mit mir zurück nach Wien zu kommen. Also doch - es ist nötig." Lächelnd schaue ich ihn an. "Wenn das so ist ... nehme ich Ihre Entschuldigung gerne an." Erleichtert atmet er aus. "Dankeschön. Darf ich Sie nun bitten, natürlich nur wenn Sie Zeit und Lust haben, mit mir den Abend zu verbringen?" Mein Herz macht einen Sprung. Ja! Nichts lieber als das - aber warte mal. Ich schaue an mir hinab. "Ich müsste nur kurz hoch mich -". Er nickt. "Lassen Sie sich Zeit, ich warte solange hier auf Sie." Hastig mache ich kehrt und sobald er mich nicht mehr sehen kann, renne ich die Stiegen hoch in meine Wohnung. Stressig laufe ich von einem Raum zum nächsten. Im Badezimmer frische ich mein Make-Up auf und anschließend durchkrame ich meinen Schrank. Ich sehe mich von der Seite im Spiegel und kann kaum glauben, dass er mich gerade eben so gesehen hat, und trotzdem mit mir Zeit verbringen will. Im Wohnzimmer lege ich die Blumen neben den Strauß roter Rosen. Ich bleibe einen Moment davor stehen. Habe ich wirklich zweimal Rosen von unserem Bundeskanzler bekommen? Ich kneife mich selbst in meinen Arm - es ist kein Traum. Rasch schnappe ich meine kleine Tasche, packe mein Handy und meinen Hausschlüssel hinein und mache mich auf dem Weg hinunter.
"Und wohin geht's?". Ich schaue aus dem Fenster. "Das bleibt nach wie vor eine Überraschung". Ich drehe mich zu ihm und schaue ihn an - er wirkt wieder gewohnt entspannt und beherrscht. Wir fahren gerade durch die innere Stadt - es sind nicht viele Autos unterwegs, da es schon recht spät ist. Was hat er bloß vor? Gehen wir wieder auf eine Dach? Langsam beginne ich, zu realisieren, mit wem ich unterwegs bin - ich werde plötzlich wieder nervös. Einige Minuten vergehen, bis der Wagen zum Stillstand kommt. Er springt auf, um auszusteigen und mir die Türe zu öffnen. Während ich aussteige, schaue ich mich um. Wir befinden uns an einem Ort, an dem ich noch nie vorher war. Was machen wir hier? Die Straße wird von einigen wenigen Laternen beleuchtet. Vor uns befindet sich ein Café, das den Namen "kleines Café" trägt. Zwei Tische, an denen drei Leute sitzen und etwas trinken, stehen davor. Er geht zu der Eingangstüre und öffnet sie. "Wenn ich bitten darf". Während ich hinein gehe, merke ich, wie besonders ich mich durch ihn fühle. Ich trete in das Café ein - es ähnelt dem, in dem wir das letzte Mal waren sehr stark. Überall sind sich hübsche Accessoires wie Pflanzen oder kleine rosa Tischdecken platziert. "Hinten befindet sich unser Tisch". Er deutet mir den Gang entlang. Als ich am Tisch ankomme, kann ich nicht glauben, dass er das alles vorbereiten hat lassen - nur für unser Treffen. Neben einem kleinen Tisch, der mit Sonnenblumen geschmückt ist, befindet sich ein weiterer Tisch auf dem ein ganzes Kuchenbuffet aufgebaut ist. Das ist doch nicht für uns? Er kann mir die Verblüffung in meinem Gesicht ablesen - seine Lippen formen sich zu einem Lächeln. Bevor ich etwas sagen kann, setzen wir uns und er beginnt zu sprechen. "Ich hoffe, ich kann Ihnen einen schönen Abend bereiten." Ich schmunzle. "Ich denke, das können Sie tatsächlich." Nachdem wir uns gesetzt haben kommt die Kellnerin um die Ecke und nimmt unsere Bestellung auf. Wir beide bestellen jeweils einen doppelten Espresso. Als die Kellnerin nur ein - oder zwei Minuten später mit unseren Getränken wiederkommt, kann ich den Kaffee schon riechen - "Danke - das wäre für jetzt einmal alles". Ich bedanke mich ebenfalls und nippe an meinem Espresso. Erwartungsvoll beobachtet er mich. "Und?" Achso, der Kaffee - ich nippe nochmals und tatsächlich - er ist noch besser als in dem Café, in dem wir das letzte Mal waren. Wie findet er diese Plätze bloß? "Der Kaffee ist unglaublich gut." Ich beachte nun das Mehlspeisenparadies neben mir, da mir der Duft schon seit Minuten in die Nase steigt - und ich nun richtig Appetit bekomme. Ich betrachte den Tisch neben uns - Krapfen, Palatschinken, verschiedene Kuchen mit bunten Glasuren und Obsttorten so weit das Auge reicht. "Haben Sie Hunger?". Er lächelt mich an und deutet auf die Mehlspeisen. "Und wie".
Über eine Stunde später reden wir über die Wanderung. "Was ich Ihnen noch sagen wollte - Sie haben einen neuen Fan." Ich blicke ihn fragend an. "Einen Fan?". Wen meint er damit? "Nach der Wanderung hat mich meine Großmutter nochmals aufgehalten und richtig geschwärmt von Ihnen." Seine Lippen formen sich zu einem Lächeln. Die Oma vom Bundeskanzler hat von mir bei ihm geschwärmt? "-und Sie besteht darauf, dass ich Sie einmal mitnehme nach Niederösterreich." Ich laufe vermutlich gerade wieder rot an. Oh Gott. Ich kann mir nie im Leben vorstellen, mit ihm zu seiner Oma zu fahren - das ist seine Familie! Ist das zu fassen? Aber Moment mal -. "Und was halten Sie davon?" Hab ich das gerade wirklich gefragt? Was, wenn er sagt, dass das doch völlig absurd sei. Er räuspert sich. "Ich bin da ganz ihrer Meinung - und würde mich freuen." Jetzt laufe ich ganz sicher rot an. Ich lächle verlegen. "Ich würde mich ebenfalls freuen." Die Kellnerin kommt um die Ecke und unterbricht das Gespräch. "Haben Sie noch einen Wunsch?". Fragend schaut er mich an und ich verneine.
Als wir ins Auto steigen, frage ich mich, wie ich hier bloß landen konnte. Und komme außerdem zu dem Entschluss, dass es zu gut, um wahr zu sein ist. Genau - das ist es, oder? Ich werfe einen Blick auf mein Handy - es ist schon kurz vor Mitternacht. Im Auto ist es still, bis der Fahrer nach dem Ziel fragt. "Zu Sophia nach Hause - richtig?". Nickend stimme ich zu. Ich packe mein Handy wieder weg und drehe mich zum Fenster. Wien bei Nacht ist wirklich schön. Überhaupt in einem Auto - mit dem Bundeskanzler. Ich muss schmunzeln. Hat er das eben gesehen? Ich wage einen Blick in seine Richtung - er schaut ebenfalls aus seinem Fenster hinaus. Einige Minuten vergehen, bis wir bei meiner Wohnung ankommen. Rasch steigt er aus und öffnet erneut die Autotüre auf meiner Seite. Freundlich verabschiede ich mich von seinem Fahrer und er begleitet mich über die Straße bis zu meiner Eingangstüre. Der Wind weht durch meine Haare und er hebt seine Hand und streicht mir eine Strähne hinter mein Ohr. Meine Knie werden weich und ich atme schwer. Das Licht fällt genau so, dass ich seine hypnotisierend blauen Augen schauen kann. Sein Blick geht langsam über mein ganzes Gesicht. Zuerst von meinen Augen, zu meinen Wangen bis zu meinen Lippen. Seine Hand befindet sich noch immer an meinem Ohr und wandert zu meinem Kinn. Oh mein Gott - was passiert hier? Er will mich doch nicht -. Sein Kopf neigt sich nach vorne und seine Lippen kommen immer näher an meine ran. Ich komme ihm entgegen und schließe meine Augen.
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Die romantische Seite der Politik (Sebastian Kurz)
RomanceFanfiction über Sebastian Kurz