Die Fernbedienung rutscht mir aus der Hand und fällt laut am Boden auf. Ich starre meinen Fernseher an. Was zur Hölle? "Sophia? Bist du noch da?". Ich bringe kein Wort heraus - alles was ich machen kann, ist weiter wie hypnotisiert auf den Fernseher zu starren. "Wo haben Sie denn das Foto ausgegraben?". Er lacht auf. Wie kann er darüber bloß so amüsiert sein? Die Moderatorin geht weiter darauf ein. "Also - ist es nun offiziell? Können wir sie zur First Lady ernennen?". Mein ganzer Magen dreht sich um während mein Atem stockt. Er richtet sich auf. "Also nicht, dass ich mein Privatleben gerne mit der Öffentlichkeit teile, aber dieses Foto ist nicht mehr aktuell. Um mögliche Gerüchte aus dem Weg zu räumen, in der nächsten Zeit und auch darüber hinaus wird es keine "First Lady" von Österreich an meiner Seite geben. Ich bin zufrieden mit der jetzigen Situation und mal ganz ehrlich - ich habe sowieso keine Zeit für solche Angelegenheiten." Die Moderatorin nickt und antwortet ihm. "Na wenn das so ist - sicherlich haben gerade etliche Frauen die Ohren gespitzt - also, der Bundeskanzler ist alleinstehend aber leider nicht auf der Suche - richtig?". Er stimmt zu und ergänzt noch etwas. "Dann passieren auch solche Missverständnisse in Zukunft nicht mehr."
Zwei Stunden später sitze ich auf einer Parkbank in der Nähe meiner Uni - ich habe es zu Hause nicht ausgehalten. Hier gehe ich immer hin, wenn ich eine Lernpause brauche und frische Energie tanken will. Nun nutze ich den Platz, um darüber nachzudenken, wie dumm ich sein konnte. Wie dumm war es, zu denken, dass der Bundeskanzler aus Österreich Interesse an mir haben könnte. Wenn das alles nur Zeitvertreib war und er zu viel Arbeit für so etwas hat - warum hat es sich nicht so angefühlt? Er gab mir so ein besonderes Gefühl. Jede Minute, die wir verbracht haben war magisch. Das muss ich jetzt mir selbst gegenüber nicht leugnen, nur weil er nicht so darüber denkt. Für mich war es nun mal besonders. Ich beobachte zwei Kinder, die fangen spielen und dabei herzlich lachen. Was für verschwendete Zeit. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich hier schon fast zwei Stunden sitze - langsam stehe ich auf und mache mich auf den Weg zurück in die Wohnung.
"Och man, das tut mir so leid. Vielleicht hat er-". Ich verdrehe meine Augen. "Vielleicht hat er was? Das alles nicht ernst gemeint und er fand die Zeit mit mir auch schön? Ja klar Mary - das Interview haben mittlerweile über 300.000 Tausend Menschen gesehen, alleine auf Youtube! Stell dir mal vor wie viele das Interview live gesehen haben - da lügt man nicht einfach so und trifft solche Aussagen!". Energisch werfe ich die Nudeln in das bereits kochende Wasser. Es ist nun schon zwei Tage her. Zwei Tage sind vergangen seitdem ich dieses Interview gesehen habe. "Sophia - das wollte ich doch gar nicht sagen." Bemitleidend schaut sie mich an. Mary steht auf und richtet die Teller her.
"Du hast nun schon seit einer halben Stunde kein Wort mehr gesagt". Ich stochere in meiner Pasta herum. "Weil ich nichts zu sagen habe - außer, dass ich selbst schuld bin. Ich wusste es von Anfang an und-". Mary unterbricht mich. "Okay die depressive Phase ist nun vorbei. Ich kann mir das nicht länger ansehen. Iss deine Pasta fertig - du brauchst was im Magen für heute Abend!". Sie wirft gespielt die Hände in die Luft und beginnt zu tanzen. Normalerweise würde ich nun sagen, dass ich auf gar keinen Fall mitkomme und lieber zu Hause bleibe. Aber nicht heute - ich bin ihm egal und das ist auch gut so, denn früher oder später hätte es sowieso geendet. Wenigstens weiß ich nun Bescheid. "Wann geht's los?"
Ich betrachte mich noch einmal im Spiegel. "Sophia komm! Das Taxi ist hier!". Mary wartet bereits bei der Eingangstüre auf mich. Ich trage ein schwarzes, rückenfreies Kleid, dass knapp ober meinen Knien aufhört. Mein Make-Up ist eher schlicht, bis auf den rötlichen Lippenstift. Die Haare sind gelockt und sitzen locker auf meinen Schultern. Ich packe meine Clutch und gehe in Richtung Türe. "Okay aber warte - du siehst sowas von heiß aus!!". Ich zwinkere ihr zu. Ein wenig wackelig hole ich noch mein Handy. Ich konnte auf höheren Schuhen noch nie so wirklich gut laufen. Ich werfe einen Blick auf den Sperrbildschirm und spüre wie mein Herz beinahe stehen bleibt. "Was ist los?". Mary kommt hergelaufen. "Ist er das?". Ich atme schwer. Ich kann nur nicken. Sie reißt mir das Handy aus der Hand und geht ran. Ich kann meinen Augen nicht trauen. "Hallo - hier ist nicht Sophia, und das wird auch in Zukunft und darüber hinaus so sein." Sie gibt mir mein Handy zurück. "So, und jetzt gehen wir feiern."
Als wir vor einem Club, in dem ich schon zwei- oder dreimal mit Mary war, stehen, bin ich irgendwie nicht mehr so sicher, ob ich nicht doch lieber hätte zu Hause bleiben sollen. Im Taxi hat Mary mir erzählt, dass ein guter Freund von ihr Geburtstag feiert und sich freut, dass wir auch kommen. Vor dem Club steht ein Security, der Leute immer wieder Leute abweist. Die Schlange ist so lange, dass ich die letzte Person gar nicht sehen kann. "Ahh da sind die ja schon". Zwei Jungs in unserem Alter kommen aus dem Club und winken uns zu sich. Sie umarmen Mary und mich ebenso. Als wir zum Tisch gehen, sehe ich, wie überall Leute tanzen und sich betrinken - aber okay, was habe ich in einem Club erwartet. Ich erkenne auch, dass wir hier zu den Jüngeren gehören. Der Club macht einen sehr eleganten Eindruck, ich sehe einige Männer in Anzügen. Gott sei Dank habe ich mich im letzten Moment für das Kleid entschieden. In der Lounge warten die anderen bereits auf uns.
Fünf Drinks später lasse ich mich nach langem Überreden auf Shots ein. Ich sitze neben Jonas, der beste Freund des Partygebers. Nachdem was ich bisher erfahren habe, ist Jonas nett. Er hat mir ein Kompliment zu meinem Kleid gemacht, aber er hält nichts vom Studieren. Er findet, dass das Zeitverschwendung ist. Mary tanzt mit dem Jungen, der Geburtstag hat, auf der Tanzfläche. Dann kommt sie zu mir. "Heeeyy." Sie ist ganz schön betrunken. "Ich hab die Tequilla-Shots". Sie deutet auf das Tablet in ihrer Hand. Oh nein. Dann kommt Mary ganz nah an mein Ohr und nuschelt. "Ich weiß ganz genau, dass du ihn vermisst und du verletzt bist aber-". Fast verliert sie das Gleichgewicht. "Ich nehm dir das ab". Ich stelle das Tablet auf den Tisch. Sie setzt sich neben mich. "Ich finde Matthias total heiß". Ach, so heißt der Partygeber also. "Aber ich kann nicht weil-". Matthias unterbricht sie. "Da steckst du also! Komm schon - her mit den Shots!". Er teilt jedem einen aus und nimmt Mary in den Arm. "Auf diese Nacht". Alle heben ihre Gläser und trinken. Was für ein Schwachsinn. Ich presse meine Augen zusammen und fühle, wie sich mein Magen beginnt zu drehen.
"Kommst du mit auf die Toilette?". Ich nuschle nun ebenso und kann auch nicht wirklich gerade stehen. Aber das Gefühl ist irgendwie toll - so denke ich nicht mehr an ihn. Oder doch? Ich bin total verwirrt. "Klar". Mary nimmt mich an der Hand und führt mich zur Toilette. Dort angekommen, checke ich mein Aussehen im Spiegel. Meine Augen sind ein wenig glasig aber sonst sitzt noch alles. Mary holt ihr Handy raus und macht ein Foto von uns. "Wir sehen heiß aus - und das sollte sich kein Typ entgehen lassen - auch nicht dein Bundeskanzler". Mary tippt auf ihrem Handy herum. "Hey! Er ist nicht nur mein Bundeskanzler, er ist auch deiner!". Wir beide lachen laut auf und ich muss mir Mühe geben, damit ich nicht falle. "So, gepostet - ich hab dich markiert!". Lächelnd stolziert sie aus der Türe zurück in den Club.
Ebenfalls auf dem Weg zurück muss ich auf jeden Schritt achten, damit ich nicht hinfalle. Mir ist leicht schwindelig und eigentlich ist jetzt der perfekte Zeitpunkt um nach Hause zu gehen. Ich mache mich auf die Suche nach Mary, um ihr Bescheid zu sagen. "Aber hallo". Ich drehe mich um und schaue in bekannte Augen. Der Mann auf dem Café. Auch das noch. "Ich wusste, dass wir uns nochmal begegnen. Ich bin übrigens David". Er streckt mir seine Hand hin. Ich strecke meine ebenfalls hin aber anstatt sie zu schütteln, küsst er sie. Ich erröte. Was soll das denn? "Gehen wir was trinken? Du siehst echt viel zu heiß aus, um keinen Drink spendiert zu bekommen". Ich will nein sagen, doch ich denke daran, wie wütend er war, als mich David im Café angemacht hat. Ich folge ihm also. Wir gehen über die Tanzfläche zur Bar. "Hey Fabian! Zwei Wodka Orange". Er sagt nicht einmal bitte. Doch der Kellner ist nicht verärgert sondern - gehorcht ihm. "Worüber zerbrichst du dir dein hübsches Köpfchen?" Ich blicke ihn an und er verschlingt mich förmlich mit seinen Augen. Vielleicht war das doch keine so gute Idee. Der Kellner stellt uns die Getränke hin und er bezahlt nicht. Ist er etwa sowas wie ein Manager hier? "Nimm dein Getränk und komm". Ich weiß nicht ob es Wut oder einfach nur Dummheit ist, aber ich folge ihm. Wir gehen in eine ruhigere Ecke. "Also - bist du öfter hier?". Er legt eine Hand um meine Hüfte und zieht mich zu sich heran. Ich muss hier weg. "Nein ich-". Seine Hand geht tiefer. Ich bin total angeekelt. Ich will nicht berührt werden. Nicht von ihm. "Komm schon - ich weiß du willst es auch. Ich wusste es schon im Café". Er grinst schmierig. Ich reiße mich los - doch er hält mich fest und drückt mich an sich. "Ich will nicht!". Aus dem nichts zieht mich jemand nach hinten und stößt David gegen die Wand. Ich sehe sein geschocktes Gesicht und einen Arm, der in gegen die Wand drückt. "Hast du sie nicht verstanden?! Sie will nicht!" Ich drehe mich auf die Seite und mein Herz bleibt stehen.
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Die romantische Seite der Politik (Sebastian Kurz)
RomanceFanfiction über Sebastian Kurz